Die weltweite Kohleproduktion hat einen großen Anteil an der Erderwärmung und an den CO2-Emissionen. Foto: dpa

Mitten in die Weltklimakonferenz platzt eine deprimierende Studie: Demnach ist der CO2-Ausstoß erstmals seit drei Jahren wieder gestiegen. Ist die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens noch realistisch?

Bonn - Alles lief gerade so schön bei der Weltklimakonferenz in Bonn. Deutschland, der „technische Gastgeber“, meldete Fortschritte. Donald Trumps Abgesandte verhielten sich ruhig. Und im Ausstellungsbereich herrschte gute Stimmung bei fidschianischer Musik. Aber dann das: Im Medienzentrum präsentieren renommierte Forscher am Montag eine Studie mit einer denkbar schlechten Nachricht – der CO2-Ausstoß steigt wieder.

Der Report „Globales Kohlenstoff Budget“ sagt für das laufende Jahr 2017 einen Anstieg um zwei Prozent voraus. Vorher waren die Emissionen drei Jahre gleich geblieben. Auch für 2018 rechnen die Forscher mit einer steigenden Belastung. Der Großteil der Kohlendioxid-Emissionen entfällt auf die üblichen Verdächtigen - Kohle, Gas und Öl. Es gibt zwar noch ein paar Unsicherheiten, doch Glen Peters, einer der Autoren der Studie ist sicher: „Alles deutet darauf hin, dass die Emissionen steigen.“

Chinesische Emissionen steigen

Wer trägt die Hauptverantwortung? „Es hat viel damit zu tun, was zurzeit in China passiert“, sagt Peters. Die Wissenschaftler rechnen damit, dass die chinesischen Emissionen 2017 um 3,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr steigen. Das Wirtschaftswachstum des Verschmutzers Nummer 1 hat in den ersten drei Quartalen dieses Jahres auf 6,9 Prozent zugelegt. Parallel dazu ist die Kohleproduktion in den ersten neun Monaten um 5,7 Prozent im Jahresvergleich gestiegen.

All das wirft ein anderes Licht auf das zuletzt hochgelobte Land. Nach der Aufkündigung des Pariser Abkommens durch Trump hatte sich die Regierung in Peking gleichsam zur Schutzmacht des Klimapakts aufgeschwungen. China werde seine Verpflichtungen auf jeden Fall einhalten, hieß es.

Klimaziele so kaum zu schaffen

In Europa und den USA sind die Emissionen ganz leicht zurückgegangen, obwohl auch dort die Wirtschaft gewachsen ist. Das ist zwar ein Lichtblick – aber doch viel zu wenig. Mit solchen Zahlen ist das Ziel des Pariser Abkommens, die Klimaerwärmung unter zwei, wenn möglich sogar bei 1,5 Grad zu halten, nicht zu schaffen, hieß es.

41 Milliarden Tonnen Kohlendioxid pustet die Menschheit nach der Prognose allein dieses Jahr in die Atmosphäre. In Paris haben sich die Staaten vorgenommen, den Netto-Ausstoß ihrer Treibhausgase in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auf null zu bringen. Dafür müsste die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas zwischen 2050 und 2070 enden. Es erfordert sehr viel Fantasie und Optimismus, sich vorzustellen, dass das klappen könnte.

Kohleenergie beschleunigt Erderwärmung

Alternative Energien mögen noch so boomen – wenn die Wirtschaft stark wächst und die dafür nötige zusätzliche Energie doch wieder zu einem großen Teil aus Kohle erzeugt wird, geht die Erderwärmung einfach weiter. „Der erneute Anstieg zeigt, dass der Erfolg im Klimaschutz auf wackeligen Füßen steht“, folgert Niklas Höhne, Gründer der Denkfabrik New Climate Institute.

Die Studie werde die Bonner Verhandlungen sicher beeinflussen, sagt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) in einer ersten Reaktion. „Aber ich glaube nicht, dass man einen zusätzlichen Druck hier in den Verhandlungen aufbauen muss, denn diejenigen, die hier verhandeln, die kennen ihre Verantwortung.“

Appell an Jamaika-Parteien

Ob sie aber auch Konsequenzen ziehen? Umweltschutzverbände mahnen zum Handeln: „Zwei Jahre nach Paris gibt es keine Trendwende“, beklagt Ann Kathrin Schneider vom BUND. Greenpeace-Experte Karsten Smid meint: „Absichtserklärungen schützen nicht das Klima, das können nur mutige Beschlüsse.“

Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, appelliert direkt an die Jamaika-Parteien: „Die Koalitionsverhandler in Berlin dürfen sich nicht auf der bequemen Unwahrheit ausruhen, sie könnten Pause machen bei der Klimapolitik. Deutschland senkt seine Emissionen nicht im erforderlichen Maße, nötig ist daher bei uns und weltweit ein Ausstieg aus der Kohleverbrennung.“

Hohe Erwartungen an Kanzlerin

„Komm mal rüber“, hatte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin Angela Merkel am Wochenende bei einer Landesdelegiertenkonferenz seiner Partei in Hameln aufgefordert und damit gemeint, die CDU-Chefin müsse sich in Sachen Klimaschutz bewegen, wenn sie von den Grünen zur Kanzlerin gewählt werden wolle. Wenn die Kanzlerin am Mittwoch vor den Delegierten der Klimakonferenz spricht, dürfte die Erwartungshaltung dort ähnlich sein.