Noch immer sind Anrufbetrüger mit perfiden Maschen im Kreis Böblingen erfolgreich. Foto: Eibner-Pressefoto/Fleig

Die Zahl der Telefonbetrugsfälle im Kreis Böblingen, bei denen Senioren um Tausende Euro gebracht werden, reißen nicht ab. Vertreter von Kreissparkasse Böblingen und Staatsanwaltschaft Stuttgart erklären, wie sie in Wirklichkeit vorgehen, wenn es einer Kontaktaufnahme bedarf.

Eigentlich ist der Enkeltrick, der falsche Polizist, Staatsanwalt oder Bankmitarbeiter keine Neuigkeit mehr. Wöchentlich berichten Medien von haarsträubenden Fällen, in denen Telefonbetrüger Senioren um Zigtausende Euro bringen. Auch die vermeintliche Tochter, deren Handy kaputt gegangen ist und die deshalb keine Banküberweisung mehr tätigen könne, ist eine beliebte Methode der Kriminellen.

 

Im Kreis Böblingen erbeuten Tätergruppen trotzdem noch immer erhebliche Geldbeträge. In Sindelfingen etwa ist im Mai eine 71-jährige Frau auf eine Whatsapp-Nachricht hereingefallen, der zufolge ihre angebliche Tochter finanzielle Hilfe brauchte. Welche Summe die Dame überwies, war nicht bekannt. Auch in Weil der Stadt und Leonberg gelang es Betrügern jüngst, jeweils vierstellige Beträge zu ergaunern. In Böblingen kam es im August zu einem folgenreichen Anruf. Ein 82-Jähriger wurde unter dem Vorwand, sein Sohn habe einen Unfall verursacht, nach Stuttgart gelockt. Dort hatte der Mann Tausende Euro an eine Frau übergeben. Der 82-Jährige wollte damit eine angeblich drohende U-Haft abwenden.

Fälle bleiben kreisweit hoch

Laut dem Sicherheitsbericht der Polizei von 2022 wurden im Kreis Böblingen 55 Fälle des „falschen Polizeibeamten“ registriert. Zusammen mit dem Kreis Ludwigsburg erbeuteten die Täter insgesamt 557 000 Euro. Opfer des Enkeltricks oder des Schockanrufs wurden kreisweit 21 Personen. Ludwigsburg hinzugerechnet, entstand bei 15 vollendeten Fällen ein Schaden von 413 000 Euro. 2022 wurden in den beiden Kreisen 50 Fälle des „WhatsApp-Betrugs“ registriert. Acht vollendete Fälle verursachten einen Schaden von knapp 28 000 Euro. Weil nicht alles angezeigt wird, ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.

Nach Ansicht der Polizei haben die Betrugsmaschen Erfolg, weil Menschen unter Druck gesetzt werden, indem sie diese durch die geschickte Gesprächsführung glauben lassen, ein enges Familienmitglied sei in Not geraten und nur durch eine Geldzahlung vor schwerwiegenden Konsequenzen zu bewahren. Außerdem gehen die Angerufenen davon aus, dass es sich bei den Gesprächspartnern um Vertrauenspersonen handelt: Polizeibeamte, Bankmitarbeiter, Staatsanwälte, Familienangehörige. Auch das Anzeigenlassen einer echten Telefonnummer oder der Einsatz real klingender Stimmen von Familienmitgliedern durch KI wird genutzt.

Bankmitarbeiter sind sensibilisiert und schreiten weiter ein

Damit die Forderungen möglichst schnell erfüllt werden können, suchen Betroffene meist den direkten Weg zu ihrer Bank. Am Schalter holen noch immer verzweifelte Senioren hohe Beträge oder überweisen diese online – wie Miriam Höhn, Pressesprecherin der Kreissparkasse Böblingen, bestätigt: „Betrugsmaschen kommen weiterhin vor.“ Aber auch aufmerksame Mitarbeiter, die das verhindern, sagt sie. So sei es zuletzt in Böblingen gelungen, einen größeren Betrug zu verhindern. Um den Banden nicht das Feld zu überlassen, werde bei der Kreissparkasse weiter geschult. „Unsere Schulungen sind immer auf dem aktuellen Stand. In Teamrunden sowie im Intranet können wir Mitarbeitende schnell informieren, sollten Betrugsversuche zunehmen oder neue Maschen auftauchen. Aktuell sind Betrugsversuche via WhatsApp zentral“, erklärt Höhn.

