Am Sonntag konnten Bürgerinnen und Bürger kostenlos die neuen Elektro-Züge der Schönbuchbahn ausprobieren. Bis auf ein Detail waren alle Fahrgäste zufrieden mit der neuen Bahn.
Am Sonntag um kurz vor 11 Uhr füllt sich der Bahnsteig am Böblinger Bahnhof langsam mit Menschen. Unter den wartenden Bahnfahrenden tummelt sich auch ein bekanntes Gesicht: Landrat Roland Bernhard, der seinen Enkel an der Hand hält. Es ist der erste Tag, an dem die neuen Elektro-Züge der Schönbuchbahn auf der Strecke zwischen Böblingen und Dettenhausen im Einsatz sind. Zur Feier des Tages dürfen alle Fahrgäste kostenlos fahren – ein Angebot, dass sich offenbar auch Landrat Bernhard nicht entgehen lassen will.
Leise fährt der neue, vollelektrifizierte Zug in den Bahnhof ein – nach vier Jahren des Wartens ist der Umstieg von Diesel- auf Elektroantrieb auf der Strecke endlich geschafft. Die Fahrgäste steigen ebenerdig ein und werden von angenehmen Temperaturen in den Waggons begrüßt. An den blauen Sitzen sind jeweils Steckdosen angebracht – alles ist neu, sogar der Geruch. Landrat Bernhard mischt sich unter die Fahrgäste. „Sind Sie der Landrat?“, fragt ein junger Mann direkt. „Es ist super, dass Sie sich für die neuen Züge eingesetzt haben, das ist nicht selbstverständlich“, lobt der Fahrgast.
Der Weg hin zur Elektrifizierung der Schönbuchbahn war lang
Es war ein langer Weg hin zur Elektrifizierung der Schönbuchbahn: Im Jahr 1966 wurde der Betrieb der Schönbuchbahn nach 55 Jahren aufgegeben. Erst im Dezember 1996 wurde der Betrieb wieder aufgenommen. Die Reaktivierung ist auch Lokalpolitikern zu verdanken, die sich in dieser Zeit vehement für die Wiederinbetriebnahme der Schönbuchbahn eingesetzt haben. Es ist ein jahrzehntelanges Projekt, das nun einen Abschluss gefunden hat.
Einer der frühen Befürworter der Bahn ist der ehemalige Holzgerlinger Stadtrat Heinz Renz (BNU), der sich am Sonntag die kostenlose Fahrt und die Holzgerlinger Hocketse an der Haltestelle Hülben ebenfalls nicht entgehen lässt. „Die Schönbuchbahn ist ein Beweis dafür, dass Bürger etwas bewegen können“, sagt Renz. Denn die Reaktivierung in den 90ern war keinesfalls ein Selbstläufer. Die große Frage war damals, ob sich ein solches Projekt überhaupt lohnt. Heute ist die Antwort klar: Mit der Elektrifizierung der Strecke rechnet man in Zukunft mit rund 14 000 Fahrgästen pro Werktag. Sie ist zum zentralen Transportmittel zwischen Dettenhausen und Böblingen geworden. Mit vielen weiteren Unterstützern sammelte Heinz Renz in den 90ern im Vorfeld der Reaktivierung rund 1400 Unterschriften für das Projekt. „Wir glauben, dass das einen Wert gehabt hat“, sagt er rückblickend.
Die neuen Züge kommen bei den Fahrgästen durchweg gut an: Angenehm, leise und sauber. Da sind sich alle einig. Schließlich mussten die Bahnfahrer auch lange auf die neuen Gefährte warten: Probleme bei der Zulassung der Züge hatten die Einweihung um mehrere Jahre verzögert.
Der zehnjährige Moritz und sein Vater Michael Müller aus Böblingen nutzen die kostenlose Bahnfahrt an dem Tag, um den neuen Schulweg zu erkunden. Im kommenden Schuljahr wird Moritz nämlich eine Schule in Holzgerlingen besuchen – da ist die Schönbuchbahn das Transportmittel der Wahl. Der Schüler ist begeistert, wie leise die Bahn fährt. „Das ist schon anders als eine Diesellok“, sagt der Zehnjährige.
Der laute Piepston der Türen fällt vielen Fahrgästen negativ auf
Auch drei Seniorinnen aus Altdorf sind am Sonntag mit der Schönbuchbahn unterwegs. Ihr Ziel ist Böblingen. Besorgt schauen sie aus dem Fenster in Richtung des bewölkten Himmels. Ob ihr Ausflug wohl einem heftigen Regenschauer zum Opfer fällt? „Dann bleiben wir einfach sitzen und fahren den ganzen Tag Bahn“, scherzt die eine. Ab und zu seien sie bereits mit den alten Zügen der Schönbuchbahn gefahren. „Die neuen Züge sind wunderbar und auch die Verbindung mit dem Bus nach Altdorf klappt gut“, sind sich die Altdorferinnen einig. Das einzige Manko ist an diesem Tag der laute Piepston der Türen, der jedes Mal ertönt, wenn sie geöffnet und geschlossen werden.
Rund eine Woche werden die Elektro-Züge der Schönbuchbahn nach Fahrplan auf der Strecke unterwegs sein. Ab dem 2. August müssen sich Fahrgäste allerdings auf Bauarbeiten gefasst machen. Der Regelbetrieb startet dann erst wieder ab dem 23. August – zwischen Böblingen und Holzgerlingen fährt die Schönbuchbahn dann wieder im Viertelstundentakt. Etwas, auf das sich viele Fahrgäste bereits jetzt freuen. Denn die größte Hoffnung unter den Bahnfahrenden ist, dass die neuen Züge regelmäßig, pünktlich und ohne größere Zwischenfälle fahren.
Schönbuchbahn
Bauarbeiten
Aufgrund von Instandhaltungsmaßnahmen zwischen Holzgerlingen und Dettenhausen verkehren die Züge ab 2. August bis zum 22. August nur zwischen Böblingen und dem Holzgerlinger Bahnhof und nur im Halbstundentakt. Zwischen Dettenhausen und Holzgerlingen wird ein Schienenersatzverkehr eingerichtet.
Historie
Die Schönbuchbahn führt von Böblingen nach Dettenhausen im Kreis Tübingen. Die 17 Kilometer lange Strecke war lange stillgelegt, wurde 1996 reaktiviert. Schnell wuchsen die Fahrgastzahlen an. Zwischen 2017 und 2019 arbeitete der Zweckverband Schönbuchbahn als Betreiber an einer Modernisierung der Trasse. Ziel war der 15-Minuten-Takt mit vollelektrischen Zügen.