Der Grünen-OB Alexander Maier fordert das Land auf, die Bemühungen zur Bekämpfung der gewaltbereiten Banden noch weiter zu erhöhen. (Archivbild) Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Am Samstag wird ein Mann in Göppingen niedergeschossen – unklar, ob im Zuge des Bandenkriegs in der Region. Göppingens OB Alexander Maier fordert eine höhere Priorisierung des Themas.

Am Samstagabend ist Göppingen der Schauplatz einer bewaffneten Auseinandersetzung geworden – mal wieder. Ein junger Mann wurde durch Schüsse an der Pappelallee, einem Feldweg etwas außerhalb des Stadt, schwer verletzt. Die Polizei geht davon aus, dass das 25 Jahre alte Opfer in einer Gruppe unterwegs war, als es auf die zwei Tatverdächtigen traf, nach denen die Polizei auch am Montag noch fahndet. Nach einem kurzen Gespräch soll einer der beiden eine Waffe gezogen und in die Gruppe geschossen haben.

 

Ob der Vorfall Teil der Gewaltserie verfeindeter Gruppierungen ist, die die Region seit Jahren in Atem halten, ist unklar. Die Polizei prüft derzeit noch, ob ein Zusammenhang mit den Rivalitäten der multiethnischen Gruppen besteht, von denen die eine vor allem in Esslingen und Ludwigsburg und die andere in Stuttgart-Zuffenhausen und eben Göppingen aktiv ist.

Maier: Landesregierung in der Pflicht

Göppingens OB Alexander Maier (Grüne) ist auch zwei Tage nach der Tat noch fassungslos – zumal bereits im Oktober unweit des aktuellen Tatorts tödliche Schüsse in einer Bar gefallen waren. „Es ist frustrierend, dass so etwas schon wieder in Göppingen passiert“, sagt Maier am Montag. Er fordert, dass dem Problem jetzt höchste Priorität eingeräumt wird – ob der Fall von Samstag nun mit dem Bandenkrieg in der Region etwas zu tun hat oder nicht.

„Der Rechtsstaat muss doch etwas zu entgegnen haben, wenn Gruppen marodierend durch die Region ziehen“, sagt Maier, „langsam fehlt mir da das Verständnis.“ In der Pflicht sieht er vor allem die Landesregierung und das Innenministerium im Speziellen, da das Problem über die Göppinger Gemarkung hinausgehe. „Ich werde deswegen auch den Innenminister (Thomas Strobl (CDU), Anm. d. Red.) kontaktieren“, so der Oberbürgermeister.

Der aktuelle Tatort in Göppingen Foto: Marius Bulling/dpa

Aber auch im Kleinen will Maier nicht untätig bleiben. „Wir erarbeiten derzeit einen Masterplan zum Thema Sicherheit“, sagt Maier. Dabei sollen Brennpunkte in Göppingen identifiziert und Instrumente gefunden werden, um die Gewalt einzuhegen. Die Auftaktveranstaltung dazu soll Ende Mai in Form eines Bürgerdialogs stattfinden. „Mir ist wichtig, dass der Masterplan kein Papiertiger ist – wir sehen veränderte Rahmenbedingungen, mit denen wir umgehen müssen“, sagt Maier.

Ihm sei auch klar, dass es für die Situation keine einfache Lösung geben könne. „Wir haben es hier mit Kriminalität als Lifestyle zu tun“, in dem eine ,Übermaskulinität’ zelebriert werde: „Parallel zu den unmittelbaren Sicherheitsmaßnahmen müssen wir auch in die Ursachenforschung gehen, warum es diesen jungen Männern ein Bedürfnis ist, Probleme zu lösen wie vor hundert Jahren – mit Gewalt.“

Nicht politisch instrumentalisieren

Maier will zudem nicht wegreden, dass diese Ideologie besonders in migrantischen Milieus auf fruchtbaren Boden fällt: „Man verkennt die Lage, wenn man das jetzt noch kleinredet.“ Anderseits warnt er davor, den Umstand politisch zu instrumentalisieren. Dies sei nach den tödlichen Schüssen in der Bar geschehen und keine Antwort auf das schwindende Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung durch derartige Vorfälle.

Trotz der Schwierigkeiten, die Gewalt einzudämmen, ist Alexander Maier „guter Dinge“, dass wirksame Maßnahmen gefunden werden, wenn die Behörden eng verzahnt zusammenarbeiten und die Situation ernst nehmen. „Der Staat ist nicht machtlos“, sagt er.

Der Bandenkonflikt in der Region schwelt seit Mitte 2022, bis heute rechnet die Polizei immer wieder Straftaten der blutigen Fehde zu, die kein Ende zu kennen scheint. Dabei blicken die Ermittler durchaus auch auf Erfolge zurück: Bereits im Mai 2024 über 180 vollstreckte Durchsuchungsbeschlüsse und 29 sichergestellte Schusswaffen zu Buche, die Zahl der Verhaftungen liegt bei aktuell 94..

Viele Täter aus dem kriminellen Umfeld der Streetgangs befinden sich in Haft. Der Handgranatenwerfer von Altbach, der bei einer Trauerfeier um ein getötetes Mitglied einer der verfeindeten Gruppen wahrscheinlich nur nicht zum Mörder wurde, weil der Ast eines Baumes die Granate ablenkte, war im vergangenen Jahr zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Andere Prozesse laufen noch – so auch der gegen den erst 17-Jährigen Tatverdächtigen, der die tödlichen Schüsse in der Göppinger Bar abgefeuert hatte und der Gruppe Esslingen/Ludwigsburg zugerechnet wird.

Die Gruppen sind laut Polizei nicht nur gegenüber den Rivalen gewalttätig, sondern auch in Drogengeschäfte und andere kriminelle Machenschaften verstrickt. Beide Gruppen befinden sich demnach auch im Besitz zahlreicher illegaler Schusswaffen.