Das Verbraucherinsolvenzverfahren weist überschuldeten Menschen einen Weg zum Neustart. Die Betroffenenzahlen sind laut Amtsgericht Esslingen hoch. Als Hauptgründe gelten Arbeitsplatzverlust, geringes Einkommen, aber auch Ehescheidungen.
Es gibt viele Wege in die Schuldenfalle, aber nur einen wieder heraus – zumindest wenn die Insolvenz zugeschnappt ist: das Verbraucherinsolvenzverfahren für überschuldete Privatpersonen. Was das ist, wer es in Anspruch nehmen kann, welche Bedingungen man erfüllen muss – all das erfahren Betroffene bei einer gemeinsamen Informationsveranstaltung der Schuldnerberatungsstellen im Kreis Esslingen am kommenden Mittwoch.
Wie dringlich das Thema und die dahinterstehende Problematik sind, zeigen Statistiken. Laut Mitteilung des Amtsgerichts Esslingen, im Landkreis zuständig für Insolvenzverfahren, hat sich die Zahl der Betroffenen „auf hohem Niveau stabilisiert“. Im Jahr 2024 war demnach im Kreis Esslingen die Überschuldung von Privatpersonen in 330 Fällen so groß, dass eine Verbraucherinsolvenz (auch als Privatinsolvenz bekannt) angemeldet wurde. 2023 waren es 353, ein Jahr vorher 287. Zum Vergleich: Die Firmeninsolvenzen nehmen im Kreis Esslingen seit Jahren kontinuierlich zu, mit einem leichten Rückgang 2024: von 238 im Jahr 2020 auf 374 (2023) und 361 (2024). Laut Amtsgericht spielt dabei Corona und nach der Pandemie der Wegfall der Corona-Hilfen eine Rolle.
Im Unterschied zu Firmeninsolvenzen ist das Verbraucherinsolvenzverfahren stark vereinfacht. Es gilt für Privatpersonen, die durch ihr Konsumverhalten – im weitesten Sinne – in die finanzielle Malaise geraten sind, denen also Zahlungsunfähigkeit droht oder die bereits zahlungsunfähig sind. Die Schuldnerberatungsstelle des Landratsamts Esslingen weist laut Pressesprecherin Andrea Wangner darauf hin, dass auch Selbstständige Verbraucherinsolvenz anmelden können, wenn sie weniger als 20 Gläubiger haben und keine Forderungen aus Beschäftigungsverhältnissen, beispielsweise Lohnzahlungen, offen sind.
Rechtslage wirkt sich auf Fallzahlen aus
Beim Esslinger Amtsgericht geht man davon aus, dass nicht nur die klammen Kassen der Schuldner die Kurven der Fallzahlenstatistik zeichnen, sondern auch die sich verändernde Rechtslage. Zum Beispiel schnellten die Verbraucherinsolvenzen von 199 im Jahr 2020 auf 347 im Folgejahr hoch: laut Amtsgericht keine Folge von Corona oder einer plötzlichen Kollektivarmut, sondern einer im Oktober 2020 rechtswirksam gewordenen Verkürzung der sogenannten Wohlverhaltensperiode von sechs auf drei Jahre. Also der maximalen Frist, in welcher Schuldner oder Schuldnerin durch Pfändung eines zumutbaren Teils ihres Arbeitseinkommens ihre Schulden abstottern. Vom Rest, der meistens bleibt, können sie danach gerichtlich befreit werden. Versteht sich, dass ein Insolvenzverfahren je attraktiver wird, desto kürzer man bluten muss. Auch wenn der Anstieg anno 2021 nicht so steil war wie zwischen 1999 und 2003, als sich bundesweit die Zahl der Verfahren verzehnfachte. Als Grund gilt die 1999 eingeführte Möglichkeit der Restschuldbefreiung – die übrigens kein Schuldenerlass ist. Die Gläubiger können die Schulden nur nicht mehr einklagen.
Weitgehender Konsumverzicht
Grundsätzlich geht es beim Verbraucherinsolvenzverfahren natürlich darum, mit dem Bleifuß auf die Schuldenbremse zu treten. Voraus geht der gesetzlich vorgeschriebene Versuch einer außergerichtlichen Einigung. Scheitert diese, folgt ebenso zwingend der Versuch einer Einigung vor Gericht. Erst wenn auch diese nicht zustande kommt, beginnt das eigentliche Insolvenzverfahren: Das Vermögen des Schuldners wird beschlagnahmt und von einem gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter zur Schuldentilgung verwertet. Dabei werden das Existenzminimum des Schuldners und seine familiäre Situation berücksichtigt, sodass selbst genutztes Wohneigentum nicht in jedem Fall veräußert werden muss. Auch ein beruflich benötigtes Auto darf behalten werden. An weitgehendem Konsumverzicht führt jedoch kein Weg vorbei. Voraussetzung für die Restschuldbefreiung ist dann ein pfändbares Einkommen – wodurch allerdings der Arbeitgeber von der Insolvenz erfährt. Wer keine Arbeit hat, muss glaubwürdig eine suchen.
Was aber sind, abgesehen von der Rechtslage, die Ursachen der Privatpleiten? Laut Amtsgericht „dürfte insbesondere ein nicht an die finanziellen Möglichkeiten angepasstes Konsumverhalten Auslöser sein“. Dabei spiele auch der einfache Zugang zu Null-Prozent-Finanzierungen und Kleinkrediten eine Rolle. In der Schuldnerberatungsstelle des Landratsamts sieht man laut Pressesprecherin Wangner eher die „Big Five“ als Schuldige der Verschuldung: Arbeitslosigkeit, geringes Einkommen, Scheidung oder Trennung, Krankheit sowie ehemalige Selbstständigkeit – oft in Kombination. Immerhin sei die Chance auf Schuldenfreiheit groß. Zu einem „Drehtüreffekt“ – kaum draußen, schon wieder drin – komme es bei den Klienten der Schuldnerberatung nur selten.
Veranstaltung zum Verbraucherinsolvenzverfahren
Information
Das Verbraucherinsolvenzverfahren bietet überschuldeten Privatpersonen die Möglichkeit, innerhalb von drei Jahren schuldenfrei zu werden und einen wirtschaftlichen Neuanfang starten zu können. Wie das funktioniert und wer an dem Verfahren teilnehmen kann, darüber informiert eine gemeinsame Veranstaltung der Schuldnerberatungsstellen des Landkreises Esslingen, des Kreisdiakonieverbands und des Deutschen Roten Kreuzes. Die Veranstaltung richtet sich an alle Menschen mit Schuldenproblematik.
Anmeldung
Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenlos, eine Anmeldung ist jedoch bis spätestens Dienstag, 21. Januar, erforderlich beim Landratsamt Esslingen unter der Telefonnummer 0711/3902-42696 oder per E-Mail unter der Adresse: schuldnerberatung@lra-es.de
Termin
Die Veranstaltung beginnt am Mittwoch, 22. Januar, um 9.30 Uhr in der Hermannstraße 19 in Plochingen (gegenüber der Polizei).