Mia Martin lebt in einer Bauhaus-Wohnung in München. Das Besondere: Das Gebäude hat die Form eines Zylinders – und eben keine geraden Außenwände.
„Es ist, wie auf einer Pizza Tetris zu spielen“, sagt Kristina Maria Martin, genannt Mia. Sie lebt mit Freund und drei Hunden in einer runden Dachterrassen-Wohnung, die aufwendig renoviert und von der 34-Jährigen kreativ-bunt eingerichtet wurde. Ihre Vorlieben: Pastelltöne, marokkanische Einflüsse, Design-Möbel der leuchtenden 80er Jahre und Kunst.
Es gibt keine tragende Wand, der Rundbau stützt sich ausschließlich über Stahlbetondecken und eine Säule.
Das optische Zentrum ist die Mittelsäule, gestrichen in sattem Yves-Klein-Blau. Sie ist aber nicht nur Hingucker, sondern auch architektonisch unverzichtbar für das Haus, das Anfang der 1970er Jahre gebaut wurde. Ein Bauhaus-Traum: „Das Architekturensemble wurde nach den Regeln von Le Corbusier erbaut“, erklärt Martin. Es gibt keine tragende Wand, der Rundbau stützt sich ausschließlich über Stahlbetondecken und eine Säule.
Die Fenster sind speziell angeordnet, es gibt einen Dachgarten, die Wände sind verschiebbar und selbst die Fassade könne ohne Einsturz eingerissen werden. Wie schön muss es hier in den 1970er Jahren gewesen sein: Der Architekt Joachim Jakob hat gemeinsam mit dem Landschaftsarchitekten Stephan Müller das Ensemble auf einem knapp 4000 Quadratmeter großen Gartengrundstück entworfen.
Der Architekt Jakob war vermutlich inspiriert vom BMW-Hochhaus, dem 4-Zylinder-Gebäude, das etwa zur selben Zeit gebaut wurde. Martin brauchte bei der Besichtigung vor allem viel innenarchitektonische Vorstellungskraft, um eine Wohnung mit runder Außenwand neu zu gestalten. Der Zustand der Wohnung war stark in die Jahre gekommen, zudem uneinheitlich: Terrakottafliesen im Wohn-Ess-Bereich, Kork im Bad, die Wände holzvertäfelt.
Dennoch verliebte sich die junge Agenturbesitzerin in den Ort: „Ich habe schon immer von einer außergewöhnlichen Immobilie geträumt.“ Eingezogen sind sie im März 2019, die ersten Tage gab es noch kein warmes Wasser, die Wohnung war noch eine ganze Weile im Baustellenmodus. Das große Problem: wohin mit den Schränken? So wurden alle Möbel, die keine Kleinmöbel sind, maßgefertigt. „Die größte Herausforderung war jedoch, den Räumen Struktur zu geben“, sagt Martin. „Wenn man es gewohnt ist, in quadratischen Räumen zu leben, fällt einem das doch sehr schwer. Es ist schon speziell, aber für mich ganz besonders.“
Drei Zimmer, 94 Quadratmeter
Martin und ihr Partner wohnen auf 94 Quadratmetern in drei Zimmern – und eben in einem Rund. Das gesamte Wohnhaus hat die Form eines Zylinders, die Außenwände sind gebogen. Es gibt keinen großen Keller, deshalb brauchte es Einbauschränke, die für Stauraum sorgen. Sie wurden einfach die Wände entlang gezogen. „Eine zusätzliche Herausforderung für den Schreiner war, dass sich die Decke nach außen hin öffnet. Er hat ganz schön geflucht, weil es nicht leicht ist, hier Maß zu nehmen.“
Über den Bodenbelag wollte sie etwas Ruhe in der Wohnung schaffen. Doch nur ein Anbieter aus München konnte ihr den Mikrozementboden realisieren. „Ich wollte den Räumen durch das Fugenlose mehr Großzügigkeit geben“, sagt Martin. Kücheninsel samt Arbeitsplatte sind aus demselben Material gestaltet.
Wer Mia Martins Wohnung betritt, wird durch keinen Flur in Empfang genommen, sondern steht gleich mittendrin: im Blick voraus die Küche in Pastellfarben, links der Essbereich und etwas links davon das große Sofa. Mittendrin: die Säule. Mia Martin hat einen besonderen Stil, weit weg vom derzeit so angesagten kühlen Scandi-Chic.
Sie mag es bunt und verspielt. Sie umschreibt es folgendermaßen: „Ein bisschen 70er-Jahre-Glam trifft auf 80er-Jahre-Memphis-Milano“, so Martin, die mit den Jahren immer mutiger und immer bunter wurde.
Die gebürtige Allgäuerin ist Kreativdirektorin, hatte schon während ihres Studiums eine eigene Agentur gegründet, ihre Anteile aber verkauft, als sie merkte, dass sie doch am liebsten kreativ arbeitet, statt sich nur um die Geschäftsführung zu kümmern.
Jetzt kümmert sie sich kreativ um ihren Einrichtungsstil, der sich stetig wandelt, und dokumentiert das auf ihrem Instagram-Interior-Blog @mehr.von.mia. Eine Konstante aber ist etwa Marokko, ein Land, das sie liebt. Im Bad kamen handgemachte marokkanische Keramikfliesen zum Einsatz. Und auf jedes Detail legt sie Wert: So passen etwa die Lichtschalter zu den Möbelknäufen.
Das offene Wohnkonzept liebt sie sehr. „Durch die Geschichte der Immobilie und ihren besonderen Grundriss habe ich eine weitere Form gefunden, meine Kreativität auszudrücken“, so Martin. „Die Wohnung wurde zu meinem Medium, und das hat ganz viel mit der außergewöhnlichen Form zu tun.“
Barhocker von Industriedesigner Konstantin Grcic, schwarzer Samtstuhl von Tom Dixon
Martin liebt besondere Möbel: Da gibt es Barhocker von Industriedesigner Konstantin Grcic, einen schwarzen Samtstuhl von Tom Dixon, den „Bold Chair“ von Moustache und Kunst des Berliner Künstlers Mike Klar an den Wänden. Manche Menschen verlieren die Orientierung, wenn sie zu Gast sind, haben das Gefühl, die Wohnung würde sich bewegen. „Irgendetwas macht die Wohnung mit einem“, so Martin. Es ist kaum abzuschätzen, wie groß die Zimmer sind. Das Auge bekommt es nicht richtig erfasst. Ihr Lieblingsplatz? „Im Sommer ist es die Dachterrasse“, sagt Martin. Hier wird auch mal unterm Moskitonetz übernachtet. Dort steht ein Bett, mittendrin – und ganz ohne Wände.
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