Ein Turm als Symbol für das Killesberg-Viertel, wo die Schuldnerquote unter fünf Prozent liegt. Foto: Chris Lederer

Stuttgarts Stadtteile schneiden beim Schuldenatlas der Wirtschaftsauskunftei Creditreform sehr unterschiedlich ab.

Stuttgart - Bei der Anzahl der überschuldeten Bürger gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Stadtteilen der Innenstadt, das zeigt der gerade von der Wirtschaftsauskunftei Creditreform veröffentlichte Schuldneratlas für die Region Stuttgart. Auf der einen Seite haben die zum Bezirk Mitte gehörenden Viertel Rathaus, Neue Vorstadt, Universität und Hauptbahnhof die höchste Schuldnerquote im gesamten Stadtgebiet. 25,22 Prozent der Menschen, die in diesem Gebiet mit der Postleitzahl 70173 leben, gelten als überschuldet.

Mit großem Abstand von fast zehn Prozentpunkten, aber einer dennoch hohen Schuldnerquote von 15,65 Prozent, folgen die Stadtteile mit der Postleitzahl 70178 im Bezirk West. Feuersee zählt dazu, aber auch Schwab- und Mörikestraße. Auch dieser Bereich gehört zu den fünf Postleitzahlengebieten mit der höchsten Schuldnerquote in der Region. Auf der anderen Seite leben im ebenfalls zur Innenstadt gehörenden Bezirk Nord mit der Postleitzahl 70192 die wenigsten überschuldeten Menschen im Stadtgebiet. In Vierteln wie Am Bismarckturm oder Killesberg liegt die Schuldnerquote unter fünf Prozent.

Erhöhtes Verschuldungsrisiko

„Die meisten Schuldner kommen aus Stadtteilen, die sozial schwach sind“, erklärt Wolfgang Schrankenmüller. Der Leiter der Zentralen Schuldnerberatung Stuttgart nennt verschiedene Indikatoren, die darauf hindeuten, dass in einem Stadtteil besonders viele Einwohner überschuldet sind. Denn Hartz-IV-Empfänger oder Menschen mit einem geringen Einkommen geraten leichter in die Schuldenfalle. Ist der Anteil dieser Gruppe an der Gesamtbevölkerung eines Stadtteils also besonders hoch, trifft das in der Regel auch auf die Schuldnerquote zu.

Das Gleiche gilt für Alleinerziehende, Menschen mit einem geringen Bildungs- und Ausbildungsniveau oder mit Migrationshintergrund. „Im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung der Stadt haben wir doppelt so viele Migranten in der Beratung“, sagt Schrankenmüller. Wobei der Schuldnerberater darauf hinweist, dass dieses erhöhte Verschuldungsrisiko nicht etwa an den Migranten selbst liegt. Sie würden einfach nur deutlich häufiger Tätigkeiten mit einer geringeren Arbeitsplatzsicherheit nachgehen. Familien mit vielen Kindern sind laut Schrankenmüller ebenfalls stärker von Überschuldung bedroht.

Zunächst verwundert es, dass nicht etwa in einem der sozialen Brennpunkte wie Zuffenhausen oder Hallschlag der größte Anteil an überschuldeten Menschen im Stadtgebiet zu finden ist, sondern im Bezirk Mitte rund um Hauptbahnhof, Rotebühlplatz, Tübinger und Heilbronner Straße. Von den gerade mal etwa 2000 Erwachsenen, die in diesem Gebiet mit der Postleitzahl 70173 leben, hat jeder vierte laut Creditreform ein Schuldenproblem.

Innenstadt ist besonders stark von Arbeitslosigkeit betroffen

Nun könnte man vermuten, dass in den teuren Altbauwohnungen über den Geschäften in der City überwiegend Yuppies wohnen, die zwar viel arbeiten, aber auch gerne ein wenig über ihre Verhältnisse leben. Doch ein Blick in den vom Sozialamt herausgegebenen Sozialdatenatlas aus dem Jahr 2009 zeigt, dass ein Großteil der von Schrankenmüller aufgezählten Indikatoren tatsächlich auf dieses Gebiet zutrifft.

Demnach ist die Innenstadt mit den Stadtteilen Universität, Neue Vorstadt und Rathaus besonders stark von Arbeitslosigkeit betroffen. Während der Anteil an Hartz-IV-Empfängern im gesamten Stadtgebiet durchschnittlich bei 8,7 Prozent liegt, ist er im Stadtteil Rathaus fast doppelt so hoch. 16,4 Prozent der Menschen leben dort von der Stütze.

Auch in den Stadtteilen Neue Vorstadt und Universität ist der Anteil an Hartz-IV-Empfängern mit 12,4 beziehungsweise zehn Prozent relativ hoch. Hinzu kommt, dass sehr viele dieser Hartz-IV-Empfänger in den drei zuvor genannten Stadtteilen Migranten sind. Außerdem zeigt der vom Jugendamt herausgegebene Sozialdatenatlas Kinder und Jugendliche, ebenfalls aus dem Jahr 2009, dass in den dort zu einem Gebiet zusammengefassten Stadtteilen Hauptbahnhof, Universität und Europaviertel überdurchschnittlich viele Alleinerziehende wohnen.

Ergebnisse sind „mit Vorsicht zu genießen“

Auf der anderen Seite schneiden die Stadtteile im Bezirk Nord mit der Postleitzahl 70192 und der geringsten Schuldnerquote auch beim Sozialdatenatlas besonders gut ab. Hier leben verhältnismäßig wenig Hartz-IV-Empfänger. Und die Arbeitslosenquote liegt zum größten Teil weit unter dem städtischen Durchschnitt.

Doch auch wenn die von Schrankenmüller genannten Indikatoren auf die laut Creditreform besonders stark überschuldeten Gebiete zutreffen, rät der Experte dazu, die Ergebnisse des Schuldneratlas „mit Vorsicht zu genießen“. Die Creditreform stufe nicht nur Menschen, die in Privatinsolvenz gegangen sind oder eine eidesstattliche Versicherung abgegeben haben, als überschuldet ein.

Eine bestimmte Gruppe von Unternehmen, in der Regel Handelsfirmen, würde bei der Wirtschaftsauskunftei angeben, welche ihrer Kunden Zahlungsschwierigkeiten hätten. Bereits zwei Mahnungen würden ausreichen, damit jemand für die Creditreform zur Gruppe der Überschuldeten gehört. Schrankenmüller kritisiert diese Vorgehensweise. „Zwei Mahnungen habe ich auch immer mal wieder. Das ist nicht gleichzusetzen mit überschuldet“, meint der Schuldnerberater.