Alte Ideologien, neue Frauenbilder: Alice Schwarzer legt sich mit Ministerin Schröder an.

Berlin - Meredith Haaf und Alice Schwarzer trennen mehr als nur vierzig Jahre. Haaf (26) beansprucht für sich, Feministin zu sein, aber ihre Ansichten vertragen sich so gar nicht mit denen jener Frau, die als Ikone dieser Freiheitsbewegung gilt. Uncool sei die irgendwie, und das beileibe nicht, weil Schwarzer inzwischen 66 Jahre alt sei und damit außerhalb des Geschlechterkampf-Kosmos junger Leute. "Das Coole an unserem jungen Feminismus drückt sich darin aus, dass er Spaß macht, dass wir uns mit interessanten Themen beschäftigen, dass wir locker damit umgehen und nicht bei jedem Scheiß gleich auf die Barrikaden steigen", sagt sie. Alice Schwarzers Feminismus - in politische Form gebracht und auf Papier gedruckt in deren Frauenmagazin "Emma" - macht ihr keinen Spaß. Und jung sei die Zeitschrift nun auch nicht gerade. Zu viel Ideologie, zu viele Regeln, meint Haaf, die darauf schwört, was sie den durchdachten Zorn nennt. "Wir Alphamädchen" heißt ihr Buch, welches letztlich auch eine Antwort auf Alice Schwarzer ist. Untertitel: "Warum Feminismus das Leben schöner macht".

Weil er leichter, cooler daherkommt? Alice Schwarzer ist zu mächtig geworden, das ist die zweite Botschaft dieser jungen Frauen - der Generation JüngerInnen, wer es so will. "Sie spricht nicht für uns alle", schon gar nicht für die Generation Scheidungskinder, wie Haaf ihre eigene Alterskohorte nennt. Weiblicher sollte der Feminismus sein und nicht gegen Männer gerichtet; pragmatisch eben und vor allem ohne den ganzen ideologischen Überbau. Feminismus ohne Schwarzer - für Haaf ist auch das Emanzipation.

Die Emanzipation von Alice Schwarzer zeigt immer neue Facetten: Bundesfamilienministerin Kristina Schröder ist nur sieben Jahre älter als die rebellische Rebellinnenkritikerin Haaf und rechnet auf ihre eigene Weise mit der Urmutter der Gleichberechtigung ab. Hier geht es nicht um cool oder uncool, das ist schnell erzählt. Die Ministerin kommt vielmehr selbst verordnet feminin und mit ihren 33 Jahren recht jung daher und vertritt doch jene althergebrachten konservativen Thesen, die Alice Schwarzer wiederum schon in ihrer Jugend auf die Barrikaden rief.

Absage an die Quote

Schwarzers Feminismus sei in Teilen völlig fehlgeleitet, weil er übersehen habe, "dass Partnerschaft und Kinder Glück spenden", sagt Kristina Schröder dem "Spiegel". So habe Schwarzer viel zu rabiate Thesen verfochten - "zum Beispiel, dass der heterosexuelle Geschlechtsverkehr kaum möglich sei ohne die Unterwerfung der Frau. Da kann ich nur sagen: Sorry, das ist falsch", so die Ministerin. Im Umkehrschluss bedeute das nämlich, dass die Gesellschaft ohne die Unterwerfung der Frau nicht fortbestehen könne, versucht wiederum Schröder, ihre eigene Logik zu untermauern. Der radikale "frühe Feminismus" habe sogar eine Lösung darin gesehen, den vermeintlich unterdrückten Frauen zu raten, lesbisch zu werden. "Dass Homosexualität jetzt aber die Lösung der Benachteiligung der Frau sein soll, fand ich nicht wirklich überzeugend", sagt Schröder - und gibt ihre eigenen Antworten auch auf jene Forderung, für die sich Schwarzer seit Jahrzehnten stark macht: eine Frauenquote in der Berufswelt, um vor allem Akademikerinnen auch den Weg in üblicherweise männerbündische Führungspositionen zu ebnen. Die Quote helfe nicht, sagt Schröder, die schon als Teenager in die CDU ging und sich nach dem Studium und während ihres Abgeordnetenmandats nie in der Welt außerhalb von Partei oder Bundestag verdingen musste. Eine Quote sei immer auch "eine Kapitulation der Politik". Wirtschaft sei "in erster Linie freies Handeln ohne staatliche Vorschriften". Darum also keine gesetzgeberisch verordnete Frauenförderung? "Eine Quote würde allein jene Frauen fördern, die keinerlei familiäre Verpflichtungen haben", meint jene Ministerin, die sich für die Interessen von Jugend, Frauen und Familie einsetzen soll.

Gleicher Lohn von Frauen und Männern bei gleicher Arbeit? Keine Aufgabe von Politik, sagt die Ressortchefin auch zu diesem arbeitsmarkt- und sozialpolitisch heißen Eisen. Schließlich stünde es den Frauen frei, nicht Geisteswissenschaften, sondern - wie Männer - Elektrotechnik zu studieren, wenn Unternehmen Elektrotechniker nun einmal besser bezahlten als Germanisten. Weil "wir das Thema Jungen- und Männerpolitik schon immer sträflich vernachlässigen", kündigt Kristina Schröder vielmehr an, sich für mehr männliche Erzieher in Kitas und Grundschulen einzusetzen.

Das Imperium des Feminismus schlägt zurück 

Es dauert keinen Tag, und das Imperium des Feminismus schlägt zurück. In einem offenen Brief schreibt Alice Schwarzer an Kristina Schröder, sie wisse gar nicht, ob sie lachen oder weinen solle. Was immer die Motive von Bundeskanzlerin Angela Merkel gewesen sein mögen, "Sie zur Frauen- und Familienministerin zu ernennen - Kompetenz und Empathie für Frauen kann es nicht gewesen sein". Mit aller Verve verteidigt Schwarzer gegen die Ministerin und deren "billige Klischees" ihr persönliches Lebenswerk - "die folgenreichste soziale Bewegung des 20. Jahrhunderts, der Sie unter anderem Ihre ganz persönliche Karriere zu verdanken haben". In aller Offenheit schreibt Schwarzer an Schröder: "Ich halte Sie für einen hoffnungslosen Fall. Schlicht ungeeignet." Mit Bedauern, besten Grüßen und der freundlichen Berufsempfehlung schließend: "Vielleicht sollten Sie Pressesprecherin der neuen, alten so medienwirksam agierenden rechtskonservativen Männerbünde und ihrer Sympathisanten werden."

Es geht also - wieder einmal - um linke und konservative Lebensentwürfe. In einer Schärfe, als müsste sich heute tatsächlich noch ein Mensch öffentlich dafür rechtfertigen, warum er so lebt, wie er lebt. Als ob dieser ewige ideologische Streit eine politische Wiedergeburt erlebt: Schröder vertritt den konservativen Feminismus - Schwarzer einen, der im linksliberalen Milieu zu Hause ist. "Die Linken wollen die Menschen umerziehen. Wir erkennen an, dass es Unterschiede gibt, auch zwischen Mann und Frau", behauptet die junge Ministerin. "Sie haben als Jahrgang 1977 zwar die Gnade der späten Geburt, aber nicht das Recht, Stammtischparolen aus jenen 70er Jahren zu reproduzieren", kontert die alte Dame der Frauenliteratur. Schwarzer schreibt das wirklich: reproduzieren. Es könnte schwarzer Humor sein, als kinderlose Publizistin einer kinderlosen Ministerin diesen Begriff aus der Fortpflanzungslehre zuzuschreiben. Den großen Streit dahinter kann er kaum relativieren.