Sogar das rechte US-Newsportal „Breitbart“ berichtet über die Schorndorfer Woche – mit Foto in Oktoberfest-Optik Foto: Screenshot (breitbart.com)

Das kleine Schorndorf erregte durch die Schowo-Vorfälle internationales Aufsehen – eine Suche nach den Gründen für die mediale Lawine.

Schorndorf - Nach fünf Tagen ist das Stadtfest Schowo in Schorndorf zu Ende gegangen – ruhig, nach derzeitiger Kenntnis ohne weitere große Zwischenfälle. Am Mittwoch wurde der Marktplatz geräumt. Doch in den Köpfen der Menschen ist noch einiges in Unordnung. Viele Besucher des Festes sind nach wie vor verwundert über das Mediengewitter, das sich über der Stadt entladen hat. Ein richtiges Schauspiel, eine Tragikkomödie sei geboten gewesen, schreibt ein Schorndorfer über die Vorgänge, die die Kleinstadt im Rems-Murr-Kreis in die Schlagzeilen auch internationaler Medien brachten. Wie konnte es dazu kommen?

Am Sonntag um 16.24 Uhr hatte die Polizei eine Zwischenbilanz der ersten beiden Tage der Schorndorfer Woche veröffentlicht, die Vorfälle aus 48 Stunden zusammenfasste. Sexuelle Belästigung, Randale, Widerstand und Flaschenwürfe gegen Polizisten, Menschen mit Migrationshintergrund – die Schlagworte lasen sich wie ein Best-Of der meistdiskutierten Themen der vergangenen Monate. Und machten sie wohl zu einer Mega-Meldung, die von vielen Journalisten allzu gerne aufgenommen wurde.

Eine halbe Stunde später sind es schon 1000 Randalierer

Nach der Silvesternacht in Köln war den Medien vorgeworfen worden, zu spät reagiert zu haben. Fast schien es, als wollten sie jetzt in Schorndorf alles nachholen, was sie glaubten, damals versäumt zu haben. Jeder Satz der nach Worten ringenden Akteure schaffte es in Sekundenschnelle auf Bildschirme und in Live-Ticker – die Qualität blieb auf der Strecke. Hatte die Polizeimeldung noch gelautet: „[. . .] versammelten sich ungefähr bis zu 1000 Jugendliche und junge Erwachsene. [. . .] Dabei kam es zu zahlreichen Flaschenwürfen gegen andere Festteilnehmer“, berichtete die Agentur dpa um 16.54 Uhr schon, tausend Menschen hätten randaliert. Spätestens jetzt brach die Lawine endgültig los.

Andere Medien griffen die Formulierung ungeprüft auf – weltweit. Sogar das Trump-nahe, dem rechten politischen Spektrum zuzuordnende US-Nachrichten-Portal „Breitbart.com“ berichtete am Dienstag über die „Unruhen“ in Schorndorf, übertrieb noch ein wenig und bebilderte das Ganze mit einem Foto in Oktoberfest-Optik. Zu verlockend schienen die Klischees: Hübsche Dirndlträgerinnen auf der einen Seite, messerschwingender Migrantenmob auf der anderen. Ein Motiv, das auch in Deutschland gerne aufgegriffen wurde: „Kölner Silvesternacht in der Provinz“, vermeldete der rechtskonservative Blog „Tichys Einblick“.

Die Wahrheit dürfte zwischen den verschiedenen Versionen liegen

Die Akteure vor Ort selbst wussten scheinbar manchmal nicht, wie sie die Vorfälle einordnen sollten. Der Schorndorfer OB Matthias Klopfer lobte erst die Zusammenarbeit mit der Polizei – um ihr wenig später die Hauptverantwortung für den medialen Wirbel zuzuschieben. Und den „großen Teil“ der „Personen mit Migrationshintergrund“ vermochte der Aalener Polizeipräsident Roland Eisele am Montag zahlenmäßig nicht einzuschätzen.

War nun die Lage in Schorndorf „nicht anders als in anderen Städten“, wie es der OB Klopfer behauptete? Oder war die Gewalt gegen Polizisten tatsächlich von bisher ungekanntem Ausmaß, wie der Polizeipräsident meinte? Beide Seiten haben ihre eigenen Interessen. Ein OB will seine Stadt nicht in einem Atemzug mit Köln und Hamburg genannt wissen, die Polizei will Gewalt gegen Beamte auf die politische Agenda setzen – und nicht den Anschein machen, etwas zu verschweigen. Die Wahrheit wird, wie so oft, zwischen ihren beiden Versionen liegen.

Was die Zahl der sexuellen Belästigungen auf der Schowoangeht, zitiert die dpa den OB Klopfer, es werde in sechs Fällen ermittelt. Am Donnerstag will die Polizei auf einer weiteren Pressekonferenz über den Stand der Ermittlungen informieren.

Was bedeuten die Vorgänge für künftige Stadtfeste in Schorndorf und andernorts? Der Schowo-Organisator Jürgen Dobler will keine tiefe Frustration bei seinen Mitstreitern gespürt haben. Im nahen Winterbach, wo in dieser Woche das Zeltspektakel stattfindet, haben die Organisatoren die Polizei um Präsenz gebeten – bei „Das Fest“ in Karlsruhe bleiben die Sicherheitsvorkehrungen dagegen unverändert.