Nun hat auch Schorndorf eine Vesperkirche: an neun Tagen können dort besser wie schlechter situierte Menschen an einem Tisch sitzen, essen und sich austauschen.
Spätzle, Bohnengemüse und Schweinehals, zum Nachtisch ein Stück Apfel-Käsekuchen – Norbert Chmelar ist rundum zufrieden mit dem Mittagessen, das ihm Rose Schaaf an den Tisch serviert hat. „Das Essen war prima“, sagt der 59-jährige Schorndorfer, der sich freut, dass es seit Sonntag in seiner Heimatstadt eine Vesperkirche gibt. Eine gute Woche lang, bis Montag, 5. Februar, bietet die Evangelische Gesamtkirchengemeinde im zentral gelegenen Martin-Luther-Haus mittags täglich zwei Gerichte an – eines mit Fleisch, eines ohne.
Norbert Chmelar hat fest vor, während dieser Zeit regelmäßig ins Martin-Luther-Haus zu kommen. „Ich bin arbeitssuchend und Bürgergeldempfänger“, sagt er und fügt mit einem Blick auf einige freie Tische hinzu: „Es gibt viele verschämte Arme.“ Olaf Stapf, der ihm gegenüber sitzt, sagt, er müsse mit 800 Euro Rente über die Runden kommen. Ein Angebot wie die Vesperkirche ist da höchst willkommen. Dass ausdrücklich auch all jene eingeladen sind, die sich problemlos anderswo ein Mittagessen leisten könnten, findet er gut. „Ein Mix unterschiedlicher Gäste ist eine gute Sache“, sagt Olaf Stapf und schaut zu einem Tisch am Fenster, wo Oberbürgermeister Bernd Hornikel isst.
Gemeinsamen Traum zusammen realisiert
Für die Diakonin Isabel Munk, die seit drei Jahren in Schorndorf arbeitet, hat sich mit der Vesperkirche ein lang gehegter Traum erfüllt. „Ich habe immer in der Stuttgarter Zeitung über die Vesperkirche in Stuttgart gelesen.“ Als die Schorndorferin Ute Ott mit dem Wunsch nach einer Vesperkirche vor Ort auf sie zukam, war die Diakonin sofort „Feuer und Flamme“. Der Wunsch hat allerdings bereits im Vorfeld viel Arbeit gemacht. „Wir haben schon vor einem Jahr mit den Vorbereitungen angefangen und ganz viele andere Vesperkirchen besucht“, sagt Isabel Munk. Von diesen Vorbildern ließ sich so manches abschauen, anderes musste an die Gegebenheiten in Schorndorf angepasst werden.
Ein wichtiger Baustein für das Gelingen des Projekts waren Werbung und die Suche nach Spendern, berichtet Isabel Munk, die froh über einen Werbefachmann im Team ist: „Er hat zum Teil ehrenamtlich ein Logo entworfen und die Internetseite erstellt.“ Die professionelle Aufmachung hat nicht geschadet: „Wir haben kalkuliert, dass wir 20 000 Euro Spenden brauchen und die haben wir beisammen.“ Der Kirchenbezirk habe eine Anschubfinanzierung in Höhe von 5000 Euro gewährt.
Großer Andrang von freiwilligen Helfenden
Auch in Sachen ehrenamtliche Helferinnen und Helfer war die Werbung sehr erfolgreich. „Wir können uns fast nicht retten vor Ehrenamtlichen, alle stehen parat und ich bin total geflasht“, sagt Isabel Munk und lacht. Jeden Tag seien 30 Leute im Team der Freiwilligen. „Viele Gruppierungen helfen mit und eine Firma wollte mit 20 Azubis kommen – da mussten wir leider sagen, dass nur zehn kommen können.“
Um das Essen kümmere sich ein im Catering erfahrener Metzger, dem drei weitere Berufsgenossen zulieferten. Für den ersten Tag hatte Isabel Munk 200 Essen geordert. „Es ist schwer einzuschätzen, wie viele Leute kommen“, sagt die Diakonin, die bedauert, dass im Zuge des Bahnstreiks so mancher Gast nicht kommen können wird. Willkommen sind im Martin-Luther-Haus alle, die Lust auf ein warmes Mittagessen in Gesellschaft und auf Kuchen zum Nachtisch haben. „Das zusammen Essen ist ein ganz wichtiger Aspekt“, betont Isabel Munk, die hofft, dass ganz verschiedene Leute sich gemeinsam an einen Tisch setzen und ins Gespräch kommen. Das Essen kostet 1,50 Euro, wer möchte, bezahlt mehr. Denn der Betrag deckt nur 30 Prozent der tatsächlich entstehenden Kosten. Während der Vesperkirchenzeit bietet ein Herrenfriseur täglich Gratis-Haarschnitte an, freitags und samstags ist auch eine Damenfriseurin vor Ort.
Eine zweite Auflage der Vesperkirche sei in Planung, sagt Isabel Munk. „Wir wollten aber erst einmal abwarten, wir wussten ja zum Beispiel nicht, wie viele Helfer sich melden. Was das angeht, hätten wir die Vesperkirche gut länger laufen lassen können.“
Mehr zum Thema findet man hier: www.vesperkirche-schorndorf.de
Vesperkirchen im Rems-Murr-Kreis
Backnang
Die Katholische Kirchengemeinde St. Johannes in Backnang organisiert seit bald 20 Jahren die Vesperkirche im Gemeindehaus St. Johannes in der Lerchenstraße 18. Von Anfang November bis Ende März sorgen Ehrenamtliche montags für ein warmes Mittagessen, das ab 12.30 Uhr ausgegeben wird, und für Kaffee und Kuchen. Köche und Kuchenbäcker können sich beim Pfarrbüro melden (0 71 91/686 52). Bedürftige zahlen für ein Mittagessen 1,50 Euro, Normalverdiener 4,50 Euro.
Schorndorf
Die Vesperkirche Schorndorf der evangelischen Gesamtkirchengemeinde läuft bis einschließlich Montag, 5. Februar, im Martin-Luther-Haus in der Friedrich Fischer Straße 1. Dieses ist von 11.15 bis 14 Uhr geöffnet, das Essen wird zwischen 12 und 13.15 Uhr serviert und kostet 1,50 Euro. Es gibt auch Kaffee und Kuchen
Winnenden
Seit diesem Winter gibt es in Winnenden jeden Montag eine Vesperkirche, welche im Saal unter der katholischen Sankt Karl Borromäus Kirche, Marienstraße 2, stattfindet. Die Öffnungszeiten sind von 11.30 bis 13.30 Uhr. Letztmals findet die Vesperkirche am 26. Februar statt. Die Preise liegen bei 1,50 Euro oder 4,50 Euro.