Kein Geld mehr in der Tasche: Die Wirtschaftslage wirkt sich allerdings positiv auf die Schuldensituation der Menschen in der Region Stuttgart aus. Foto: Avanti

Die Kurve geht gegen den Trend nach unten: Weniger Menschen in Stuttgart sind verschuldet. Aber immer noch gilt einer von zwölf Erwachsenen als überschuldet. Ältere Menschen sind stärker betroffen.

Stuttgart - Etliche Jahre zeigte die Kurve der Überschuldung von Haushalten in Stuttgart und in der Region nur nach oben. Das ist im vergangenen Jahr anders gewesen. Die Auskunftei Creditreform weist in ihrer Statistik für 2017 noch 189 835 Personen aus, die als überschuldet gelten. Das sind rund 3000 weniger als ein Jahr zuvor. Damit hebt sich die Region von der Entwicklung in Bund und Land ab, wo die Zahlen um 0,9 beziehungsweise 1,3 Prozent gestiegen sind. Als überschuldet gelten Haushalte, deren Ausgaben dauerhaft höher sind als ihre Einnahmen. Indikatoren dafür sind juristische Vorgänge wie ein Antrag auf Restschuldbefreiung oder Inkasso-Fälle.

Bei hohen Schulden haben sich die Zahlen nicht verbessert

„Offenbar ist es vielen privaten Verbrauchern gelungen, vor dem Hintergrund der guten Arbeitsmarktlage und der Einkommenssituation bestehende Überschuldungen abzubauen“, sagt Thomas Schlegel, der Geschäftsführer von Creditreform Stuttgart. Allerdings sei die insgesamt erfreuliche Tendenz nicht durchweg positiv. Der „Wermutstropfen“ sei, so Schlegel, dass nur die Verschuldung mit „geringer Intensität“ abgenommen habe (jetzt 73 580 Personen, minus 4300), bei Menschen mit „hoher Überschuldungsintensität“ aber auf 116 255 gestiegen sei (plus 1294 oder 1,1 Prozent) und damit einen „Negativrekord“ erreicht habe.

Auf die sogenannte Schuldnerquote, welche die Zahl überschuldeter Personen ins Verhältnis zu der erwachsenen Bevölkerung setzt, hat sich die positive Entwicklung sogar überproportional ausgewirkt, weil die Einwohnerzahl durch die Zuwanderung gestiegen ist. In der Region ist dieser Wert recht deutlich von vorher 8,62 auf 8,35 Prozent gesunken (Land: 8,31, Bund: 10,04). Dies aber bedeute noch immer, betonte Thomas Schlegel, „dass einer von zwölf Erwachsenen als überschuldet anzusehen ist“. Was die Gründe für diese Lage angeht, hat Arbeitslosigkeit merklich an Gewicht verloren, Krankheit oder Sucht dafür gewonnen. Und natürlich spielten die „allgemein gestiegenen Lebenshaltungskosten“ mit den hohen Mieten eine beträchtliche Rolle, so Schlegel, sowie „nicht ausreichend geplanter Konsum“.

Nur im Kreis Göppingen ging die Zahl nach oben

In der Region haben die Überschuldungszahlen in allen Kreisen außer in Göppingen abgenommen (17 892 Personen, plus 332 oder 1,9 Prozent, Quote: 8,52 Prozent): in den Kreisen Ludwigsburg (34 152 Betroffene, minus 502, Quote: 7,75 Prozent) und Esslingen (32 155, minus 446, Quote: 7,40) um 1,4 Prozent, in Böblingen um nur 0,1 Prozent (21 800 Personen, minus 17, Quote: 6,96 Prozent), im Rems-Murr-Kreis um minus 0,6 Prozent (28 473, minus 158, Quote: 8,19).

Besonders stark – dies insbesondere im Verhältnis zu anderen Landeshauptstädten der Republik – ist die Quote der verschuldeten Haushalte in Stuttgart zurückgegangen (jetzt 55 363, minus 2233), von 11,12 auf 10,50 Prozent. „Auch für die Stadt Stuttgart ist der Trend sehr positiv“, erklärte Thomas Schlegel. Mit der jetzigen Quote liegt man deutlich unter Städten wie Pforzheim (14,66 Prozent) oder Mannheim (14,14), die einen merklich höheren Anteil an überschuldeten Haushalten verzeichnen.

Dieser Rückgang in Stuttgart betrifft auch Bezirke, in denen der Anteil von überschuldeten Haushalten besonders hoch ist. So ist die Quote in Untertürkheim im Vorjahr von 12,50 auf 11,74 Prozent stark zurückgegangen (Schuldnerzahl: 1702). Günstig war die Tendenz auch im in dieser Hinsicht problematischen Bezirk Mitte, wo die Schuldnerquote von 17,17 um 0,5 Punkte auf 16,67 Prozent zurückgegangen ist. In Mitte aber sei noch jeder sechste Erwachsene überschuldet, rechnet der Geschäftsführer von Creditreform Stuttgart vor.

Die wachsende Zahl älterer Menschen bereitet Sorgen

Reiner Saleth, der Leiter der städtischen Schuldnerberatung, äußerte sich erfreut über die Entwicklung, wenngleich sie ihn auch etwas „erstaunt“ habe. Die Einrichtung selbst kämpft nämlich mit einer langen Warteliste von Betroffenen, deren Fälle tendenziell komplexer werden. Nicht selten seien gesundheitliche und psychische Probleme Grund für eine Überschuldung, sagt Saleth. Arbeitslosigkeit sei zuletzt oft nur der Auslöser, aber nicht die eigentliche Ursache dieser Lage, die oft eher in einer fehlenden Ausbildung zu suchen sei oder dass jemand alleinerziehend ist. Als ein Problem der Zukunft sieht der Leiter der Schuldnerberatung die wachsende Zahl von älteren Menschen, die überschuldet seien, auch weil mit dem Renteneintritt weniger Geld zur Verfügung stehe. Gerade die Gruppe der Älteren ist in der Region Stuttgart im Bundesvergleich überproportional betroffen. Symptom für diese Tendenz sei, hat Reiner Saleth festgestellt, dass die Kreditvergaben an ältere Menschen gestiegen seien.