Das Baumhaushotel soll diesen Sommer endgültig eröffnen. Foto: factum/Weise

Das Baumhaushotel auf dem einstigen Milliardärsanwesen von Rolf Deyhle in Weil im Schönbuch ist wohl die schrägste Unterkunft Deutschlands. Diesen Sommer soll es endgültig eröffnen.

Weil im Schönbuch - Einst glich dieses Gelände einem Hochsicherheitstrakt. An diesem Nachmittag schlendern Spaziergänger mit ihren Hunden über sonnengefleckte Wiesen. Nicht einmal eine Schranke mussten sie umgehen. Ihr Weg windet sich über das einstige Milliardärsanwesen und führt vorbei an einer der schrägsten Herbergen Deutschlands, wenn nicht der schrägsten: dem Baumhaushotel am Rande von Weil im Schönbuch. Falls es diesmal wahr wird, können sich dort in nächster Zukunft Gäste einbuchen.

Das Gelände misst insgesamt 18 Hektar. Sein Zentrum ist eine weitläufige Lichtung im Wald. Dessen Haupthaus bewohnte ehemals der Milliardär Rolf Deyhle mit seiner Familie. Der Finanzbeamte wurde wohlhabend als Erfinder des Bauherrenmodells, reich als Immobilienunternehmer und berühmt als Musicalkönig. Allein in den SI-Komplex um seine Stuttgarter Musical-Hallen investierte Deyhle 400 Millionen Euro. Seine eigenen Millionen investierte er zunehmend in Kunst. Werke von Schlemmer, Dix, Renoir, Hölzel ruhten in seiner Sammlung. Am Ende scheiterte Deyhles Unternehmen. Er starb depressiv.

Wegen Deyhles Kunstsammlung gleicht das Haupthaus einem Safe

Wegen der teuren Kunst ist das Anwesen „eigentlich ein einziger Safe, ganz schrecklich“. So sagt es Hans-Martin Schempp, der heutige Eigentümer. Mit Deyhle habe er sich gut verstanden, erzählt Schempp, außer bei den Verhandlungen für den Immobilienverkauf. Deyhle wollte über keinen Cent Nachlass reden. Zehn Jahre ist das her. Schempp kaufte trotz allem.

Die beiden Männer eint – besser einte – eine gewisse schwäbische Skurrilität. Gänzlich unterschiedlich ist hingegen ihre Sicht darauf, wie mit Geld umzugehen ist. „In Zinsen darf man hier nicht denken“, sagt Schempp. Er steht in einem seiner acht Baumhaus-Appartements, im Klabautermann, barfuß, der Reinlichkeit wegen. Die Nachbarn heißen Flaschengeist, Windhexe oder Burggespenst. Schräg sind sie alle, im Wortsinn. Rechte Winkel sucht auch ein geschultes Auge eine Weile lang. Unter Türrahmen müssen selbst Durchschnittsdeutsche sich bücken. Die Farben wirken, als hätte ein Kind in seinen Fingermalkasten gegriffen. Genau so soll es sein. Im Gegenzug sind Baumhäuser mit Klimaanlage und Hochleistungs-W-Lan aus dem selbst verlegten Glasfaserkabel auch für Prinzessinnenseelen noch akzeptabel.

Schempp baut schon seit sechs Jahren an seinem Baumhaushotel

An seinem Baumhaushotel baut Schempp schon seit sechs Jahren und wollte im vergangenen Herbst endlich eröffnen, aber nun ja: Aus Sicht eines Immobilienunternehmers gleicht dieses Projekt einem Autounfall mit Totalschaden. Die Appartements stehen auf Baumstämmen. Bis zu drei Zimmer stapeln sich übereinander. „Sie müssen erst mal einen Statiker finden, der ihnen so was berechnen kann“, sagt Schempp. Alles an diesen Häusern ist Einzelanfertigung in Handarbeit, bis hin zu den Gemälden an den Wänden. Im Grunde ist das Bauen hier ohnehin verboten. Das Gelände steht unter Landschaftsschutz. Der Brandschutz bereitete lange Ärger. Am Ende mussten alle Fenster noch einmal ausgetauscht werden, wegen Sicherheitsbedenken. „Aber was soll’s“, sagt Schempp und dankt artig dem Bürgermeister Wolfgang Lahl samt seinem Gemeinderat.

Schräg gegenüber, an Deyhles einstiger Reithalle, lassen Arbeiter noch die Flex kreischen. Sie bauen Duschen und Toiletten ein für künftige Gäste, sei es von Seminaren oder Konzerten in seiner neuen Veranstaltungshalle. Sie ist eben fertig geworden und sogar schon genehmigt. 70 bis 80 Prozent der Veranstaltungen hier in seiner Oase Weil müssen Gewinn abwerfen, schätzt Schempp, der Rest soll Gutes bewirken für Natur, Umwelt, Gesundheit, die Menschheit. Dafür hat er eigens seine One-World-Family-Stiftung gegründet. Was ihn sonst noch antreibt, hier Geld zu verbauen, klingt eher bodenständig: „Schauen Sie sich doch mal um, wie schön es hier ist.“