Wie kann der Schulunterricht alltagstauglicher werden? Foto: dpa

Warum ist täglich Tiefkühl-Pizza gesundheitsschädlich? Wie lese ich einen Kontoauszug? Und was poste ich besser nicht auf Facebook? Antworten auf die Fragen soll nach der Vorstellung von Politikern das Schulfach "Alltagswissen" geben.

Berlin - Ein Unterrichtsfach, in dem Schüler für komplizierte Fragen des Alltags fitgemacht werden - nach Bundesbildungsministerin Johanna Wanka kann sich nun auch die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner dafür erwärmen. „Unser Leben ist heute so komplex, dass es einer Reihe von Alltagskompetenzen bedarf, um sich gerade auch als Heranwachsender zurechtzufinden“, sagte sie der Zeitung „Die Welt“. „Wir sind überzeugt, dass in den Schulen mehr von diesen Alltagskompetenzen vermittelt werden muss.“

Klöckners Parteifreundin Wanka hatte vor einigen Wochen gesagt: „Das Fach „Alltagswissen“ fände ich gut. Dort könnten die Schüler Dinge lernen, die für ihr praktisches Leben wichtig sind.“ Sie denke „an die Fallen in Handyverträgen, handwerkliche Fähigkeiten, aber auch an Grundkenntnisse in richtiger Ernährung und Kochen. Viele Jugendliche schauen mit Begeisterung Kochsendungen, können aber ohne Mikrowelle keine Lebensmittel mehr zubereiten.“

Gabriel vermisst das Fach "Ökonomische Bildung"

Auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), vor seiner politischen Karriere Lehrer in Niedersachsen, würde gern das Fach „Ökonomische Bildung“ im Lehrplan von Schulen sehen, wie er vor einigen Wochen in Berlin sagte.

In einer Mitte Mai veröffentlichten Umfrage des Instituts YouGov unter 1330 Bürgern zu bereits existierenden, aber eher seltenen und zu möglichen neuen Fächern hatten 68 Prozent die Ansicht vertreten, dass Kinder in der Schule „zu viel unnützes Zeug“ lernen. Demnach hätten die Bürger als neue Pflichtfächer am liebsten „Benehmen“ (51 Prozent) vor „Wirtschaft“ (48 Prozent), „Gesundheitskunde“ (42), „Suchtprävention“ (39) oder „Computerprogrammierung“ (35). Manche der Inhalte könnten auch in einem Fach „Alltagswissen“ enthalten sein.

Setzt der Lehrplan falsche Schwerpunkte?

Eine Kölner Schülerin hatte Anfang des Jahres für einen Twitter-Beitrag Beifall, aber auch Spott geerntet: „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann eine Gedichtanalyse schreiben. In 4 Sprachen.“ Darauf kochte - nicht zum ersten Mal - die Frage hoch, ob in Lehrplänen deutscher Schulen falsche Schwerpunkte gesetzt werden.

Recht weit ist bereits das Land Schleswig-Holstein mit dem Fach „Verbraucherbildung“. Von A wie „Ästhetisch-kulinarische Bildung“ über E wie „Essverhalten“, J wie „Jugendschutz“ und P wie „Produktkennzeichnung“ bis zu V wie „Verbraucherschutz“ reicht das Themenspektrum. Die Kultusministerkonferenz (KMK) der 16 Bundesländer empfiehlt schon länger „fächerübergreifende Inhalte“ für den Unterricht - „vor allem Fragen der politischen und wirtschaftlichen Bildung im weitesten Sinne“. So soll „Verbraucherbildung“ laut KMK stärker in den Lehrplänen der Schulen verankert werden.

KMK-Präsidentin Brunhild Kurth (CDU) warnte indes vor zu hohen Erwartungen. „Die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung zeigt Tendenzen, Schule überzogen zu überfordern. Wenn Eltern Kinder haben, sind sie auch in der Verantwortung“, so Sachsens Bildungsministerin. Schule sei „nicht der Reparaturbetrieb der Gesellschaft“ - und der Lehrer „nicht für die Rundumerziehung des Kindes verantwortlich“. Und Spielraum bei der Zahl der Unterrichtsstunden etwa für neue Fächer sehe sie kaum noch.