Das Salier-Schulzentrum liegt derzeit wie ausgestorben da. Foto: Gottfried Stoppel

Alle Schulen im Land sind seit vergangenem Dienstag geschlossen, voraussichtlich bis nach den Osterferien. Bis dahin müssen auch die Schülerinnen und Schüler im Rems-Murr-Kreis von zu Hause aus lernen. Wie funktioniert das?

Waiblingen - In ganz Baden-Württemberg sind seit dem vergangenen Dienstag alle öffentlichen und privaten Schulen geschlossen. Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, sollen sie nach jetzigem Stand bis nach den Osterferien, das heißt bis zum 19. April, geschlossen bleiben. Wie gehen die Schulen im Rems-Murr-Kreis mit der Situation um?

Schulleitungen und Lehrer hätten die kurze Zeit zur Vorbereitung der Schließungen gut genutzt, konstatiert Sabine Hagenmüller-Gehring, die Leiterin des Staatlichen Schulamts in Backnang. Alles sei „sehr geordnet“ abgelaufen. „Ich staune über die positiven Rückmeldungen“, berichtet sie und erzählt unter anderem von Videochats zwischen Lehrern und Schülern. Je nach Schulart sei der Ersatzunterricht allerdings ganz unterschiedlich organisiert.

Hohe Hürden für Notbetreuung

In der Notbetreuung seien hingegen nur wenige Kinder, sagt Hagenmüller-Gehring. Das könnte auch daran liegen, dass die Hürden dafür relativ hoch sind: Damit Grundschüler, Fünft- und Sechstklässler in eine Notbetreuungsgruppe können, müssen beide Elternteile im Bereich der so genannten kritischen Infrastruktur arbeiten, also zum Beispiel im Gesundheitswesen, bei der Polizei, der Feuerwehr, in der Lebensmittelbranche, dem öffentlichen Nahverkehr oder der Presse. In den Schulen seien jetzt in der Regel nur noch die Schulleitung, das Sekretariat und der Hausmeister vor Ort – räumlich möglichst getrennt voneinander.

So wie etwa am Max-Born-Gymnasium in Backnang. Dort hält diese Woche Christoph Nesper, der stellvertretende Schulleiter, die Stellung. „Wir wechseln uns in Schichten ab, nächste Woche ist die Schulleiterin hier“, sagt er. Die Gymnasiasten wurden angewiesen, alle Schulbücher mit nach Hause zu nehmen, Arbeitsanweisungen und Materialien bekommen sie online über den Schulserver. Am Anfang habe es kleine Anlaufschwierigkeiten gegeben, etwa weil einzelne Schüler ihre Passwörter vergessen hatten. Das Kollegium sei gebeten worden, möglichst keinen klassenarbeitsrelevanten Stoff während der Schließung aufzugeben, sondern die Zeit vor allem zum Wiederholen und Vertiefen zu nutzen. Bei Fragen seien die Lehrerinnen und Lehrer erreichbar, zum Teil böten sie Internetunterricht über Skype an, erzählt Nesper.

Was passiert mit dem Abitur?

Sorgen macht ihm momentan der Zeitplan für die anstehenden Abiturprüfungen. Eine Terminverschiebung wie in Bayern sei schwierig, weil das dreistufige Korrekturverfahren in Baden-Württemberg viel Zeit in Anspruch nehme. „Lösungen erwarte ich vom Kultusministerium“, sagt er. „Mit dem abiturrelevanten Stoff und den Klausuren sind die Kollegen zum Glück schon durch.“ Sollten in den kommenden Wochen allerdings viele Lehrer wegen Krankheit ausfallen, erschwere das die Planung der Abituraufsichten.

An der Salier-Gemeinschaftsschule in Waiblingen hat das Kollegium kurzerhand einen Bring-Dienst eingerichtet, um auch die Schüler mit Aufgaben zu versorgen, die am Montag nicht da waren. „Mit dem Fahrrad und dem Auto sind die Lehrer zu ihnen gefahren und haben die Arbeitsmaterialien vorbeigebracht“, berichtet die Schulleiterin Renate Hartmann. Alle Klassen seien mit genügend Material versorgt worden, das sie teilweise auch über ein Forum auf der Schulhomepage beziehen können. Zudem gibt es ein Chat-Programm für den Austausch zwischen Lehrern und Schülern.

Eltern sind gefordert

Ebenfalls per Internet, nämlich über ein Cloud-System, erhalten die Schüler der Albertville-Realschule in Winnenden ihre Aufgaben. Das funktioniere bisher recht gut, komme teils aber schon an seine Grenzen. „Da muss man sich manchmal gedulden“, sagt der Schulleiter Sven Kubick. Bereits ab Mittwoch habe man den Jugendlichen verstärkt Arbeitsmaterialien ausgegeben. Mit Lösungsblättern können sie sich selbst kontrollieren. Zwar seien die Schüler selbstständiges Arbeiten gewöhnt, aber „natürlich fehlt der Lehrer momentan“, so Kubick.

Das trifft insbesondere Grundschüler. „Die Eltern sind intensiv gefordert“, sagt Petra Schiek, die Schulleiterin der Reinhold-Maier-Schule in Schorndorf. Man habe für die Kinder genaue Pläne erstellt, damit sie Tag für Tag wissen, welche Aufgaben sie bearbeiten müssen. Bei Fragen könnten sie die Lehrer anrufen oder anmailen. Auch die Lösungen gibt es per Mail.

Ungleiche Bedingungen

„Uns ist bewusst, dass die Bedingungen nicht für alle gleich sind“, sagt Schiek. Für Kinder aus sogenannten bildungsfernen Familien sei die Situation besonders schwierig. „Diese Familien sind auch hilfloser, wenn es darum geht, den Tag zu gestalten“, sagt die Schulamtsleiterin Hagenmüller-Gehring. „Wir werden versuchen, das mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, aufzufangen“, so Petra Schiek. Langweilig sei es ihren Kollegen derzeit nicht, auch wenn diese zu Hause sind. „Man muss ja planen, wie es nach den Ferien weitergeht. Dann wird es deutlich mehr Arbeit werden.“

Michael Stoeß, Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Rems-Murr, hat unter den Lehrkräften im Kreis viel Verunsicherung wahrgenommen. „Es gibt viele Fragen zum persönlichen Umgang mit der Krise, auch die Sorge, sich anzustecken“, berichtet er. „Wir sind alle in der Auseinandersetzung mit dieser neuen Situation.“