Trotz einer Empfehlung für die Werkrealschule melden viele Eltern ihre Kinder an der Realschule an. Nicht selten sind diese dann überfordert. Foto: Mauritius

Zwei Schulleiter aus Stuttgart-Vaihingen werben dafür, dass Mütter und Väter der Grundschulempfehlung ihres Nachwuchses mehr Beachtung schenken. Sie wollen den Familien und besonders den Kindern Kummer ersparen.

Vaihingen - Eigentlich könnte Nadia Bescherer-Zeidan zufrieden sein. Für die neuen fünften Klassen hatte die Rektorin der Robert-Koch-Realschule in diesem Jahr 128 Anmeldungen. Das ist Rekord. Bescherer-Zeidan ist trotzdem nicht glücklich, denn etwa 15 Prozent der künftigen Fünftklässler, so schätzt sie, haben von ihrer Grundschule keine Empfehlung für die Realschule, sondern für die Werkrealschule bekommen. Das weiß sie, weil die Eltern in diesem Jahr die Grundschulempfehlung bei der Schulanmeldung wieder vorlegen mussten. Allerdings war diese nicht verbindlich. Es zählt der Wille der Erziehungsberechtigten.

„Wir haben uns bei der Schulanmeldung viel Zeit genommen“, erzählt Bescherer-Zeidan. Dann ergänzt sie: „Wir haben nicht einfach die Formulare ausgelegt, sondern die Eltern intensiv beraten. Wir haben gefragt, warum das Kind auf die Realschule gehen soll, obwohl es eine Empfehlung für die Werkrealschule hat.“ Etwa die Hälfte der Eltern habe sich beraten lassen und sei schließlich der Grundschulempfehlung gefolgt. „Im Sinne der Kinder hätte ich mir gewünscht, dass es mehr tun“, sagt die Rektorin. Sie geht sogar noch einen Schritt weiter. „Ich bin für die verbindliche Grundschulempfehlung.“ Das sei aber ihre persönliche Meinung als zweifache Mutter und Lehrerin, denn die Erfahrung zeige, dass die Grundschullehrer mit ihrer Einschätzung meistens richtig lägen. „Viele der Kinder, die trotz Werkrealschulempfehlung zu uns kommen, sind dann überfordert“, sagt Bescherer-Zeidan. Viele würden dann in höheren Klassen doch noch auf die Werkrealschule wechseln. „Eine solche spätere Korrektur wollen wir vermeiden“, sagt Bescherer-Zeidan. Für die Mädchen und Jungen sei dies schwierig, weil sie das Gefühl hätten, gescheitert und dumm zu sein.

Der Rektor am Gymnasium hat ähnliche Erfahrungen gemacht

Frank Bäuerle, der Rektor des Hegel-Gymnasiums, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Er hatte 109 Anmeldungen für die fünfte Klasse. Abweisen musste er niemanden, denn das Hegel ist für vier Klassen pro Jahrgangsstufe ausgelegt. Aber etwa zehn Prozent der Schüler hatten keine Gymnasialempfehlung. „Man hört dann oft Sätze von den Eltern wie: ‚Wir probieren es jetzt mal’ oder ‚Das Kind will doch aber aufs Gymnasium’“, sagt Bäuerle. Dies seien keine guten Argumente. Wer auf dem Gymnasium zwei Mal dieselbe Klasse wiederholen müsste, muss auf die Realschule wechseln und hat dann mindestens ein Jahr verloren. „Und Zehnjährigen die Entscheidung zu überlassen, auf welche Schule sie gehen wollen, ist schwierig. Es sind noch Kinder, die sich von Emotionen und Gefühlen leiten lassen. Sie können die Tragweite einer solchen Entscheidung nicht überblicken.“

Bescherer-Zeidan und Bäuerle werben dafür, Kinder nach der vierten Klasse an der Schulart anzumelden, die ihren Fähigkeiten zu diesem Zeitpunkt entspricht. Das Thema ist den beiden Schulleitern so wichtig, dass sie dafür sogar zu einem gemeinsamen Pressetermin einladen. Sie betonen, dass das Schulsystem in Vergangenheit und Gegenwart durchlässig sei. Ein Wechsel von der Werkrealschule auf die Realschule oder von der Realschule aufs Gymnasium sei jederzeit möglich. „Für die Schüler ist das unproblematisch, weil es eine Bestätigung ihres Könnens ist“, sagt Bescherer-Zeidan.

„Hier am Campus in Vaihingen haben wir die passende Schulart für jedes Kind. Das macht einen späteren Schulwechsel besonders einfach“, ergänzt Bäuerle. Das sei ein Vorteil im Stadtbezirk, den Eltern nutzen sollten, findet er. Denn die Wege zwischen den Schulen seien im Wortsinn kurz und die Schulleitungen stünden im ständigen Kontakt miteinander.

Robert-Koch-Realschule muss Kinder abweisen

Für die Robert-Koch-Realschule hat die Scheu vieler Eltern vor der Werkrealschule noch eine ganz andere Konsequenz: Mit 128 Anmeldungen hat Bescherer-Zeidan mehr Kinder, als sie aufnehmen kann. Sie müsste fünf Klassen bilden. Dafür gibt es aber keinen Platz. Darum bekamen nun zehn Mädchen und Jungen eine Absage. „Das klingt nicht viel, aber jede einzelne ist bitter“, sagt Bescherer-Zeidan. In Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Schulamt hat sie den betroffenen Familien andere mögliche Schulen vorgeschlagen. Schülerlenkung heißt das im Fachjargon, und es ist das erste Mal, dass es an der Vaihinger Realschule dazu kommt.

Für die Entscheidung, wer eine Zusage und wer eine Absage bekam, gab es klare Kriterien. Es galt: Geschwisterkinder zuerst. Darüber hinaus zählt die Nähe der Schule zum Wohnort. Es wurden also nicht die Kinder abgelehnt, die eine Werkrealschulempfehlung hatten. „Das spielte in diesem Zusammenhang überhaupt keine Rolle“, betont die Rektorin. In der Konsequenz bedeutete das, dass zunächst die Kaltentaler und Möhringer eine Absage bekamen. Es hat aber auch einen Schüler aus Vaihingen getroffen, der bisher die Österfeldschule besucht.