Wie aber würde eine Bank wie die Kreissparkasse vorgehen, wenn die Fälle von Problemen beim Online-Banking, die falsche Bankmitarbeiter häufig vorgaukeln, tatsächlich eintreten? „Sollte es zu Ausfällen im IT-System kommen, würde dies nicht einzelne, sondern alle Kunden betreffen. Die Kreissparkasse würde Kunden weder telefonisch noch per Mail oder Brief bitten, Konto- und Zugangsdaten, TANs oder PINs zu nennen. Auch Links in E-Mails, die zu Portalen mit Eingabemasken für die Daten führen, würden wir nicht versenden. Im Zweifelsfall würden wir immer ein persönliches Gespräch in Filialen führen“, betont Höhn.

Staatsanwälte rufen nie an und fordern eine Kaution

Kontaktaufnahmen per Telefon durch Staatsanwälte gibt es üblicherweise nur in Erzählungen von betrügerischen Banden, wie Aniello Ambrosio, Erster Staatsanwalt in Stuttgart, klarstellt: „Die Kommunikation erfolgt in der Regel schriftlich und nur ausnahmsweise telefonisch, etwa wenn kurzfristig ein Termin abgestimmt werden muss.“ Sollte ein erwachsenes Kind ins Visier von Ermittlungen geraten, würden Eltern ohnehin nicht durch eine Justizbehörde davon erfahren. „Grundsätzlich erfolgt aus Datenschutzgründen keine Information über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Angehörige erlangen vom Beschuldigten selbst Kenntnis“, sagt Ambrosio. Nur bei einer Verhaftung oder dem Vollzug einer U-Haft, sagt Ambrosio, würde ein Angehöriger oder eine Vertrauensperson des Beschuldigten informiert werden.

Auch eine Mär von Betrügern ist, dass Personen wegen eines vermeintlichen Unfalls durch eine Kaution freigekauft werden sollen. Kautionen werden, sofern sie in Frage kommen, immer in einem amtlichen Schreiben beschrieben. Wer als Beschuldigter eine U-Haft durch Zahlung einer Kaution abwenden kann, muss diese Zahlung im Übrigen über eine Bank oder eine Einzahlstelle im Gericht tätigen – nicht durch eine persönliche Geldübergabe an eine dritte Person.

Acht geben, wenn am Telefon Geld verlangt wird

Maschen
 Beliebt bei Kriminellen sind falsche Polizisten, Staatsanwälte, Gerichte, Bank- oder Microsoftmitarbeiter. Auch der Schockanruf oder die Whatsappnachricht eines vermeintlichen Kindes oder Enkelkindes sind Teil der Maschen.

Kreisseniorenrat
 Der Kreisseniorenrat Böblingen klärt seit Jahren auf, durch Informationsveranstaltungen und auch mit Theaterstücken. Die nächsten Vor-Ort-Termine sind auf der Website unter http://neu.kreisseniorenrat-boeblingen.de/aktuelles/veranstaltung-und-termine/ zu finden. 

Tipps von der Polizei
 Nie Details über das eigene Vermögen am Telefon geben. Im Zweifelsfall auflegen, Vertrauenspersonen oder die eigene Polizeidienststelle informieren. Niemals Geld an Dritte übergeben. Vornamen aus dem Telefonbuch löschen. Zur Verifizierung eines „echten“ Familienmitgliedes am Telefon, Codewörter oder -fragen ausmachen.