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Der 17-jährige Marcel Schliebs schreibt für den Südwestrundfunk einen Blog aus den USA. Dafür ist er ausgezeichnet worden.

Schönberg - Die Deutschen nennen es Oberflächlichkeit, doch er nennt es schlichtweg Freundlichkeit. Marcel Schliebs macht keinen Hehl daraus, dass er dem Land, in dem er seit Monaten als Austauschschüler lebt, große Sympathie entgegenbringt. „Amerika hat einen anderen Menschen aus mir gemacht“, schreibt der 17-Jährige in seinem Reiseblog. Offener, optimistischer, extrovertierter – Schliebs Wohlfühl-Droge ist die amerikanische Mentalität. Der Jugendliche aus Schönberg spricht gelassen aus, was ein Sakrileg ist für rechte Kulturkonservative und linke Anti-Amerikaner in Europa: Das Leben im Konsumparadies USA mit seiner Kundenorientierung kann ganz schön angenehm sein. Gerade für einen Ausländer, der sich in dem Einwanderungsland immer irgendwie unter Seinesgleichen fühlt. Gleichzeitig beobachtet er, wie vielen Amerikanern das Easygoing immer mehr vergeht in der endlos scheinenden Finanz- und Wirtschaftskrise. Schliebs nennt das die Gute-Laune-Maske, hinter der sich nicht selten die blanke Zukunftsangst verbirgt.

Seit August 2011 schreibt Schliebs nun regelmäßig über ein Land, in dem es gärt. Er schreibt seinen Reiseblog dabei so, als würde er die Vorurteile gegen die USA nicht kennen, die oft genug mit Schaum vor dem Mund vorgetragen werden. Seine Unbefangenheit kommt an. Der Südwestrundfunk (SWR) hat Schliebs nach einem Schülerpraktikum im vergangenen Jahr angeboten, seinen Blog auf der SWR-Homepage zu veröffentlichen. Er ist mittlerweile sogar in Frankreich populär: Das Internet-Reiseportal „easyvoyage“ mit Sitz in Paris wählte Schliebs Blog zu einem der drei besten USA-Blogs. Marcel Schliebs hat eine ganz einfache Antwort, wie er das alles mit nur 17 Jahren geschafft hat. „Ich versuche, immer alles zu versuchen.“ Die Internationale Redaktion des SWR habe er einfach gefragt – und prompt eine Zusage von dem Sender gekommen.

Kommentare zum Wahlkampf

Der Blogger ist allerdings Gymnasiast und kein ausgebildeter Journalist. Dennoch besucht er Märsche der kapitalismuskritischen Occupy-Bewegung oder kommentiert den Wahlkampf des ultrakonservativen Republikaners Newt Gingrich. Ein Experiment, das funktioniert. Denn Schliebs widersteht der Rolle des Besserwissers. Stattdessen kommentiert er für seine 17 Jahre zwar beeindruckend analytisch, drückt aber immer auch seine eigenen Empfindungen aus. Sein Blog erfüllt so den Sinn des Wortes „Web-Log“, also Internet-Tagebuch.

In den kommenden Monaten will sich Schliebs verstärkt den Wahlen widmen, die in diesem Herbst über eine zweite Präsidentschaft Barack Obamas entscheiden. In North Carolina ist er dabei an der richtigen Stelle. Denn die Demokraten werden den Parteitag, an dem sie Obama als Kandidaten für das Weiße Haus nominieren wollen, in Charlotte abhalten, der größten Stadt North Carolinas. Der Vater aus Schliebs Gastfamilie wird als Parteimitglied dabei sein, und er wird Schliebs mitnehmen.

Im Mai steht zudem ein Praktikum beim ARD-Studio in Washington an, und ein ähnliches Angebot hat ihm auch schon die Redaktion von „easyvoyage“ in Paris gemacht, sagt Schlieb. Vielleicht sind das die ersten Stationen auf dem Weg zu seinem Traumjob Auslandskorrespondent. Der 17-Jährige will Journalist werden und das tun, was er jetzt schon mit Leidenschaft tut: aus einem anderen Land berichten. Die Umbrüche in der Medienbranche beunruhigen ihn dabei nicht. „Mir ist es egal, ob ich später mal für eine Zeitung schreibe, die gedruckt wird, oder nur noch für das Netz“, sagt Schliebs. Außerdem wird er zumindest versuchen, es zu versuchen.