Das Schuhhaus Bletzinger in den /0er Jahren: Damals konnte am Marktplatz noch geparkt werden Foto: Schneewolf

Ein in vierter Generation geführtes Familienunternehmen gehört sicher zu den Raritäten in der Geschäftswelt. Das Schuhhaus J. Bletzinger am Marktplatz in Stuttgart lebt diese Tradition seit 125 Jahren.

Stuttgart - Das ganz genaue Datum geben die Archive nicht mehr her. „Aber es war auf alle Fälle im Oktober 1890, das hat uns die Industrie- und Handelskammer auch bestätigt“, sagt Hans Peter Bletzinger, Geschäftsführer des Schuhhauses J. Bletzinger, über seine Suche nach dem Ursprung. Also auf den Monat genau vor 125 Jahren hat sein Ur-Großvater Johann Bletzinger den kleinen Laden in der Calwer Straße aufgemacht. Als gelernter Schuhmacher hatte Johann schon ein Jahrzehnt lang Schuhwerk repariert und maßangefertigt. Für den Mann vom Fach kam der Vertrieb von Fabrikware hinzu. Das neue Geschäft entwickelte sich prima, verlangte irgendwann nach mehr Raum. 1908 konnte man an den Marktplatz umziehen und am heutigen Standort einen Neubau errichten. Am 23. März 1909 eröffnete das Schuhhaus und etablierte sich als führendes Fachgeschäft in zentralster Citylage.

1944 bis auf die Grundfesten ausgebombt

Johanns Sohn Erwin, der 1931 zusammen mit seinem Bruder Kurt (verstarb 1943) übernahm, hatte das 1944 bis in die Grundfesten zerbombte Haus wieder aufzubauen. „Es war das einzige Gebäude am Marktplatz, das bei den Bombenangriffen stehen geblieben ist, wenn auch total ausgebrannt“, so Hans Peter Bletzinger über die schicksalhaften Kriegstage. Dem Wiederaufbau 1947 folgte 1972 die nächste größere Umgestaltung. Gründerenkel Alfred Bletzinger erweiterte mit seinem Einstieg als neuer Chef die Verkaufsräume auf 400 Quadratmeter über drei Stockwerke. So präsentiert sich das Geschäft auch heute noch, bietet Platz für über 3000 Paar Schuhe für Damen, Herren und Kinder. Mit Hans Peter Bletzinger stieg 1996 die vierte Generation ein. „Ich fing an zu filialisieren“, sagt er über einen Weg, sich am umkämpften Markt zu behaupten. Inzwischen beschränkt sich die Expansion auf den seit 2004 bestehenden „Sioux-Shop“, der hundert Meter Luftlinie vom Haupthaus entfernt liegt.

„Mein Großvater beschäftigte zwölf Schuhmacher“, erzählt Bletzinger über alte Zeiten. Der Reparaturbetrieb wurde nach dem Krieg eingestellt, die ganze Konzentration galt dem Verkauf. Über 30 Angestellte hatte das Unternehmen in den 60er Jahren, aktuell sind es noch 14. Auf sein Personal ist der Firmenchef stolz. „Das sind alles gut ausgebildete Fachkräfte, die mit ihrer Beratungskompetenz unseren Wettbewerbsvorteil gegenüber den Billigketten oder auch dem Online-Versandhandel sichern“, ist Bletzinger überzeugt. Auch die Konzentration auf bestimmte Marken sei eine „unternehmerisch richtige Entscheidung“ gewesen. „Es geht uns sehr gut“, stellt der Firmenchef zur wirtschaftlichen Lage fest.

Die fünfte Generation an der Firmenspitze wird es wohl nicht geben

Die fünfte Familiengeneration wird es größter Wahrscheinlichkeit nach nicht geben. Hans Peter Bletzingers einziger Sohn studiert Elektrotechnik. „Er will mit dem Schuhhaus beruflich nichts zu tun haben“, sagt der Vater ohne Groll. Selber will sich der 60-Jährige auch nicht mehr allzu viele Jahre in der heutigen Position zumuten. „Aber die Nachfolge ist bereits geregelt“, sieht Hans Peter Bletzinger die Zukunft des Traditionsunternehmens nicht gefährdet. Auch wenn dann erstmals nach über 125 Jahren kein Bletzinger mehr das Kommando führen wird.

Das 125-jährige Bestehen wird derzeit noch gefeiert.