EU-Recht schreibt vor, dass jede Zigarettenschachtel, die ab Ende Mai produziert wird, mit Schockerfotos vor den Gefahren des Rauchens warnt. In Deutschland könnten andere Fristen gelten.

Berlin - Die Bundesregierung nimmt nach Recherchen unserer Zeitung ein EU-Vertragsverletzungsverfahren in Kauf, um der Tabakindustrie entgegen zu kommen.

Laut EU-Tabakproduktrichtlinie darf in allen Mitgliedsländern ab 20. Mai keine Zigarettenschachtel mehr ohne Schockerfotos produziert werden, die auf Lungenkrebs und andere Gefahren des Rauchens aufmerksam machen. Die Koalition sucht aber nach Wegen, um den deutschen Herstellern die Produktion der alten Schachteln noch bis Ende des Jahres zu erlauben.

Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) forderte bei einer Regierungsbefragung die Abgeordneten unmissverständlich auf, im Zuge des parlamentarischen Verfahrens des von ihm federführend betreuten Tabakgesetzes noch Änderungen bei den Herstellungsfristen vorzunehmen. Schmidt sagte: „Wenn im Zuge der Beratungen sich Änderungen bei den Fristen ergeben sollten, liegt das in der Hand des Bundestages.“ Zudem liegt unserer Zeitung eine Gesprächsnotiz vor, die der Chef des Zigarettenverbandes nach einem Telefonat mit dem Staatssekretär im Kanzleramt in der Sache geführt hat. Darin heißt es: „Man habe sich darauf verständigt, dass die Bundesregierung bei entsprechenden Änderungen im parlamentarischen Verfahren den Antragstellern nicht in den Arm fallen werde.“ Ein „Zeitraum bis 31.12.2016“ sei vorstellbar.

Auch die Abgeordneten sind offen für Änderungen. CDU-Berichterstatterin Kordula Kovac: „Wir werden uns die Fristen noch sehr genau ansehen“. Rainer Spiering (SPD) drängt immerhin auf eine EU-konforme Lösung. Klar ist: Sollte die Frist verlängert werden, wird die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten, das Bußgelder in Millionenhöhe nach sich ziehen kann.