Wenn ein Kind stürzt, kommt es zu Anke Karl. Foto: Achim Zweygarth

Die Schulkrankenschwester Anke Karl von der Waldorfschule am Kräherwald hat einen Preis für ihre Arbeit bekommen.

S-Nord - Stadt, Land, Fluss ist ein gefährliches Spiel. Deshalb klopft es kurz nach der Schulstunde an Anke Karls Tür. Ein Junge streckt ihr seinen Finger entgegen: Als er das Blatt mit den Ergebnissen abgeben wollte, sagt er, habe er sich damit in den Finger geschnitten. Ob es schlimm sei, fragt Anke Karl und der Junge nickt eifrig. Was für eine Frage. Dann gibt’s ein Pflaster – „ein Trostpflaster“, sagt Anke Karl – und der Schüler verlässt das Krankenzimmer. Es ist eine Szene, wie es sie in Stuttgart nur an zwei Orten geben kann, in der Waldorfschule Uhlandshöhe und der am Kräherwald. Denn nur dort gibt es Schulkrankenschwestern wie Anke Karl eine ist. Auch deutschlandweit gibt es nur eine Hand voll, in Mannheim und in Frankfurt beispielsweise.

Seit neun Jahren ist die gelernte Kinderkrankenschwester an der Freien Waldorfschule am Kräherwald für das Wohl der Schüler zuständig. Sie verbindet Schürfwunden, legt Wärmflaschen auf schmerzende Kinderbäuche oder spendet Trost. Denn nicht jeder Patient, der vor Anke Karls Tür steht, hat physische Schmerzen zu beklagen. „Manche quält etwas ganz anderes“, sagt sie. Aber die medizinische Komponente sei der Türöffner, da werden schon mal Kopfschmerzen vorgeschoben, um sich kurz auf die Liege in Anke Karls Zimmer legen zu dürfen. Wenn gerade die Katze gestorben ist oder familiäre Sorgen die Kleinen plagen, auch damit kommen sie zur Schulkrankenschwester. Die Älteren suchen das Krankenzimmer häufig wegen steigenden Schul- und Abiturstresses auf. Anke Karl kennen sie dann schon die ganze Schulzeit über. Sie weiß deshalb um die Wehwehchen, nur ein Gesichtsausdruck reiche häufig, um den wahren Grund des Besuchs zu erraten.

„Die Schüler sind sehr in die Schule eingespannt“

Den Vorwurf, die Schüler würden zu weich gebettet, kenne sie auch, weist ihn aber von sich: „Die Kinder von heute brauchen noch mehr Hülle als früher. Sie sind so sehr in die Schule eingespannt“, sagt sie. „Die Anforderungen werden immer größer, da brauchen die Schüler zwischendurch mal Ruhe, eine Verschnaufpause, um wieder Kraft zu sammeln.“

Seit einiger Zeit begleitet Anke Karl eine Mädchengruppe mit Schülerinnen der fünften Klassen. Darin spricht sie mit den Mädchen über alle Themen, die sie beschäftigen. Doch auch außerhalb der Kranken- und Klassenzimmer kommt Anke Karl mit den Schülern ins Gespräch, auf dem Flur zwischen den Schulstunden oder in der großen Pause. Dann geht es um Themen wie Alkohol, Prüfungsstress oder Gewaltprävention.

Anke Karl gibt eine umfassende Erstversorgung

Auch für die Eltern sei eine Schulkrankenschwester eine Entlastung. Gehen die Kinder mit Schmerzen und Verletzungen gewöhnlich zur Schulsekretärin, so erhalten sie bei Anke Karl gleich eine umfassende Erstversorgung. Die meist berufstätigen Eltern wüssten dadurch ihre Kinder in guten Händen. Nicht selten spricht sie nach der Behandlung mit den Eltern über den Patienten, gibt Ratschläge für eine weitere Behandlung und verweist die Schüler an Kinderärzte oder Therapeuten.

Vor einiger Zeit wurde die Krankenschwester mit dem Förderpreis des Präventionspreises des Landes Baden-Württemberg in der Kategorie Kita/Schule ausgezeichnet. Den mit 1000 Euro dotierten Preis, möchte Anke Karl erstmal für eine Reise nach Schweden nutzen. Nicht um zu entspannen, sondern im Gegenteil, um Ideen und Anregungen für ihre eigene Arbeit zu sammeln. In dem skandinavischen Land nämlich gehört eine Schulkrankenschwester zum normalen Personalstamm dazu. Die Erkenntnisse will sie nutzen, um den Beruf der Kinderkrankenschwester über ihre eigene Schule hinaus bekannter zu machen. „Wenn ich Lehrer aus anderen Schulen treffe, sind alle vom Konzept begeistert und fast neidisch“, sagt sie. Natürlich sei die Einrichtung der Stelle eine Frage der Finanzierung. Der Förderpreis aber und das stete Klopfen an ihrer Tür geben ihr Recht.