Der eine hat Parkinson, der andere ist schwer lungenkrank. Ein weiteres Schicksal verbindet Matthias Holtmann und Achim Glück: Beide sind radioverrückt und wollen gemeinsam eine Sendung machen.
Stuttgart - Eigentlich hat Achim Glück, einst ein Star des Privatsenders Hit-Radio Antenne 1, dem Radio abgeschworen, wie er sagt. „Heute hasse ich Radio“, poltert der 55-Jährige mit lauter Stimme, „ich hab’ echt keinen Bock mehr drauf.“
Und doch hat sich der Inhaber einer Medienagentur in Stuttgart noch etwas vorgenommen, was in der Radiolandschaft Aufsehen erregen dürfte. „Nur noch eine Sendung“ will er machen – eine Sendung mit seinem einstigen Ziehvater. Matthias Holtmann heißt er. In vier Jahrzehnten bei SDR und SWR ist der 68-Jährige zur Radiolegende geworden. Achim Glück sieht sich selbst als „Legendchen“. Und dann sagt er mit ruhiger Stimme, als gehe es um den Speiseplan der Kantine oder um den Einkaufszettel, etwas Trauriges: „Diese eine Sendung will ich mit Matze machen, bevor ich sterbe.“
Mitleid wehren sie mit derben Späßen ab
Achim Glück leidet an einer schweren Lungenkrankheit. Ohne Sauerstoffrucksack kann er nicht mehr aus dem Haus. „Diese Krankheit führt vorzeitig zum Tod“, sagt der 55-Jährige, „man weiß nicht, wann, und es ist auch gut, es nicht zu wissen.“ Wenn er etwas nicht brauchen kann, dann ist es Mitleid. Darüber ist er sich mit Holtmann einig, den er seit vielen Jahren kennt. Jeden Anflug von Mitleid bügeln beide mit derben Späßen nieder.
Im Rolls-Royce eines Freundes fährt er mit Matze, um darin ein schräges, zuweilen philosophisches, mitunter lustiges, aber auch plattes Gespräch zu filmen und unterm Titel „Legende trifft Legendchen“ ins Netz zu stellen. Es ist absolut sehenswert. Glück umklammert eine kleine Handkamera, als wäre sie das Zepter eines Königs. Zwischendurch hört man das Zischen seines Sauerstofftanks. Das ist großes Kino. Zwei Behinderte machen die besten Behindertenwitze, trotzen den Widrigkeiten ihrer Erkrankung, weil sie ein gutes Mittel kennen: Blödsinn und Witz helfen beim Überleben. Wenn sie auf der Straße unterwegs sind, finden Kinder sie komisch, und Hunde fangen an zu bellen. Eine Nachbarin hat Achim Glück, der eine Nasensonde tragen muss, mal erzählt, dass ihr Sohn Angst vor dem „Schlauchmann“ habe.
Vom Leben gezeichnet
Ein bisschen erinnern die beiden an Waldorf und Statler aus der „Muppet-Show“. Zwei Alte geben ihren Senf zu allem. In den letzten Jahren haben sie vom Schicksal ein paar Schläge zu viel abbekommen. Verbittert sind sie deshalb nicht, zeigen es zumindest nicht vorm Rotlicht der Kamera. Die „Legende“ und das „Legendchen“, vom Leben gezeichnet, sitzen im Luxusschlitten wie in einem Roadmovie. Keiner weiß, wohin die Reise geht.
Fahren sie ans Meer, dorthin, wo die Sonne untergeht? Oder steuern sie einen der heutigen Radiomoderatoren an, einen, der sie nervt und dem sie deshalb eine Ohrfeige verpassen und gut ist?
Matthias Holtmann erzählt, wie er seinen roten Flitzer auf den Behindertenparkplatz an der Markthalle gestellt hat. Kaum steigt er aus, kommt ein Passant und schimpft. „Sind Sie behindert?“, fragt er. „Ja“, antwortet Holtmann. „Was für eine Behinderung haben Sie?“, lautet die nächste Frage. „Ich bin querschnittsgelähmt“, sagt der Radiomann. „Aber Sie laufen doch“, protestiert der andere. Darauf Holtmann: „Oh, ein Wunder!“
Glück war 1986 Ferienjobber beim SDR
Seit vielen Jahren kennen sich die beiden. 1986 hat Glück als Ferienjobber im Funkhaus die Hauspost verteilt und Holtmann mit Demokassetten von sich genervt. Schließlich wurde der Jüngere Assistent des Älteren, produzierte dessen Jingles und durfte auch mal bei ihm bei SDR 3 moderieren. 1990 wechselte Glück zu Stadtradio und Antenne 1 und trat zeitgleich gegen seinen Meister an.
Werden die beiden diese eine Sendung noch gemeinsam machen können? Und wenn ja, bei welchem Sender? Holtmann hat eine Idee: „Beim Polizeifunk.“