Zeynep (Mitte) und Furkan lernen von ihrer Lehrerin Tanja Lingscheidt, wie Weißkohl gepflanzt wird. Im Herbst wollen sie daraus Sauerkraut herstellen. Foto: Fotos: Michael Steinert

Im Schulgarten können sich die Neuntklässler beim Buddeln und Jäten austoben – und so manches grüne Geheimnis lüften.

Geislingen - Heute herrscht Mückenplage im Geislinger Rohrachtal. „Ich bin schon wieder gestochen worden“, beschwert sich Furkan, während er sich mit fuchtelnden Bewegungen gegen die umherschwirrenden Plagegeister zur Wehr setzt. Eigentlich wollte er gemeinsam mit einem Klassenkameraden noch zwei neue Beete anlegen, doch daraus wird nichts mehr. „Ihr dürft jetzt Schluss machen“, schickt Tanja Lingscheidt ihre verschwitzten Schützlinge in den etwas verfrühten Feierabend. Die Pädagogin der Freien Waldorfschule St. Michael in Geislingen unterrichtet ein Schulfach, das es an den meisten staatlichen Schulen so gar nicht gibt.

Die Natur mit allen Sinnen erleben

Gartenbau wird bei uns von der fünften bis zur neunten Klasse unterrichtet“. Dabei erleben die Schüler nicht nur die biologischen Zusammenhänge von der Saat bis zur Ernte, sondern sie sollen gleich noch Verantwortung übernehmen. „Und wenn wir nicht gießen, vertrocknen unsere Gemüsepflanzen halt wieder“, beschreibt Lingscheidt den simplen Zusammenhang.

„Feier noch schön deinen Geburtstag“, verabschiedet sie eine Schülerin, die bis zum Unterrichtsende lange Äste zu Kleinholz zersägt hat. „Mir macht das wirklich Spaß“, erklärt die frisch gebackene 16-Jährige, bei der zuhause das Brennholz immer schon im gesägten Zustand angeliefert werde. „Ich möchte, dass meine Schüler die Natur mit allen Sinnen erleben. Was man kennt und liebt, wird man später auch schützen“, hofft die Pädagogin, für die die zwei Stunden Gartenbau viel mehr bedeuten als ein bisschen Unkrautjäten und Beeteanlegen.

Lehrerin möchte dem Medienkonsum der Schüler etwas entgegensetzen

„Hier kriegen sie Kontakt zur richtigen Welt“, hofft die Lehrerin, die genau weiß, dass auch Waldorfschüler ihre Freizeit viel zu oft mit elektronischen Medien vertun. Ihr gehe es nicht ums Verteufeln, sagt Lingscheidt, die dieses Freizeitverhalten von den eigenen Kindern kennt. Aber der virtuellen Parallelwelt etwas entgegensetzen – das möchte sie schon.

Die Frau mit dem festen Händedruck freut es, wenn sich ab und zu auch ein paar Erstklässler in den Garten verirren, um zu beobachten, wie die Ringelnatter im eigens angelegten Schulteich nach Kaulquappen jagt und ältere Schüler für eine Mittagspause im Grünen vorbeikommen.

Wilde Himbeeren und Kompostbeete für die Kürbisse

Lingscheidt möchte ihren Schülern trotz des bevorstehenden Umzugs der Schule in den Geislinger Zillerstall am Beispiel des recht neu bewirtschafteten Schulgartens zeigen, dass die Jungen und Mädchen mit ihren Händen, mit Ausdauer und Fleiß etwas Ästethisches bewirken können. Dazu zählt die Pädagogin nicht nur die Sommerblumen, die bald keimen sollen, sondern auch die wilden Himbeeren, die die Neuntklässler an Drähten ranken lassen und das geplante Kompostbeet für die Kürbisse.

Und wenn manche Schüler hier mit der Zeit ihre Angst vor Ameisen verlieren, lernen, wie man Kartoffeln setzt und aus den selbst gezogenen Kräutern Pesto oder Tee herstellen kann, habe sich die Mühe, zu der auch manche Stunde Gießen in den Ferien gehöre, doch gelohnt.

Zu Fuß über die Alpen

So wie die Montagsspaziergänge, die sie einführte, weil die Schüler nach dem Wochenende nicht still sitzen konnten. Auf diesen Gängen könne sie den Schülern Anschauungsunterricht und Bewegung gleichzeitig bieten. Und Letzteres sei besonders wichtig. Denn manches Kind habe anfangs nicht mal eine Böschung im Wald erklimmen können. Und weil sich das längst gebessert habe, werde sie bei der nächsten Studienfahrt mit der Klasse die Alpen überqueren – zu Fuß, versteht sich.