Konzentrationsmängel sind nur eine Folge der Pandemie. Viele Schüler vermissen Halt durch geregelte Abläufe und fühlen sich durch Homeschooling isoliert. Foto: dpa/Daniel Reinhardt

Schulsozialarbeiter sind seit Corona noch wichtiger geworden. Wo Lehrer Wissenslücken stopfen, üben sie das stellenweise verloren gegangene soziale Miteinander der Schüler wieder neu mit ein. Zwei Beispiele aus Beilstein und Erdmannhausen.

Beilstein/Erdmannhausen - Felix Stadtfeld sammelt noch ganz frisch seine Eindrucke am Herzog-Christoph-Gymnasium (HCG) in Beilstein. Anders als seine Schulsozialarbeiterin Kerstin Strohl ist der promovierte Pädagoge erst seit Sommer als Schulleiter in Beilstein. In seiner bisherigen Schule in Ditzingen gab es gleich zwei Schulsozialarbeiter: eine Frau für die Mädchen und ein Mann für die Jungs. „Um einmal in die Schubladen zu greifen: es gibt da schon geschlechtertypische Unterschiede. Jungs haben in der Regel einen übergroßen Bewegungsdrang, seit Corona nochmals verstärkt“, beschreibt der Schulleiter einen idealtypischen Zustand, wenn sich ein weiblicher und männlicher Schulsozialarbeiter die Bälle zuspielen können. Allerdings habe es in Ditzingen eine sehr komfortable finanzielle Unterstützung durch den Förderverein gegeben, die natürlich nicht überall die Regel sei. Doch auch der Beilsteiner Träger der Schulsozialarbeiter, das Kindersolbad in Bad Friedrichshall, habe immer ein offenes Ohr für ihre Anliegen.

Die Unterstufe hat es besonders schwer

„Gerade die Schüler in der Unterstufe in den Klassen 5 und 6 tun sich nicht so leicht. Wir leben jetzt sei 21 Monaten mit Corona.“ Da gäbe es zwischenzeitlich nicht nur fachliche Lücken. Auch das soziale Miteinander müsse wieder eingeübt werden. Und genau hier kämen die Schulsozialarbeiter ins Spiel.

Denn seine Lehrerschaft sei nicht erst seit Corona gut ausgelastet. „Da sind dann Schulsozialarbeiter als Profis eine ganz wesentliche Entlastung für unsere Lehrer.“ Denn: „Schulsozialarbeiter müssen kein Wissen vermitteln und keine Noten verteilen. So öffnen sich dann viele Schüler viel bereitwilliger und schildern, wo sie der Schuh drückt“, sagt Stadtfeld.

In der Oberstufe nehmen psychische Erkrankungen zu

So sieht das auch seine Schulsozialarbeiterin Kerstin Strohl. „Auf uns rollt da eine Welle nach Corona zu, deren Größe wir momentan noch nicht einmal abschätzen können“, umreißt die Sozialpädagogin die Aufgaben. „Schon vor der Pandemie war ich gut ausgelastet. Kein Wunder: Strohl betreut mit ihrer 50-Prozent Stelle rund 1500 Schüler am HCG und in der Grundschule. Schon 2013 haben die Paritätischen Verbände einen Betreuungsschlüssel von 150 Schüler für einen Schulsozialarbeiter empfohlen. Und zusätzlich kämen jetzt nochmals ganz neue Anforderungen auf sie zu. Strohl: „Während es bei den jüngeren Klassenstufen eher wieder darum geht, das soziale Miteinander zu üben, nehmen die psychischen Erkrankungen in den Klassen 9 bis 13 enorm zu.“

Doch es gebe auch hoffnungsvoll stimmende Neuigkeiten: „Schule geht wieder.“ Endlich hätten die Schüler wieder Halt durch einen strukturierten Tagesablauf. Und: „Die Politik hat das erkannt und legt neue Programme und Fördertöpfe auf wie „Aufholen nach Corona“ und „Rückenwind“. Das verspricht zusätzliche oder auch zeitlich beschränkte zusätzliche Gelder und Ressourcen. Bis dahin wird sie mit ihren zeitlichen Möglichkeiten weiter Hand in Hand mit den Lehrern helfen, wo immer es möglich ist. „Und wir haben ein ausgezeichnetes Miteinander hier an der Schule“, verweist sie auf die regen Terminanfragen der Lehrer.

Schulsozialarbeit steckt in Erdmannhausen noch in den Kinderschuhen

Etwas anders sieht die Situation in Erdmannhausen aus. Hier hat die Sozialpädagogin Elke Profittlich am ersten Schultag an der Astrid-Lindgren-Schule im September gemeinsam mit den Schülern begonnen. Die Schulsozialarbeit ist hier gerade erst eingeführt worden. Dafür möchte die 49-jährige, in Marbach aufgewachsene Sozialpädagogin vor allem Anlaufstelle für die Sorgen und Nöte ihrer Schülerinnen und Schüler werden. Als Folge der Pandemie könnten sich viele von ihnen nicht mehr so gut konzentrieren, vermissten Halt durch geregelte Abläufe oder litten zunehmend psychisch unter den Folgen der Isolation nach den Homeschooling-Phasen.

„Die Hoffnung auf Unterstützung ist sehr groß“, umreißt die Schulsozialarbeiterin ihre Aufgaben. „Die Lehrer hatten schon bisher einen großen Auftrag“, schildert Elke Profittlich, wie sich die Anforderung an die Pädagogen durch die Folgen von Corona nochmals erhöht hätten.

Es braucht Zeit, bis Strukturen entstehen können

„Ich stamme selbst aus einer Arbeiterfamilie und kenne den Alltag in vielen Handwerkerfamilien aus eigener Erfahrung“, ist Profittlich für ihren Werdegang vor ihrem Studium dankbar.

Sowohl die Schule als auch die Verwaltung der Brezelgemeinde geben ihr Zeit, um die notwendigen Grundlagen und Strukturen zu schaffen. „Wir sind froh, dass wir Sie haben. Und alles was Zeit braucht, darf auch seine Zeit haben, wenn Sie es aufbauen“, sei das Credo aus ihrem Umfeld.

Das Personal ist knapp

Hoher Bedarf
10 424 Schulsozialarbeiter für die Einrichtungen in Baden Württemberg – so hoch bezifferten schon 2013 die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags die eigentlich erforderlichen Stellen an Schulsozialpädagogen im Bundesland. Damals hat es rund 1,56 Millionen Schüler im Ländle gegeben.

Schlüssel
Der Paritätische Gesamtverband empfahl 2014 einen Schulsozialarbeiter für rund 150 Schüler. Mit der Coronapandemie sind die Anforderungen und der Bedarf an Unterstützung jedoch deutlich gestiegen und somit dürfte die Personalknappheit noch weit drängender sein.