Zehn Jahre urteilte Michael Gommel als Schöffe am Ludwigsburger Amtsgericht. Nun hört er auf. Foto: factum/Granville

Michael Gommel aus Ditzingen entscheidet als Jugendschöffe am Amtsgericht Ludwigsburg mehrmals im Jahr über die Zukunft von jungen Straftätern. Als ehrenamtlicher Richter hat er eine große Verantwortung.

Ditzingen - Körperverletzung, Diebstahl, Sachbeschädigung, Drogenhandel und -missbrauch: Michael Gommel aus Ditzingen trifft als Schöffe des Jugendgerichts am Amtsgericht Ludwigsburg viele junge Menschen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Junge Menschen, über die der 61-Jährige als Laienrichter urteilen muss. „Als Schöffe hat man eine große Verantwortung“, sagt Gommel. Schließlich zählt bei der Urteilsfindung die Stimme der Schöffen so viel wie die der Berufsrichter.

Das sei mit ein Grund gewesen, warum er sich „ernsthaft überlegte“, ob er dem Amt gerecht werden würde, sagt Gommel. Dann bewarb er sich als Jugendschöffe, zumal zum damaligen Zeitpunkt seine Töchter 13 und 15 Jahre alt waren und er sich in Waldheimen engagierte. „Jugendschöffen sollten einen Zugang zur Lebenswelt und zur Denkweise von Jugendlichen haben und ihre Sprache verstehen“, sagt Gommel. Er arbeitet beim Stuttgarter Kulturamt und hat in seiner Ausbildung zum Verwaltungsbeamten zwar Inhalte des Straf- und Zivilrechts gelernt. Grundsätzlich müssen Schöffen aber keine juristische Ausbildung mitbringen. „Dafür gesunden Menschenverstand, Einfühlungsvermögen und Unvoreingenommenheit“, meint Gommel. Er nennt das Schöffenamt eine „herausfordernde Aufgabe“, die er „sehr gern“ gemacht habe. Trotzdem kandidiert er nach zehn Jahren nicht mehr. „Nach zwei Amtsperioden muss ich pausieren. Zudem bin ich nicht mehr so nahe an den Jugendlichen dran.“

Ohne Vorurteile in die Verhandlung gehen

Worum es in einem Fall geht, erfahren Schöffen erst kurz vor der Verhandlung. Vorbereiten muss Gommel sich also nie. „Man soll ohne Vorurteile an einen Fall herangehen“, weiß der 61-Jährige. Rund zehn Verhandlungen hat er im Jahr, eine Übersicht bekommt er zum Jahresbeginn. In der Regel sind Verhandlungen am Amtsgericht nach wenigen Stunden beendet. Während der Verhandlung sieht Gommel Fotos von Tat und Tatort und darf den Angeklagten und Zeugen Fragen stellen. Nach der Beweisaufnahme ziehen sich Richter und Schöffen zur Beratung zurück. Ist der Angeklagte nun schuldig – oder unschuldig? „Wir haben immer kontrovers diskutiert. Es ist bemerkenswert, dass Schöffen dasselbe Recht haben wie Berufsrichter“, sagt Gommel, der sich von den Richtern ernstgenommen gefühlt hat. Bei der Urteilsfindung gilt die Zwei-Drittel-Mehrheit. Demnach können beim Jugendgericht die Schöffen den Berufsrichter überstimmen. „Mir ist das bisher aber noch nicht passiert“, sagt Gommel.

„Enormes Interesse“ am Schöffenamt

Das Schöffenamt ist begehrt, zumindest im Südwesten. Im Strohgäu bewerben sich bei jeder Wahl mehr Bürger, als, gemessen an der Einwohnerzahl, nötig sind. „Es gibt derzeit genug Bewerber. Das Interesse ist enorm, auch die Informationskurse haben einen riesigen Zulauf“, sagt Robert Gunderlach. Der Vorsitzende des Schöffenverbands Baden-Württemberg stellt fest, dass manche Menschen falsche Vorstellungen vom Schöffenamt haben. Zwar kann man wählen, ob man ans Jugendgericht will oder ans Gericht für Erwachsenenstrafrecht. Keinen Einfluss darauf hat man aber, ob man später am Amts- oder Landgericht tätig ist. Und das macht einen Unterschied: Tendenziell dauern Verhandlungen am Landgericht länger, weil dort über höhere Strafen entschieden wird. „Dessen muss man sich bewusst sein“, sagt Gunderlach. Denn wer zum Schöffen ernannt wird, muss das Amt verbindlich ausüben und zu jedem Prozesstag erscheinen. Ausnahmen sind streng geregelt. Gunderlach rät daher: „Auch wenn der Arbeitgeber per Gesetz verpflichtet ist, den Mitarbeiter freizustellen, sollte dieser um des Friedens willen vor der Bewerbung klären, wie man seine Abwesenheit deichseln kann.“

Für Michael Gommel ist jeder Prozess spannend, weil anders. Er findet es „positiv“, dass bei jungen Tätern erzieherische Maßnahmen im Vordergrund stehen – das fruchte bei den Jugendlichen. Wenngleich nicht bei allen: Manchmal sitzt ein junger Mensch erneut auf der Anklagebank. Meist aber hat Gommel das Gefühl, „jemandem auf den richtigen Weg geholfen zu haben“.

Fakten rund um die Schöffenwahl 2018

Schöffenwahl Dieses Jahr ist die Schöffenwahl in Baden-Württemberg für die Amtsperiode von 2019 bis 2023. Laienrichter werden für fünf Jahre gewählt. Bewerben können sich Bürger zwischen 25 und 69 Jahren. Vom Ehrenamt ausgeschlossen ist, wer zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt wurde, gegen den ein Ermittlungsverfahren wegen einer schweren Straftat läuft oder wer einen Justizberuf ausübt. Schöffen erhalten eine Entschädigung von maximal 24 Euro je Stunde, bei längeren Prozessen kann sie höher sein.

Bewerbung Bewerbungen nehmen die Kommune entgegen, die dann Vorschlagslisten erstellen. Die Wahl selbst findet in einem Ausschuss am Amtsgericht statt. Das Bewerbungsformular und den Bewerbungsschluss findet man auf den Homepages der Kommunen, Formulare gibt es unter www.schoeffenwahl.de. Dort gibt es zudem weitere Informationen, ebenso unter www.schoeffen-bw.de. Wer Jugendschöffe werden will, wendet sich an Birgit Seiberling vom Landratsamt Ludwigsburg, telefonisch unter 0 71 41 / 144 45 142 oder per Mail: birgit.seiberling@landkreis-ludwigsburg.de. Hier ist der 31. März der Bewerbungsschluss.