Der Nexios steht im Böblinger Depot bereit. Fahren darf er wegen Bremsproblemen wohl noch 18 weitere Monate nicht. Foto: /Stefanie Schlecht

Auf der Schönbuchbahn sollten eigentlich längst neue Züge rollen. Doch der spanische Hersteller CAF hatte falsche Bremsen eingebaut. Nun ist klar: Der Umbau dauert mindestens bis März 2024. Im Landratsamt ist man verärgert und will sich jetzt nach anderen Fahrzeugen umschauen.

Die erneute Hiobsbotschaft kam am 30. September in einem Brief aus Spanien. Der Eisenbahnhersteller CAF erklärte dort, dass die neuen elektrischen Fahrzeuge für die Schönbuchbahn wegen der noch nicht gelösten Bremsproblematik eine weitere Warteschleife drehen müssen, bis sie auf der Trasse rollen. März 2024 lautet das neue Startdatum, das der spanische Hersteller nun zusichert. Damit stünden die Züge, die CAF eigens für die Schönbuchbahn entwickelt hat, fast drei Jahre später als ursprünglich einmal vereinbart auf dem Gleis.

 

Mit dem Brief reagierte CAF im letzten Augenblick auf ein vom Zweckverband Schönbuchbahn im Sommer gesetztes Ultimatum, das am 30. September abgelaufen wäre. Darin forderten die Bahnverantwortlichen einen „belastbaren Zeitplan“, der aufzeigt, bis wann die Fahrzeuge einsatzbereit sind. Was die Böblinger Bahnlenker jetzt zu lesen bekamen, gab wenig Anlass zur Freude. „Der Plan ist zwar nun da“, kommentiert Landrat Roland Bernhard das Schreiben, „aber leider erfüllt der Inhalt unsere Erwartungen absolut nicht.“

Wie mehrfach berichtet, erhält die Fahrzeug-Neuentwicklung vom Eisenbahnbundesamt keine Zulassung, weil die Bremsen nicht den Kriterien des Betriebes für eine Nebenbahn entsprechen, auf der Geschwindigkeiten bis 100 Stundenkilometer erreicht werden. Da die eingebauten Bremsen denen einer Straßenbahn gleichen, werden die Grenzwerte für die Verzögerung kurz vor dem Stillstand überschritten. Der „Ruck“ am Ende des Bremsvorgangs ist zu heftig. Die Prüfer befürchten, dass die Fahrgäste bei einer Schnellbremsung stürzen könnten. Ein Problem, das im Sommer 2021 auftauchte. Seither steht der Einsatz des „Nexios“, der einst auch als Hoffnungsträger für weitere Strecken gehandelt wurde, in den Sternen.

Lösung per Software braucht viel Zeit

Nun hat man bei CAF wohl eine Lösung des Problems per Software gefunden. Dies bewahrt den Hersteller zwar vor einer kompletten Neukonstruktion der Bremse, nimmt aber viel Zeit in Anspruch. CAF geht davon aus, dass es ein Jahr dauern wird, bis das Computerprogramm entwickelt und die notwendigen Tests an den Fahrzeugen vorgenommen worden sind. Das Genehmigungsverfahren wird weitere vier Monate in Anspruch nehmen. Und wenn die zwölf Züge – Komplettpreis rund 60 Millionen Euro – erst einmal schienenreif sind, heißt das noch lange nicht, dass sie gleich ihre Arbeit aufnehmen können. Denn dann muss erst das Fahrpersonal eingelernt werden. Hierfür rechnet man beim Zweckverband mit weiteren Wochen. Heißt: Vor April/Mai 2024 ist wohl nicht mit dem Einsatz zu rechnen.

Mit dieser Perspektive möchten sich die Schönbuchbahn-Verantwortlichen nicht zufrieden geben. Schließlich ist die Strecke nun bald drei Jahre lang elektrifiziert und wird teilweise immer noch mit Dieseltriebwagen gefahren. Den Restbetrieb übernehmen geliehene Elektrofahrzeuge, die nicht optimal für diese Strecke sind, weil sie zu viel wiegen, nicht genau an die Bahnsteige passen und auch nicht den Komfort bieten, mit dem der Nexios aufwarten soll. Hinzu kommen die erheblichen Kosten für die Leihfahrzeuge und die Umweltbelastung durch die Dieselzüge. Im Landratsamt wird daher gerade an einem Brief formuliert, in dem auf eine beschleunigte Lösung des Bremsenproblems gepocht wird. „Wir werden CAF darauf drängen, dass die Triebzüge noch im Jahr 2023 ausgeliefert werden können“, erklärt Landrat Roland Bernhard.

Wird das neue Fahrzeug ausgemustert?

Bei bloßen Worten soll es dieses Mal aber nicht bleiben. Walter Gerstner, Geschäftsführer des Zweckverbandes Schönbuchbahn, möchte nun auch handeln. „Wir prüfen gerade, ob es Alternativen zum Einsatz eines Nexios auf dem Markt gibt“, sagt er. Diese sollen dann einem Tauglichkeitstest vor Ort unterzogen werden. Gerstner würde hierfür gerne ein Wochenende lang mit diesen Fahrzeugen einen Probebetrieb auf der Schönbuchbahn-Trasse fahren. „Wir wollen uns das auf der Strecke mal anschauen“, erzählt er. Dabei soll vor allem geklärt werden, ob die Züge die Kriterien wie Fahrzeit und Lärmentwicklung erfüllen. Vielleicht müssen die bereits aus Spanien gelieferten Züge dann endgültig im Depot bleiben, und der Nexios wird ausgemustert, bevor er die ersten Passagiere befördert hat.