Auf einer spanischen Zigarettenpackung ist ein Bild einer Raucherlunge abgebildet. Mit Horrorbildern auf Zigarettenschachteln will die EU die Europäer vom Griff zum Glimmstängel abhalten Foto: dpa

Die EU-Länder haben zwei Jahre Zeit, um neue Maßnahmen gegen das Rauchen in nationales Recht umzusetzen. Es sollen auch größere Warnhinweise auf den Schachteln kommen.

Berlin - Die Zigarettenindustrie versucht, auf dem Klageweg die Beschlüsse des EU-Parlaments für eine schärfere Regulierung von Tabakprodukten noch auszubremsen. Nach Informationen unserer Zeitung setzt sie dabei auf den Rechtsweg. Zum einen will die Industrie über einen Umweg in England klagen. Zum anderen soll Polen als EU-Mitgliedsstaat sein Recht wahrnehmen, gegen die Tabakproduktrichtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zu klagen. Die Konzerne selbst können vor dem EuGH nicht klagen.

Das Europaparlament hatte im Februar beschlossen, dass binnen zwei Jahren die Warnhinweise auf Zigarettenschachteln 65 Prozent von der Vorder- und der Rückseite bedecken müssen. Auch auf 50 Prozent der Packungsseiten muss künftig mit Hinweisen wie „Tabakrauch enthält über 70 Substanzen, die erwiesenermaßen Krebs erregen“ auf die Gefahren des Rauchens hingewiesen werden. Schockerfotos, die Krebsgeschwüre zeigen, werden ebenfalls Pflicht.

Die Mitgliedsstaaten der EU haben nun zwei Jahre Zeit, um die meisten der Maßnahmen in nationales Recht umzusetzen. Wenn die Konzerne überhaupt noch etwas gegen die drohenden Maßnahmen anrichten können, dann darf nicht mehr viel Zeit verloren werden. Wenn nämlich erst einmal die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt ist, ist eine Klage vor den nationalen Gerichten nicht mehr möglich. Hinzu kommt: Das Drucken von neuen Zigarettenschachteln ist sehr teuer. Daher streben die Tabakkonzerne Rechtssicherheit an, bevor sie mit den Vorbereitungen für die Umstellungen beginnen.

Die polnische Regierung klagt gegen die Richtlinie, weil sie das Verbot von Mentholzigaretten nicht hinnehmen will. Man muss wissen: Während Mentholzigaretten hierzulande kaum mehr geraucht werden, haben sie im Nachbarland einen hohen Marktanteil. Die polnische Regierung argumentiert vor dem EuGH, Mentholzigaretten seien seit 1953 auf dem polnischen Markt und sollten daher von der EU als Traditionsprodukt behandelt werden. In Polen werden Mentholzigaretten an sechs Standorten produziert. 70 Prozent der Produktion werde exportiert. Davon gehe die Hälfte in andere EU-Mitgliedsländer. Polen vertritt in der Klage die Ansicht, das vorgesehene Verbot von Mentholzigaretten werde gravierende wirtschaftliche Auswirkungen für Polen haben.

Die zweite Klage gegen die Tabakproduktrichtlinie strengt der Hersteller Philip Morris ( zu dem unter anderem Marlboro gehört) in England an. Der Konzern, der seinen Sitz in der Schweiz hat, reichte eine Klage beim höchsten britischen Gericht, dem High Court, ein. Juristisch wird der Umweg über England deswegen gemacht, weil nur hier ein so genanntes Vorlageverfahren möglich ist. Das heißt: Sollte das britische Gericht die Klage von Philip Morris annehmen, würde die Kammer die aufgeworfenen juristischen Fragen direkt an den EuGH weiterleiten. Der EuGH müsste sich dazu dann abschließend äußern.

Unserer Zeitung liegt das Schreiben der Londoner Kanzlei vor, mit dem die Unrechtmäßigkeit der Richtlinie begründet werden soll. Philip Morris wirft der EU darin vor, mit der Richtlinie ihre Kompetenzen überschritten zu haben. Die EU dürfe etwa nur die Bereiche regeln, in denen die Mitgliedsländer ihre Kompetenzen an Brüssel abgegeben hätten. So lägen die Kompetenzen für den Bereich Gesundheit noch bei den Mitgliedsstaaten. Die Tabakproduktrichtlinie greife nun aber explizit in den Bereich Gesundheit ein, argumentieren die von Philip Morris beauftragten Juristen in dem Schreiben.