Thomas Jörg zeigt die ersten Ergebnisse des Projekts auf der Makerfair 2018 in Sindelfingen. Foto: privat

Erasmus-Projekt: Das Kepler-Gymnasium Weil der Stadt hat drei Jahre mit Partnern aus fünf Ländern daran gearbeitet, den 3-D-Druck an Schulen nach vorn zu bringen.

Stuttgart - Als Nerd sieht sich Stefan Wegner sich nicht, wenigstens nicht im abwertenden Sinn. „Wenn Nerd aber bedeutet, etwas gut zu können, dann bin ich das gern“, sagt der 17-Jährige und grinst. Er gehört zur Kepler-Robotik-Informatik-Familie um den Lehrer Thomas Jörg. Er und rund 300 Mitschüler aus Weil der Stadt (Kreis Böblingen) waren Teil eines internationalen Erasmus-Projekts, das im Weiler Kepler-Gymnasium (JKG) von Klasse fünf an in AGs und in vielen Fächern praktisch gelebt wird. Die Bilanz der beiden Lehrer Katrin Kolmer-Kurtz und Thomas Jörg, die das für eine Schule ungewöhnlich große Projekt geleitet haben: „Wir sind noch mehr zu Europäern geworden.“

Vor drei Jahren begann alles: 230 000 Euro für das Projekt „3-D-Druck und Internet der Dinge im Unterricht“, viele Ideen, aber auch Berge von Arbeit. Wie bringt man sechs Länder, unterschiedliche Denkweisen und Wissensstände unter einen Hut? Mitgemacht haben Schulen und Universitäten, der dänische Part kam sogar von einem Unternehmen. Das Ziel war definiert: keine Absichtserklärungen oder Ideen, nein, Material, das jeder Lehrer in seinem Unterricht anwenden kann – und im Nachgang alle anderen auch.

Reisen gehörte dazu

Es folgten unzählige Stunden auf der Lernplattform Moodle (die Lehrer am JKG kannten sie schon vor Corona), Telefonate, Mails, aber auch Treffen der Teilnehmer. „Die Reisen waren sicher die Höhepunkte“, sagt Katrin Kolmer-Kurtz. Dänemark, Italien, Rumänien und Griechenland wurden besucht.

Die Lehrerin für Französisch, Englisch und Spanisch war so etwas wie die Oberkümmerin des Projekts. Mit allem und jedem war sie befasst, am Ende muss sie auch Rechenschaft ablegen. „Nicht immer ist man einer Meinung, aber wir haben immer einen Weg gefunden. Wenn es kniffelig wurde, zogen alle an einem Stang. Das zu erleben, war toll“, sagt sie. Und sie ist absolut überzeugt: Alle haben davon profitiert. „Außer vielleicht meine Familie, wenn ich stundenlang am Übersetzen war“, sagt sie lachend. Obwohl: ihr Sohn Robin war eine Woche mit in Italien und dort auch auf der Grundschule. Sie sagt: „Das er das geschafft hat, macht ihn heute noch stolz.“

Stichwort Profit: Alle Lernszenarien sind am Ende auf der Homepage in allen Sprachen und auf Englisch vorhanden; Dänisch ist etwas eingeschränkt, weil dort vor allem auf Englisch unterrichtet wird. In Weil der Stadt allein wurden acht 3-D-Drucker angeschafft und jede Menge Material. „Die Schüler kamen in den Kursen mit Einkaufslisten an, was sie alles zum Forschen brauchten“, sagt Thomas Jörg, von Haus aus Chemiker und in der Schule der Mr Informatik und Mr Robotik. Seine Begeisterung muss ansteckend sein: Nahezu die Hälfte der Schüler sind in einer oder mehreren AGs aktiv.

Magische Plastikfäden

„Es macht einfach Spaß. Tüfteln, schauen, ob man hinbekommt, was man sich überlegt hat“, sagt die 16-jährige Kamilla Wieczorek. Etwa ein Drittel der Robotik AG sind Mädchen. „Das ist aber auch egal. Man muss da im Team arbeiten. Sonst kommt man zu nichts“, sagt Stefan. Und Joscha Bruker (17 Jahre), der auch beruflich in die Richtung Informatik oder Cybersecurity plant, ergänzt: „Es fasziniert mich nach wie vor, wie aus einem Plastikfaden ein Gegenstand wächst.“

Zum Beispiel eine künstliche Hand, die Kinder nutzen können, wenn sie ohne eine Hand zur Welt kommen. Thierry Oquidam von der französischen Organisation E-nable hatte diese Idee ins Projekt eingebracht. Der Verein bringt auf der ganzen Welt Macher und Nutzer dieser Hände zusammen. Auch am JKG wurden etliche Hände gedruckt.

Auswirkungen auf den Lehrplan

Am 18. Juli hätten eigentlich jede Menge Hände gedrückt werden sollen. Doch Corona hat auch dem internationalen Abschlussfest in Weil der Stadt einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber es wären ja keine Macher am Start (der Untertitel des Projekts lautet „We are the Makers“, also „Wir sind die Macher“), wäre ihnen nicht umgehend eine Alternative eingefallen: Jetzt wird virtuell gefeiert und gleich noch ein bisschen dazu gelernt.

In einem Webinar, also einer Vorlesung via Internet, stellen die Gruppen ihr Unterrichtsmaterial vor. Das reicht vom Bau eines Alarmsystems für den Klassenraum (Griechenland) über die Konstruktion von Brücken (Dänemark) bis zum Thema Biosensorik im Gesundheitswesen. Daran haben Thomas Jörg und seine Schüler gearbeitet. Das war sehr wegweisend: Bald wird dieses Thema Einzug in den Lehrplan an baden-württembergischen Gymnasien halten. So konkret kann Europa sein.

Abschlussfest im Internet

Webinar
Die Teilnehmer des Erasmus-Projekts stellen am Samstag, 18. Juli, von 10 bis 15.30 Uhr ihre Arbeit vor. Den Auftakt macht die Scuola di Robotica aus Genua um 9 Uhr. Das Johannes-Kepler-Gymnasium Weil der Stadt präsentiert sein Unterrichtsmaterial zur Biosensorik von 13.25 bis 14.25 Uhr.

Teilnahme Das Webinar ist offen für jedermann und kostenlos. Allerdings muss man sich anmelden, um Zugangsdaten zu bekommen. Das erfolgt am besten über die Homepage des Projekts, auf der auch viele Infos zum Projekt zu finden sind. Direkt auf der Frontseite wird man weitergeleitet zum Webinar (Infos und Anmeldung unter www.wemakers.de).

Unterricht Sämtliche von den Gruppen erarbeiteten Lernszenarien sind auf der Homepage in jeder der Sprache der Teilnehmer und auf Englisch vorhanden und können kostenlos in den Schulen benutzt werden.