Ruhe unsanft: Der Unterschied zwischen lästigem und schädlichem Schnarchen sind die Atemaussetzer. Foto: Martin Stollberg

Das Katharinenhospital eröffnet ein Schlaflabor nur für Schnarcher. Der Andrang ist enorm: Schließlich kann der nächtliche Lärm nicht nur für Bettnachbarn lästig, sondern für die Schnarcher gesundheitsschädlich sein.

S-Mitte - Jeder vierte Mann und jede siebte Frau sündigt im Schlaf sehr wohl. Sie versündigen sich mit schlafstörendem Geräuschpegel an ihren Mitmenschen. Sie schnarchen. „So gut wie jeder“, der am Katharinenhospital seinen Schlaf erforschen lässt, ist von demjenigen zur Untersuchung gedrängt worden, der nachts neben ihm im Bett liegt. So sagt es Christian Sittel, der Ärztlicher Direktor der HNO-Klinik am Katharinenhospital ist. Damit ist er jetzt auch oberster Schnarchforscher der Klinik. Die hat vor ein paar Wochen ein Schlaflabor eröffnet. Der Andrang ist so groß, dass es schon eine Warteliste gibt, obwohl das neue Angebot erst nach den Sommerferien bei den HNO-Ärzten der Stadt bekannt gemacht werden soll, damit sie Patienten überweisen.

Das Schlaflabor selbst ist so spektakulär wie jedes Bett im Doppelzimmer eines Krankenhauses. Mehr ist es nicht: das hintere Bett im Zimmer 5014 der Klinik, das bei Bedarf auch als gewöhnliches Krankenbett genutzt wird. Rund 20 Elektroden kleben an Beinen, Brust und auf der Gesichtshaut eines Klinikmitarbeiters, der sich für die Pressefotografen hat verkabeln lassen. Von den Elektroden führen Drähte in ein Gerät, das kaum größer ist als ein Bürotelefon. Eine Kamera zeichnet Bewegungen des Patienten auf. Das Schlaflabor hat nur 45 000 Euro gekostet.

Es ist keineswegs das erste in Stuttgart. Die Mediziner im Marienhospital untersuchen den Schlaf seit mehr als zehn Jahren. Allerdings geht es im Katharinenhospital eher nebenbei um gute oder schlechte Nachtruhe. Das Schlaflabor ist ein Schnarchlabor, denn dort geht es ums Schnarchen – auch wenn eine erholsame Nachtruhe und nächtliche Ruhe eng zusammenhängen.

Schnarcher könne für ihre Mitmenschen tödlich sein

Schnarcher können für ihre Mitmenschen nicht nur lästig, sondern sogar tödlich sein. „Man schätzt, dass sie eine signifikante Zahl von Verkehrsunfällen verursachen“, sagt Sittel – weil sie nie in Tiefschlaf sinken, deshalb dauerhaft übermüdet sind und ihnen bei Autofahrten Geist und Körper den Dienst versagen.

Abgesehen von derlei Gefahren gefährden Schnarcher sich selbst. Nicht alle, aber viele haben häufiger Herzinfarkte, ein höheres Risiko, an den Folgen einer Narkose zu sterben und generell eine geringere Lebenserwartung. Ärzte unterscheiden krankhaftes Schnarchen – im Fachbegriff die Schnarchapnoe – von ungefährlichem Schnarchen, das sie „soziales Schnarchen“ nennen, auch wenn es gemeinhin keineswegs als sozialverträglich gilt. Etwa vier Prozent der schnarchenden Männer und zwei Prozent der Frauen gelten aus medizinischer Sicht als krank. Insgesamt sind das immerhin drei Millionen Deutsche.

Der Unterschied ist der Atemstillstand. Raed Samour sitzt an einem Computer, auf dessen Bildschirm gezackte Kurven, Umsatzstatistiken gleich, von rechts nach links wandern. Samour leitet das Schlaflabor. Die Kurven sind die Aufzeichnungen eines Patienten, der gestern Nacht im Zimmer 5014 geschlafen hat – mehr oder minder.

Bis das Gehirn Atemstillstand meldet

Bis zu 40 Mal in der Stunde stand sein Atem still. Maximal fünf Atemaussetzer sind unbedenklich. Das ist der Unterschied zwischen lästigem und krankhaftem Schnarchen. Das Atmen setzt erst wieder ein, wenn das Gehirn Lebensgefahr meldet. Die Kurve für den Sauerstoffgehalt im Blut zeigt 79 Prozent des Normalwerts. „Das ist etwa, wie wenn Sie tauchen, bis Sie es nicht mehr aushalten“, sagt Sittel. Der Patient erwacht nach jedem Atemstillstand in Panik, meist ohne dass sein Bewusstsein es vermerkt, und verbringt nahezu die gesamte Nacht im Dämmerzustand zwischen Wachen und Schlaf.

Die Ursachen sind vielfältig „und nicht leicht herauszufinden“, sagt Sittel. Der Gaumen kann zu weich sein, die Atemwege durch die Nase können zu eng, die Mandeln zu groß sein, die Zunge kann zu breit sein oder im Schlaf so erschlaffen, dass sie in den Rachen klappt. Dagegen ist ein Zungenschrittmacher in der Erprobung, der wie ein Herzschrittmacher implantiert wird und den Zungenmuskel mit elektrischen Impulsen streckt. Abgesehen von Operationen – vor allem der Nasenscheidewände – ist die Standardtherapie eine Atemmaske, die einem Beatmungsgerät gleich Luft in Mund oder Nase pumpt. Die gleicht aber einer Taucherausrüstung. Deshalb tragen viele Patienten sie nicht.

Ähnliches gilt für einfachste Tipps wie den Verzicht aufs Abendessen oder Alkohol. Derlei ist „leicht gesagt, aber im Alltag wird es selten befolgt“, sagt Sittel. Der Arzt ist selbst ein Ex-Schnarcher. Ihm hat eine andere Standardtherapie geholfen. Sittel hat zehn Kilo abgenommen. Seitdem herrscht Ruhe in seinem Schlafzimmer.