Jens-Peter Wedlich in seinem verpackungsfreien Laden an der Vogelsangstraße. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

280 Millionen Tonnen Verpackungsmüll werden jährlich allein in Deutschland produziert. Jens-Peter Wedlich will mit der Eröffnung seines Unverpackt-Lebensmittelmarktes nun ein Zeichen setzen und zum Umdenken animieren.

Stuttgart-West - „Wie Weihnachten!“, ruft Jens-Peter Wedlich aus und klatscht freudig in die Hände, als er eine ganze Ladung neuer Ware von einem seiner Lieferanten in Empfang nimmt. „Ich freue mich so sehr, dass es jetzt endlich losgeht.“ Lange hat er auf die Verwirklichung seines Traums von einem Unverpackt-Ladens warten müssen, im Stuttgarter Westen ist er nun wahr geworden.

Geflochtene Körbe mit Obst und Gemüse, Schütten mit Trockenwaren, Döschen mit feinen Kräutern und Gewürzen, Gläser mit Fruchtaufstrichen, Molkereiprodukte und Wasch- und Reinigungsmittel wie Zahnbürsten aus Bambus reihen sich nun nebeneinander, wo wochenlang Baustelle geherrscht hatte. Eine Odyssee sei sie gewesen, die Suche nach einem perfekten Ladengeschäft, das eine kuschelige Kombination aus Bioladen, Feinkost und Tante Emma Laden werden sollte. Bezahlbar, überschaubar und doch einzigartig, erklärt Wedlich. In der Vogelsangstraße 51 ist er schließlich fündig geworden und erfreut sich unweit des Café Seyffers und der Patisserie Tarte und Törtchen nun bester Nachbarschaft.

Die Welt ein Stückchen besser machen

Es ist der erste Laden in Stuttgart, der nachhaltige und vor allem unverpackte Lebensmittel verkauft. Angesichts der aktuellen Debatte über den hohen Verbrauch von Plastiktüten im Einzelhandel, könnte diese Eröffnung zeitlich nicht besser passen. Entstanden aber ist die Idee, einen solchen Unverpackt-Laden zu eröffnen, als Wedlich, der jahrelang in der Mineralölbranche tätig war, vor etwa zwei Jahren von seinem Arbeitgeber den goldenen Handschlag erhalten hatte. Auf der Suche nach sich selbst und nach neuen Ufern, machte sich der Familienvater, der seit jeher eine große Liebe für die Meere empfindet, auf eine eher ungewöhnliche Reise der Selbstfindung.

Zehn Tage lang reiste Wedlich, der sich seit 2010 ehrenamtlich bei Greenpeace Stuttgart engagiert ist und Seminare und Vorträge zum Thema Meere hält, mit einem Containerfrachtschiff über die Meere. Die Massen an Müll, die er dort an der Wasseroberfläche treiben sah, haben in ihm schließlich die Vision geweckt, die Welt ein Stückchen besser zu machen und einen Supermarkt zu eröffnen, der gerade das verhindert: Lebensmittelverschwendung und das Produzieren von Verpackungsmüll.

Schulungen, Coachings und etliche Stunden des Austausches mit seinem Unternehmensberater später, gründete Wedlich im März 2015 Schüttgut, mehr als ein Jahr später folgte dann am 30. Mai die Ladeneröffnung. Wer hier einkauft, will seinen Einkauf gut geplant haben, denn Plastiktüten für Obst und Gemüse, Reinigungsmittel in Plastikflaschen und Milch im Tetrapack sind hier ebenso wenig zu finden, wie gehetzte Einkäufer, die scheinbar wahl- und lieblos ihre Einkaufswagen durch die Supermarktgänge jagen.

Und so funktioniert es

Auf beschaulichen 55 Quadratmetern finden sich hier erlesene, saisonale, regionale wie nachhaltige Produkte, die nicht nur lecker schmecken, sondern auch nahezu verpackungsfrei verkauft werden. Bereits Zuhause muss sich der Kunde beim sogenannten Zero-Waste-Prinzip also nicht nur überlegen, was und wie viel gekauft werden muss, sondern, wie die unverpackten Produkte letztlich ihren Weg in die heimische Küche finden. Hierzu erhalten die Kunden bei Schüttgut, Baumwolltüten oder andere Gefäße, eigene gereinigte Verpackungen können aber ebenso mitgebracht werden.

„Die Kunden finden direkt am Eingang eine Waage, auf der sie zu Beginn ihres Einkaufes, ihre Verpackungen wiegen können. Anschließend bedienen sie sich an den Schütten und sonstigen Behältern. An der Kasse werden die Produkte dann gewogen und mit dem Gewicht der Verpackung verrechnet“, erklärt Wedlich. Lachend fügt er hinzu, dass es hier sicher nicht so schnell zugehe wie an der Aldikasse, dass das aber auch gut so sei. Denn nur so würden die Lebensmittel, aber auch der Kunde selbst, wieder entsprechend wertgeschätzt werden.

„Das Ziel, das ich mit Schüttgut verfolge ist nicht nur der Umweltschutz, ein Umdenken in Sachen Konsumverhalten und dem Produzieren von Müll, sondern auch eine Entschleunigung, die die Menschen wieder zu einem bewussten Umgang mit den Lebensmitteln führen soll“, erklärt Wedlich. Früher schon habe es ihm aufgestoßen, wenn er zuhause gesehen habe, wie viel Müll man tägliche produziere und wie viele leere Tupperdosen wiederum in den Küchenschränken unbenutzt liegen würden. „Warum kann man diese Dosen nicht einfach voll machen?“, fragt Wedlich. Und Stuttgart sei seiner Meinung nach der ideale Ort, um damit zu beginnen. So sei Stuttgart nicht allein wegen seiner vielen Pflanzen, sondern auch politisch grün – ein Umdenken habe längst eingesetzt.