Das Stockacher Narrengericht verurteilte Thomas Strobl zu sechs Eimern Wein. Foto: dpa

Die Verhandlung vor dem traditionellen Stockacher Narrengericht plätscherte so vor sich hin - bis der Angeklagte Thomas Strobl mehr Frauen in dem närrischen Gremium forderte. Gegen den ausbrechenden Jubel im Saal waren sogar die Richter machtlos.

Stockach - „Frauen an die Macht, auch in der Fastnacht“: Es war der Ruf nach mehr Weiblichkeit beim traditionellen Stockacher Narrengericht, mit dem Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl den Saal zum Kochen brachte. Bis dahin war die Verhandlung ein wenig vor sich hingeplätschert - doch der CDU-Politiker sorgte für helle Aufregung. Er setze sich für Frauen in öffentlichen Ämtern ein, sagte Strobl als Angeklagter vor den närrischen Richtern. „Eine Regierung ohne Frauen, das ist wie eine Narrenkappe ohne Zipfel. Das ist wie Fastnacht ohne Narro. Und ein Gericht nur aus Männern, das gehört ins Mittelalter.“

Den Jubel, der daraufhin in Stockach (Kreis Konstanz) ausbrach, konnten selbst die närrischen Richter nicht mehr stoppen: „Ruhe bitte“, rief der Vorsitzende vergeblich. „Ruhe bitte, sonst lasse ich die weibliche Hälfte des Saales räumen.“

Die mehr als 600 Jahre alte Tradition des Narrengerichts in Stockach gehört zu den Höhepunkten der schwäbisch-alemannischen Fastnacht in Baden-Württemberg. Sie geht der Legende nach zurück auf den Hofnarren Hans Kuony des Habsburger Herzogs Leopold I. Als Dank für seine Ratschläge erhielt er 1351 das Privileg, jedes Jahr ein Narrengericht abhalten zu dürfen.

Wahnvorstellungen und Allmachtsphantasien

Selbst Strobls leidenschaftliche Verteidigungsrede - und die Begeisterung der Frauen im Saal - halfen dem CDU-Politiker am Ende nicht: Die Richter befanden den Angeklagten in allen Punkten für schuldig. Die Strafe: Sechs Eimer Wein. Immerhin wurde Strobl Nachlass gewährt, statt normalerweise 60 Liter Wein umfasse der Eimer dieses Mal nur jeweils 41 Liter, sagte der Vorsitzende Richter Jürgen Koterzyna. Auflagen gab es trotzdem - die Strafe umfasse je vier Eimer roten und zwei Eimer weißen Wein und dürfe auf keinen Fall mit Trollinger bezahlt werden.

Doch was wurde dem Angeklagten überhaupt vorgeworfen? Punkt eins: Wahnvorstellungen und Allmachtsphantasien. Strobl glaube, ohne ihn breche die Welt zusammen, meinte der Kläger Thomas Warndorf. Da konnte selbst Strobls Fürsprech Michael Nadig nur noch sagen: Korrekt. Die weiteren Anklagepunkte: Faulheit, Ahnungslosigkeit und vor allem unkorrekte Verbrüderung, weil Strobl sich mit den Grünen verbündet habe. Als Zeuge hatte der CDU-Politiker auch ausgerechnet Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) geladen, der sich für seinen Kabinettskollegen einzusetzen versuchte: „Was sich liebt, das neckt sich“, sagte Hermann in Gartenkleidung und mit Strohhut auf dem Kopf. „Der Mann tut seine Pflicht, andere tun das übrigens nicht.“

Feisprüche sind vor dem Narrengericht äußerst selten

Doch all die Fürsprache und Verteidigung trugen nicht zu einem Freispruch bei - die sind vor dem Narrengericht aber ohnehin äußerst selten. In den vergangenen Jahren gelang das nur dem damaligen Ministerpräsident des Saarlandes, Peter Müller, der 2005 in allen Punkten der Anklage für nicht schuldig befunden wurde. Um eine Strafe kam jedoch auch Müller nicht herum: Zwei Eimer Wein musste er zahlen, als Ordnungsstrafe wegen diverser Ungebührlichkeiten gegenüber dem Gericht.

Auf der Anklagebank des Narrengerichts in Stockach saßen unter anderen bereits der inzwischen verstorbene CSU-Politiker Franz Josef Strauß (CSU), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) oder der ehemalige FDP-Chef Philipp Rösler (FDP). Im vergangenen Jahr wurde die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) zu einer Strafe von zweieinhalb Eimern Wein zu je 60 Litern verurteilt.