In diesen Räumen wird das Lernen angeregt und macht auch noch Spaß: Unterricht in der Internationalen Schule in Stuttgart-Degerloch. Foto: Mierendorf

Schulen sollten heute mehr sein als nur eine bloße Örtlichkeit, die von Schülern genutzt wird.

Stuttgart - "Der Stuhl war unbequem. Die Wände ziemlich angegraut. Vor mir ein alter Tisch mit Metallbeinen. An der Wand ein zerfleddertes Plakat des menschlichen Skeletts ..." Günther Opp war zum Elterngespräch seines Sohnes in die Schule geladen und mangels eines passenden Gesprächsraums im Lehrmittelzimmer gelandet. In dem jetzt im Fraunhofer IRB Verlag erschienenen Buch "Lebensraum Schule" haben sich Opp und 17 weitere Autoren mit der qualitativen Gestaltung schulischer Lebenswelten auseinandergesetzt und ihre eigenen Erfahrungen eingebracht.

Viel zu oft - so die Autoren - sehe man in Deutschland heruntergekommene Schulgebäude mit undichten Fenstern oder Turnhallen, die aus Sicherheitsgründen gesperrt seien. Aber auch kaputte Heizungen, schmutzige Wände, verkommene Toiletten, provisorisch abgestützte Treppen und undichte Dächer gehörten zum Alltag deutscher Schulen. Hinzu kämen Schulen, in denen grundlegende Raumbedürfnisse von Kindern und Jugendlichen kaum berücksichtigt würden, schreibt Herausgeber Günther Opp und kommt zu dem Schluss, dass "die bauliche Verkommenheit vieler Schulen der Proklamation Deutschlands als Bildungsrepublik Hohn spricht".

Helgard Woltereck war über 15 Jahre Rektorin an der Filderschule in Stuttgart-Degerloch. Die pensionierte Lehrerin stimmt den Autoren zu und beklagt, dass die Schüler immer weniger Platz zum Lernen hätten. "Moderne Pädagogik kann man in vielen Schulen vergessen, denn dazu braucht man eben viel Platz." Heute sollten die Schüler eigentlich nicht mehr wie im Bus im Klassenzimmer sitzen und frontal dem Unterricht lauschen, sondern vielmehr selbstständig lernen. "Das geht aber nur dann, wenn es auch genügend Raum gibt, wo Material zur Verfügung gestellt wird, wo man sich auch mal zu einer Literatur-Recherche zurückziehen oder einen PC nutzen kann", beschreibt Woltereck die heutigen Lernanforderungen und kritisiert, dass die meisten der aktuellen Schulgebäude von diesen Idealbedingungen noch weit entfernt seien. Das unterstreicht auch die aktuelle Hirnforschung. Jeder Organismus, so der Psychologe Wulf Bertram in einem SWR-Interview, brauche die "passende Umwelt", um sich entfalten zu können.