Segeln wie anno dazumal: Die „Flying Dutchman“ (hier die Ansicht auf Bug und Klüverbaum) ist Baujahr 1903. Foto: Stefanie Salzer-Deckert

Eine Woche auf dem mehr als 100 Jahre alten Zweimaster „Flying Dutchman“ vor der Küste Schottlands bringt wasserfeste Kreuzfahrer mit den Elementen in Berührung.

Oban - Geschichten von durchwachten Nächten an Deck bekommt man erzählt. Von stürmischer Überfahrt unter geblähten Segeln und von gezähmtem Appetit. Seemannsgarn aus alter Zeit? Keinesfalls, denn wer sich für einen Urlaub an Bord der „Flying Dutchman“ entscheidet, der kann sich auf ein wenig Abenteuer, auf Arbeit an Deck und in der Kombüse einstellen.

Und auf eine Nähe zur Natur und ihren Kräften, die ihresgleichen suchen dürfte. Denn die „Flying Dutchman“ ist ein 112 Jahre alter Zweimaster, der einst als Heringskutter seinen Dienst versah, mittlerweile aber so umgebaut wurde, dass er mehr als zwei Dutzend Passagiere befördern und verköstigen kann. Eine Woche entlang der Ostküste Schottlands und quer durch die Insel auf dem Kaledonischen Kanal steht auf der Reiseroute verzeichnet, als das Schiff in Queensferry bei Edinburgh in See sticht.

Das Ziel: die Hafenstadt Oban an der schottischen Atlantikküste. Die Stationen auf dem Weg dorthin: Malerische Städtchen wie Stonehaven und Fraserburgh, zu dem ein beeindruckender Hafen voller großer Tiefseefischer gehört. Von hier aus geht es in westlicher Richtung über Buckie weiter bis nach Inverness am Eingang des Kanals mit seinen Ortschaften wie Port Augustus, am südlichen Ende von Loch Ness gelegen, dem von Mythen umrankten, 37 Kilometer langen und über 200 Meter tiefen See in den Highlands, dessen Durchquerung allein einen halben Tag in Anspruch nehmen wird. Doch der Reihe nach: Die „Flying Dutchman“ ist ein alter Heringskutter und wurde 1903 gebaut.

Ein Schiff namens "Trix"

Damals hieß sie „KW 33“ und fuhr nur mit Segeln auf der Nordsee. Davon berichtet Anneke van der Heide. Die 31 Jahre alte Schwiegertochter von Schiffseigner Klaas van Twillert hat als Kapitänin schon viele Reisen auf der „Flying Dutchman“ geleitet. „Im Grund ist das Schiff so erhalten geblieben, wie es einst vom Stapel lief. Nur einige der Stahlplatten des Rumpfs mussten mit den Jahren ausgetauscht werden“, erzählt sie. Bevor das Schiff zum Passagierschiff umgebaut wurde, wurde es Ende der neunziger Jahre im Rahmen eines Sozialprojekts für arbeitslose junge Menschen saniert. „Damals hieß das Schiff ,Trix‘, benannt nach Königin Beatrix“, ergänzt Ini Golbach, die ebenfalls als Kapitänin an Bord ist, um das Schiff für künftige Reisen kennenzulernen.

„Ich bin seit 26 Jahren freiberuflich als Kapitän von Segelschiffen unterwegs“, sagt sie. „Ich liebe diesen Moment, wenn man die Motoren abstellen und die Segel setzen kann.“ Viel Erfahrung auf See bringt auch Ini Golbachs Lebensgefährte Cees Captajn mit, der sein Geschäft als Schiffsdesigner vor einigen Jahren verkauft hat, um zur See zu fahren. „Die Menschen lieben an dieser Art des Reisens, dass sie nah an den Elementen sind. Und das wiederum hat positive Auswirkungen auf die Seele.

„Die Alltagssorgen verschwinden beim Segeln in der Regel nach einigen Tagen von ganz allein“, hat Cees festgestellt. Jeder an Bord hilft mit, so Cees weiter. Bei allen Tätigkeiten. „Es gibt den Leuten ein gutes Gefühl, wenn sie zum Beispiel am Ruder stehen und das 200 Tonnen schwere Schiff steuern können. Die Verantwortung, die jeder Gast für Schiff und Crew mittragen kann, gibt jedem an Bord ein gutes Gefühl.“ Nach dem Ablegen in Queensferry fährt das Schiff unter einem der sehenswertesten Monumente Schottlands durch: die rot gestrichene, gewaltige Forth Bridge. Die zweigleisige Eisenbahnbrücke ist 125 Jahre alt und überspannt den Fjord des Flusses Forth.

Sie gilt als die erste Brücke überhaupt, die vollständig aus Stahl hergestellt wurde, und hatte bei ihrer Eröffnung im Jahr 1890 die größte Spannweite aller Brücken weltweit. Die Konstruktion, die heute zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, hinterlässt einen Eindruck von atemberaubender Schönheit und Macht, bevor die „Flying Dutchman“ den Meeresarm Firth of Forth verlässt und die Nordsee erreicht. Hier weht ein anderer Wind, und einige Passagiere kämpfen recht bald mit Symptomen von Seekrankheit.

