Auf Kultusministerin Susanne Eisenmann warten viele Fragen. Foto: dpa/Marijan Murat

Heute nimmt Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) Stellung zum Schulstart am nächsten Montag. Viele Fragen warten auf sie. Eine der heikelsten: Wie sie dem Lehrermangel an Grundschulen abhelfen will.

Stuttgart - Wenn Kultusministerin Susanne Eisenmann heute ihre traditionelle Pressekonferenz zum Schulstart nach den Ferien macht, dann wird Corona, und wie die Schulen damit umgehen sollen, das Hauptthema. Aber ein paar alte Probleme aus der Vor-Corona-Zeit werden Eisenmann heute wieder einholen. Das wichtigste ist der Lehrermangel an den 4500 Schulen, den Baden-Württemberg seit Jahren nicht abbauen kann. Und da gibt es alarmierende Entwicklungen.

Kein Bewerber bei vielen freien Stellen

Vor allem an den Grundschulen ist die Versorgung mit Lehrkräften noch schlechter geworden. Das betont nicht nur die Landesvorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Doro Moritz. Auch Schulleiter von Grundschulen berichten hinter vorgehaltener Hand, von gravierenden Lücken. Fünfzig Prozent seiner Lehrerstellen für die Grundschule seien nicht besetzt, erzählt ein Rektor unserer Zeitung eine Woche vor dem Schuljahrsbeginn. Die GEW-Chefin dagegen handelt nicht von Einzelfällen, sondern hat Zahlen für das ganze Land: Bei 3400 unbesetzten Stellen für Grundschullehrer, so erklärte Moritz, habe es in einem Drittel der Fälle nicht einmal eine einzige Bewerbung gegeben. Selbst Bewerber, die vom Land ein Stellenangebot in ihrer Wunschregion bekommen, hätten am Ende dankend abgewinkt.

Arbeitsmarkt ist leer gefegt

Das Problem ist, dass der Arbeitsmarkt für Lehrer im Land leer gefegt ist. Mancher Schulinsider ist überzeugt, dass die Hochschulabsolventen mit der Qualifikation im Grundschullehramt in umliegenden Bundesländern bessere Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten finden. In Baden-Württemberg seien Grundschullehrer zwar bei den Bürgern hoch angesehen. Im Vergleich mit den Pädagogen an anderen Schularten hätten sie aber die höchste Zahl an Unterrichtsstunden, die geringsten Aufstiegschancen und das niedrigste Gehalt.

Für Moritz signalisieren die Zahlen klar: Der Job ist, so wie er ausgestattet ist, für junge Leute einfach nicht attraktiv genug. „Die Zahlen sind alarmierend und machen auch wütend“, sagt die GEW-Chefin Doro Moritz. Sie kämpft seit Jahren dafür, Grundschullehrer mit den Lehrkräften aller anderen Schulen gleichzustellen und sie von der Gehaltsklasse A12 in A13 hochzustufen. Ähnlich wie die Landes-SPD fordert sie von der grün-schwarzen Landesregierung zudem einen Nachtragshaushalt zugunsten der Schulen im neuen Schuljahr.

Während SPD-Chef Andreas Stoch tausend zusätzliche Lehrerstellen gefordert hat, macht Doro Moritz sich auch für pädagogische Assistenten stark, die die Schulen in der Corona-Krise unterstützen sollen. Als Verstärkung könnten auch Lehramtsstudenten als Hilfskräfte in die Schulen gehen, findet sie.

Brandenburg setzt Studenten als Helfer ein

In Brandenburg wird so ein Modell gerade ausprobiert: Studierende sollen unter anderem Schülern bei den Hausaufgaben helfen, unterrichtsbegleitende Lernangebote machen oder beim Einsatz digitaler Lernplattformen unterstützen.

Eisenmann hat eine solche Hilfslehrer in Baden-Württemberg bisher mit dem Argument abgelehnt, dass in den Schulen Profis gebraucht würden. Aber in Coronazeiten wird der strukturelle Lehrermangel noch verstärkt, weil sechs Prozent der Lehrer aus Krankheitsgründen keinen Präsenzunterricht machen müssen. Und in den Grundschulen fällt der Mangel besonders ins Gewicht: Denn erstens sollen die Kinder in den ersten vier Schuljahren gut lesen, schreiben und rechnen lernen. Tun sie es nicht, schleppen viele – mehr als zwanzig Prozent, wie die Pisa-Untersuchungen gezeigt haben – die Lücken bis zu ihrem Schulabschluss und darüber hinaus mit sich. Zweitens können die Erst- bis Viertklässler durch digitalen Fernunterricht schlechter erreicht werden als die älteren Schüler.

Das hat sich im Lockdown vor den Ferien gezeigt. Die jüngeren Schüler sind stärker auf direkte Impulse von ihren Lehrkräften angewiesen, und sie brauchen auch die Erfahrungen des gemeinsamen Lernens mit ihren Schulkameraden dringender als die älteren Schüler. Das alles belegt, wie empfindlich der Lehrermangel an den Grundschulen sich gerade in diesem Schuljahr auswirkt. Deshalb ist besonders spannend, welche Antwort Kultusministerin Eisenmann darauf hat.