Es gibt zu wenige Testkits auf das Coronavirus. Ein neues Verfahren derzeit entwickelt. Foto: dpa/Denis Balibouse

Weil Test-Kits und Reagenzien fehlen, können nicht so viele Menschen auf das Coronavirus getestet werden, wie eigentlich nötig wäre. Eine neue Methode muss her.

Stuttgart - „Wir haben eine einfache Botschaft an die Welt“, verkündete vergangene Woche WHO-Generalsekretär Tedros Adhanom Ghebreyesus: „Macht Tests, Tests, Tests. Testet jeden, der mit einem Infizierten in Kontakt kommt.“ Diesem ambitionierten Ziel hinkt selbst das reiche Deutschland hinterher. Laut Vorgaben des Berliner Robert-Koch-Instituts (RKI) sollen Ärzte aktuell nur solchen Menschen Rachen- und Nasenabstriche entnehmen, die nicht nur Husten, Fieber oder andere Verdachtssymptome haben, sondern bei denen durch den Kontakt mit Infizierten eine Ansteckung auch wahrscheinlich ist. Auch bei Risikopatienten wie älteren Menschen hält man es für notwendig, nach dem Virus zu suchen.

 

Dabei wäre es, um die Epidemie weiter zu bremsen, erforderlich, auch Menschen ohne Symptome zu untersuchen, sagt Emma Hodcroft vom Biozentrum Basel. Mindestens zwei von drei Infizierten stecken sich bei jemandem an, der keine oder nur sehr milde Krankheitsanzeichen hat. Auch diese Ahnungslosen müsse man aufspüren und von der Ansteckung anderer Menschen abhalten, so die Epidemiologin, die mit einem Computerprogramm die Ausbreitung des Erregers simuliert. Sie plädiert noch aus einem zweiten Grund für eine solche Großfahndung: Ob Schulschließungen und Social Distancing ihren Zweck erfüllen oder die Gegenmaßnahmen gar verschärft werden müssen, lässt sich nicht beurteilen, wenn der Erreger sich heimlich weiterverbreitet. Dafür müssen seine Ausbreitungswege nachvollziehbar bleiben.

Manche Landkreise testen nur noch Risikopatienten

Zunehmend sind aber selbst die großzügigeren Vorgaben des RKI nicht mehr zu erfüllen. Zunächst war das Nadelöhr nur das aufwendige PCR-Verfahren, auf das man bislang bei der Corona-Diagnostik angewiesen ist. Es macht selbst schwache Virusspuren nachweisbar, weil sogenannte Primer sich unter allen Erbgut-Molekülen in der Probe gezielt jene heraussuchen, die von dem gesuchten Erreger stammen. Werden sie fündig, ist das das Startsignal für das Enzym DNA-Polymerase, den entsprechenden Genabschnitt so lange zu vervielfältigen, bis die Menge für den Nachweis ausreicht. Zuvor muss allerdings das in Form von RNA (Ribonukleinsäure) vorliegende Virus-Erbgut in DNA umgeschrieben werden, also in den Buchstabensatz der menschlichen Gene.

Herzstück der Analytik ist ein sogenannter Thermocycler, der das Erbgutgemisch immer wieder erhitzt und abkühlt. Unter Hitze werden die DNA-Ketten aufgespalten. Sinken die Temperaturen, können die Primer binden und den Kopierprozess in Gang setzen. Je weniger Zyklen für den Nachweis notwendig sind, desto mehr Viren waren in der Probe. Das Ganze dauert mit Vorbereitung ungefähr fünf Stunden. Für eine so große Epidemie wie die aktuelle waren die Labore, die das Verfahren anbieten, aber nicht mit genügend Thermocyclern ausgerüstet. Daher begann man hektisch nachzurüsten.

Inzwischen mangele es aber weniger an Geräten, sagt Daniela Huzly, die Leiterin der Virus-Diagnostik an der Uniklinik Freiburg, sondern an Nachschub, um die vorhandenen Apparate zu betreiben. Für ihre Untersuchungen sind sie und ihre Kollegen auf Test-Kits und Reagenzien angewiesen. Angesichts der riesigen Nachfrage hat die Industrie vor allem Schwierigkeiten, die RNA-Extraktoren zu bestücken. Diese Maschinen werden gebraucht, um das Erbgut aus den Proben zu fischen. Aber auch andere Chemikalien und Laborersatzteile werden knapp, weil die Produzenten, die vor allem in China und den Vereinigten Staaten sitzen, die Lieferungen schuldig bleiben. „Oft werden nur noch ausgewählte Kunden beliefert“, sagt die Virologin. Sie weiß von Laboren zu berichten, die erst mühevoll ihre Testkapazitäten auf 1000 am Tag hochgefahren haben, um jetzt mangels Reagenzien nicht mehr als 200 hinzukriegen. Mit großem Rummel hat vor Kurzem das Pharmaunternehmen Roche sein neues Roboter-Labor Cobas in die Corona-Diagnostik eingeführt – es schafft 4000 Tests in 24 Stunden. Doch vielerorts wie an der Uniklinik Freiburg hinkt die Lieferung der Test-Kits deutlich hinterher. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtete am Wochenende, ein Drittel der baden-württembergischen Landkreise teste nur noch Risikopatienten – und erfülle damit selbst die Vorgaben des RKI nicht mehr.

Blutschnelltests werden jetzt auch im Internet angeboten

Eine mögliche Alternative wären Blut-Untersuchungen, welche die vom körpereigenen Immunsystem gebildeten Antikörper gegen das Virus nachweisen. Solche Schnelltests werden schon im Internet angeboten. Schon nach zwanzig Minuten, verspricht ein Anbieter, habe man Gewissheit, ob man infiziert ist oder nicht. Es reicht, zwei Tropfen Blut auf ein Kästchen aufzubringen, ein roter Streifen zeigt, ob man positiv ist. Das Verfahren misst die Antikörper, mit denen sich das Immunsystem gegen den Erreger wehrt. Die werden aber erst am Ende der ersten Infektionswoche gebildet. Eine frischere Ansteckung wird also übersehen.

Zudem haben die Tests eine gewisse Fehlerrate, sagt der Berliner Virologe Christian Drosten in seinem Podcast im Norddeutschen Rundfunk. In New York hat der Biotechnologe Florian Krammer nun einen Antikörper-Test entwickelt, der den Erreger seltener mit anderen Viren verwechselt. Sein Verfahren soll auch schon drei Tage nach der Ansteckung anschlagen. Und es teilt den Vorteil aller Antikörper-Tests: Im Gegensatz zur PCR verrät es auch nachträglich, ob jemand infiziert gewesen ist.

Christian Drostens große Hoffnung ist dagegen ein sogenannter Antigen-Test. Auch an ihm wird gearbeitet, er würde nicht mehr die Gene, sondern die Eiweiße des Erregers aufspüren. Aussehen soll das wie eine Art Schwangerschaftstest. Weil die Viren sich so rasant vermehren, ist er zuversichtlich, dass die Teststreifen schon zwei, drei Tage nach einer Infektion die Erreger nachweisen werden. Ein ähnliches Verfahren hat sich bereits bei der Grippe bewährt. Ab Mai, Juni könnten die ersten Produkte verfügbar sein, prognostiziert der Berliner Virologe, davon könnte tatsächlich auch endlich die Masse der Deutschen profitieren.