An den Seegang haben sich inzwischen alle gewöhnt

Das mulmige Gefühl im Bauch legt sich aber bald, und der Blick wird frei für imposante Küstenlandschaften. Dahinter erheben sich die Highlands, von deren Gipfeln ein kühler Wind herunterweht. Doch keinen stört das, schließlich gibt es warme Kleidung, und es gibt auf See immer was zu tun, was vor Kälte schützt: Alle packen mit an, wenn es ums Segelsetzen geht. Auch Koch Jan freut sich über helfende Hände, und Kapitänin Ini überlässt das Ruder der „Flying Dutchman“ auch gern den Passagieren. Als am vierten Tag auf dem Meer auch noch eine Schule Delfine das Schiff begleitet, ist das Seefahrerglück perfekt. An den Seegang haben sich inzwischen alle gewöhnt.

„Die Nordsee ist ein kleines Meer, deshalb hast du hier immer wechselnden Wellengang“, erklärt Jan Rebel, der seit drei Jahren als Koch auf der „Flying Dutchman“ unterwegs ist und zuvor eine ganze Reihe von Hotels betrieben hat. „Segeln und Kochen sind immer meine Hobbys gewesen“, erzählt der bärtige Holländer. „Zurzeit arbeite ich an meinem Kapitänspatent.“ Gleich zu Beginn des Kaledonischen Kanals bei Inverness lernen die Passagiere Phil und Katrina aus Australien kennen. Das Paar umsegelt seit über zwei Jahren mit seiner Elf- Meter-Yacht „Restless Spirit“ die Welt. „Wir haben uns zehn Jahre als Ziel gesetzt“, erzählt Phil, der die Reise im Internet dokumentiert, so dass jeder, der möchte, das Abenteuer miterleben kann (www.mytb.org/Restless-Spirits). Der Kaledonische Kanal verbindet die Ost- und Westküste Schottlands.

Die „Flying Dutchmann“ muss dazu durch 29 Schleusen - sieben auf dem Wegstück bis Loch Ness, 22 weitere danach ab Fort Augustus, einem reizenden kleinen Ort mit reichlich alter Bausubstanz und einem noblen Schlosshotel am Ausgang von Loch Ness. Spätestens hier wird man als Tourist an Bord eines alten Segelschiffes selbst zur Touristenattraktion: Wo die „Flying Dutchman“ auftaucht, sind neugierige und vor allem knipsende Feriengäste und Einheimische nicht weit. Mit am faszinierendsten auf diesem Streckenabschnitt ist natürlich die Fahrt durch Loch Ness selbst: Der riesenhafte, langgezogene See nimmt mit seiner ruhigen Atmosphäre jeden an Bord in seinen Bann.

Die längste Schleusentreppe Großbritanniens

Die Ufer sind streckenweise unberührt. Beeindruckend ist außerdem gegen Ende der Reise bei der Ortschaft Banavie „Neptune’s Staircase“ (Neptuns Treppenaufgang), so die volkstümliche Bezeichnung einer Schleusenanlage im Kaledonischen Kanal. Sie besteht aus acht Schleusensegmenten hintereinander (Koppelschleuse) und ist die längste Schleusentreppe Großbritanniens.

Von hier aus hat man einen guten Blick auf die größte Stadt in den westlichen Highlands, Fort William, und auf den höchsten Berg Schottlands, Ben Nevis (1344 Meter). Nach einer Woche an Bord erreicht die „Flying Dutchman“ die schottische Hafenstadt Oban an der Atlantikküste. Oban ist ein quirliger Ort mit einer berühmten Whisky-Brennerei, für deren Besichtigung man sich aber unbedingt vorab anmelden sollte. Küchenchef Jan gibt noch einmal alles in seiner kleinen Kombüse - eine Art „Captain’s Dinner“.

Von Oban fahren einige Passagiere direkt zurück nach Edinburgh und von dort nach Hause. Weitaus lohnender ist jedoch eine Zugreise im Anschluss an die Tage auf dem Schiff, zum Beispiel durch die Highlands in Richtung Mallaig und auf die Isle of Skye. Die Strecke gilt als eine der schönsten Bahnrouten der Welt und ist zusammen mit dem hier verkehrenden „Jacobite“-Dampfzug durch die „Harry Potter“-Kinofilme einem Millionenpublikum bekannt geworden. Auf dem Weg zurück nach Edinburgh lohnt zudem ein Zwischenstopp im malerischen Städtchen Pitlochry mit seinem botanischen Garten und zahlreichen sehenswerten Kneipen im historischen Ortskern.

Infos zu Schottland

Flying Dutchman
Die „Flying Dutchman“ ist ein Topsegelschoner mit zwei Masten und einer Gesamtlänge von knapp 40 Metern. Das Schiff ist 6,5 Meter breit und hat einen Tiefgang von 2,5 Metern. Die Segelfläche beträgt 480 Quadratmeter. In den zwölf Kabinen finden bis zu 26 Passagiere Platz. Jede Kabine verfügt über Dusche, WC und Heizung. Das 112 Jahre alte Schiff wurde zwischen 2003 und 2004 zum Passagierschiff umgebaut.

Dabei wurde besonderer Wert darauf gelegt, die rustikale Atmosphäre eines alten Segelschiffs mit dem Komfort unserer Zeit unter einen Hut zu bringen. In der Sommersaison ist das Schiff rund um Schottland unterwegs, im Winter liegt die „Flying Dutchman“ in Amsterdam vor Anker und wird als „Bed & Breakfast“-Pension genutzt. Im September stehen noch zwei Reisen auf dem Programm: 6. bis 13. September (ab 985 Euro) und 14. bis 19. September (ab 585 Euro).

Weitere Infos unter Telefon: 05 31 / 2 52 11 70 und unter www.segelnschottland.de

Weitere Veranstalter
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