Wie ticken Schüler in anderen Bundesländern? Thüringens Bildungsminister Helmut Holter schlägt einen Schüleraustausch zwischen Ost- und Westdeutschland vor. Foto: dpa

Ost- und Westdeutsche wissen nicht genug voneinander, meint Thüringens Bildungsminister Helmut Holter und schlägt ein Austauschprogramm vor. Aber innerhalb Deutschlands braucht es dazu keine Programme, meint Arnold Rieger.

Stuttgart - So richtig verstehen sich die Badener und die Württemberger dann ja doch nicht. Und die Bayern und die Berliner fremdeln auch seit Jahrhunderten miteinander. Aber soll man deshalb einen Schüleraustausch organisieren, damit die einen endlich begreifen, wie die anderen ticken? So ähnlich stellt sich das wohl der neue Chef der Kultusministerkonferenz, Thüringens Bildungsminister Helmut Holter, vor. Deutschland brauche nicht nur Schülerprojekte im Austausch mit Polen oder Frankreich, sondern auch zwischen Leipzig und Stuttgart, sagte er in einem Interview.

Nun gut, Ost- und Westdeutschland waren Jahrzehnte lang durch einen Eisernen Vorhang getrennt. Noch immer ist nicht alles zusammengewachsen, was zusammen gehört. Doch fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ist der Austausch selbstverständlich geworden: im Studium ebenso wie im Beruf, privat ebenso wie auf hochoffizieller Bühne. Das ist Gottlob innerdeutscher Alltag. Im Gegensatz dazu zeigt jedoch der Schüleraustausch dort Schwächen, wo er noch immer dringend notwendig ist: zwischen den Nationen Europas. Das Interesse der jungen Deutschen an Frankreich zum Beispiel hat stark nachgelassen – und umgekehrt. Das schadet nicht nur der Sprachkompetenz.

Die Kultusminister tun gut daran, diesen internationalen Austausch stärker zu fördern, anstatt ein neues, überflüssiges Fass aufzumachen. Und wenn sie tatsächlich den Binnenverkehr voranbringen wollen, dann empfiehlt es sich, das föderale Dickicht in der Bildungspolitik mehr zu roden. Denn wer als Schüler zwischen den Bundländern wechseln will, stolpert noch immer über Grenzzäune. Holter sollte also seine Kolleginnen und Kollegen still dazu ermuntern, ihre Hausaufgaben machen – anstatt zu Beginn seiner Amtszeit die Pauke zu schlagen, damit man ihn wahrnimmt.