Hermann Gekeler war dabei, als die Kreidler-Zigarre im Jahr 1965 mit 50-Kubikzentimeter-Motor und 210 Stundenkilometern über einen Salzsee in den USA raste. Foto: privat

Hermann Gekeler und Kreidler gehören zusammen. Er war für die Rennerfolge und Rekorde der Mopedschmiede verantwortlich. Noch heute ist er ein gefragter Kenner der Oldtimer.

Möhringen - Da war doch dieser eine Holländer. 1963 muss das wohl gewesen sein, in der Tschechoslowakei. „Sein Moped war kaputt, und ich hab ihn von der Straße aufgegabelt“, sagt Hermann Gekeler. Eigentlich hätte dies das Aus für Wout Jansen bedeuten müssen. So hieß der Holländer, da erinnert sich Gekeler noch dran. Aber in einer Nacht-und-Nebel-Aktion hat er dessen Kreidler repariert, während des Rennens, das hinter dem eisernen Vorhang fast eine ganze Woche über Stock und Stein führte. „Die Internationalen 6-Tage-Fahrten sind die Olympischen Spiele“, sagt er und schmunzelt. „Für die Mechaniker und Betreuer.“

Mehr als fünf Jahrzehnte später sitzt Gekeler am Küchentisch in seinem Haus in Möhringen und blättert durch ein altes Fotoalbum mit Schwarzweiß-Fotografien. Kürzlich hat er seinen 90. Geburtstag gefeiert. Seine Finger sind derb; die Jahre an den Dreh- und Fräßbänken haben Kerben in seine Glieder geschlagen. 1952 – als junger Mechaniker – kam er zu Kreidler, dem Mofahersteller aus Kornwestheim.

Im Sport sollten sich die Motörchen beweisen

Er wurde Meister, arbeitete in der Entwicklungs- und Versuchsabteilung. Sein erstes Projekt war, die Kurbelwelle der K50 zu verstärken, „die mit dem roten Sattel“, damit sie länger als 20 000 Kilometer hielt. Der Höhepunkt dürfte die Rekordfahrt mit der Zigarre gewesen sein, auf einem Salzsee von Utah. Dazwischen liegt ein Reisepass mit Stempeln aus aller Herren Länder.

Es war die große Zeit von Kreidler. Um zu zeigen, wie gut die Motörchen mit ihren 50 Kubikzentimern sind, stieg das Unternehmen in den Rennsport ein. Mit Mopeds lässt sich tatsächlich rasen, dafür sorgte Gekeler mit seinen rund 28 Mitarbeitern. „Es ist mir gelungen, sie zu motivieren“, sagt er. „Und wir haben auch nie einen Termin verpasst.“

Das nimmt man ihm ab. Wie er so in seiner Küche sitzt und erzählt, wirkt er nett, aber bestimmt und detailverliebt – und der Möhringer vergisst keine noch so kleine Anekdote. Wer nicht spurte, dem drohte er mit Kündigung. Aber erst am nächsten Tag. Der Betroffene – ein junger Kerl – durfte noch mal drüber schlafen und entschuldige sich Tags darauf bei seinem Meister.

Die Kreidler-Zigarre schoss mit 210 über den Salzsee

Mit den Straßenrennen fing es an. Den rasenden Burschen stellte die Firma kleine Flitzer zur Verfügung, frisierte sie, betreute sie an der Strecke, Gekeler immer mit dabei. Es folgten Geländefahrten, die den Maschinen das Äußerste abverlangten, Gekeler immer mit dabei. Er reiste nach New York, nach Buenos Aires, nach London, in einer Zeit, in der die Käfer über die Alpen nach Italien zu rollen begannen. Und dann kam das Jahr 1965 und mit ihm die 210 Sachen schnelle Hochgeschwindigkeitsflunder. Auch da war der Möhringer dabei.

Am 23. Oktober jenes Jahres knackte das Moped aus Zuffenhausen den Geschwindigkeitsrekord auf den Bonneville Salt Flats. Mit 15 PS, angeflanschtem Kompressor und Alkohol im Tank schoss die vollverkleidete Zigarre mit Rudolf Kunz am Lenker über die Salzkruste. Das der Versuch überhaupt gelang, ist den Schrauberkünsten Gekelers zu verdanken.

„Salz leitet wie Kupferdraht“, sagt er. Wegen Platzmangels wurde die Fußgangschaltung durch eine elektrische ersetzt. Dass die Probleme bereiten würde, fiel erst in den USA auf. Gekeler umgoss alles mit Kunstharz. Dann war da noch das gefährliche Schlingern bei Höchstgeschwindigkeit. Mit Kunststoffblöcken limitierte Gekeler den Lenkeinschlag auf magerere drei Grad. Was egal war, denn es ging ohnehin nur gerade aus. Und dann war da noch die Höhe von 3000 Metern. „Da funktioniert kein Vergaser. Wer fährt schon auf der Zugspitze?“

Auch heute noch ist Gekelers Wissen begehrt

1982 war Schluss mit Kreidler. Das Unternehmen ging pleite. Gekeler kaufte einige Maschinen aus der Konkursmasse samt halb fertiger Mopeds und machte sich selbstständig. Fast 20 Jahre fertigte er Teile für die Automobilindustrie und auch einiges für die Schar der Kreidler-Liebhaber. Letzteres tut er noch heute, obwohl er seine Firma 2001 auflöste. Manchmal kann er es gar nicht glauben, aber „es leben nach wie vor drei, vier Firmen von Kreidler-Ersatzteilen“, sagt er. „Und wenn jemand kommt, der wissen will, wie man etwas macht, dann sage ich ihm das halt.“ Dabei schüttelt er den Kopf und lacht. Das könne ja sonst niemand, „Ich bin ja beinahe der einzige, der noch lebt.“