Bei einer Schneeschuhtour lernt man die winterlichen Überlebensstrategien der Tiere kennen Foto: Frühauf

Wie Tiere und Pflanzen im Winter ihr Überleben sichern, erfahren Besucher bei der Schneeschuhtour mit einem Ranger im Nationalpark Schwarzwald.

Stuttgart - Patrick Stader wartet schon mit den sperrig aussehenden Schneeschuhen an den Füßen. „Nach so vielen Regen- und Nebeltagen haben wir heute optimales Wetter“, sagt der Ranger aufmunternd mit Blick zum bedeckten Himmel. Ein kalter Wind weht den Teilnehmern um die Nasen, aber das Laufen erwärmt. Das Motto der Schneeschuhtour lautet „Überleben im Winter“.

Weiß bedeckte Bäume und noch unberührter Schnee erwarten die Schneeschuhgänger rund um den Ruhestein. Wer doch mal etwas tiefer einbricht und das Gleichgewicht verliert, fällt weich und steht gleich wieder auf. Der junge Ranger legt ein ordentliches Tempo vor, schaut dabei aber aufmerksam nach allen Seiten, um auch das kleinste Anzeichen von Leben zu entdecken.

Für die Wildtiere und Pflanzen bringt der Winter so einige Herausforderungen mit sich – die Strategien, um diese harte Zeit zu überleben, variieren.

Höhlen dienen als Winterlager

Die Tiere sollten in den kalten Monaten nicht in ihren Quartieren gestört werden, denn eine hastige Flucht verbraucht viel wertvolle Energie. Daher sind im Nationalpark manche Wege gesperrt. Besuchern ist es verboten, die gekennzeichneten Strecken zu verlassen.

Patrick Stader stapft vornweg – gut sichtbar in seiner grünen Outdoor-Jacke mit dem Nationalpark-Logo. Dann bleibt er stehen, um auf zwei tote Baumstümpfe mit Höhlenlöchern aufmerksam zu machen: „Spechte picken Insekten und Larven aus der Baumrinde. Zur Brutpflege zimmern sie solche Höhlen in abgestorbene Stämme.“ Verlassene Höhlen dienen anderen Waldbewohnern wie dem Gartenschläfer zur Überwinterung. Das kleine Säugetier weiß es zu schätzen, wenn die dicken Wände alter Bäume es vor Kälte schützen. Seine Überlebensstrategie ist der Winterschlaf. Das rund zehn Zentimeter große Tier fährt seinen Kreislauf auf ein Minimum zurück. Dabei kommt es zu Atempausen, die bis zu 60 Minuten andauern können. Außerhalb des Nationalparks werden Bäume oft lange vor ihrem Endalter gefällt. So geht der Lebensraum von Spechten und anderen Höhlennistern zurück. Kaum hat sich die Gruppe wieder in Bewegung gesetzt, kniet der Ranger auf dem Boden, um eine Tierspur zu untersuchen: „Das war ein Hermelin, eine Marderart. Es ist gesprungen, das sieht man an dem Abdruck zweier Tatzen.“ Im Winter lässt sich der Marder weißes Winterhaar wachsen. Wenn der Schnee aber im Frühjahr zu schnell schmilzt, kann es vorkommen, dass der braune Pelz noch nicht nachgewachsen ist. Für Raubvögel, Eulen und Füchse eine leichte Beute.

Die Insekten schweigen

Aus den Tiefen des Rucksacks zieht Stader einen kleinen Becher heraus und zeigt auf den Inhalt. „Das ist Kot vom Auerhuhn. Wer genau hinschaut, erkennt Baumnadeln und winzige Steinchen darin“, erklärt der Experte, der über mehrere Monate einen Auerhahn beobachtete und fasziniert ist von den Anpassungsstrategien des seltenen Tiers. Im Winter zieht sich der Muskelmagen des streng geschützten und vom Aussterben bedrohten Vogels zusammen. Jetzt kann er vor allem kleine Steine und Nadeln verdauen, die ihn durch ihr Aneinanderreiben mit Nährstoffen versorgen.

An einem gurgelnden Bachlauf sucht Stader nach kleinen, schwarzen Punkten. Das sind Insekten, die Wintergoldhähnchen als Nahrungsquelle dienen und die er hier regelmäßig „singen“ hört. Heute schweigen sie allerdings. Der kleine Vogel, den sein aufgeplustertes Gefieder schützt, pickt die Insekten von den Ästen. Alkohol im Blut der Insekten verhindert, dass sie gefrieren.

Der Mut, im Nationalpark der Natur das Ruder zu überlassen, schöpft sich aus dem tiefen Vertrauen in die Kraft der Tiere und Pflanzen, mit einzigartigen Verhaltensweisen ihr Überleben auch in schwierigen Zeiten zu sichern. Allein auf einer der beschilderten Routen oder bei einer Führung kann sich auch jeder Besucher vom Reiz des wilden Schwarzwalds bezaubern lassen.