Derzeit sind Schnäpse rar – das liegt vor allem an den Ernteausfällen im vergangenen Frühjahr. Foto: dpa

Das Branntweinmonopol ist gefallen. Das befürchtete Sterben der Brennereien bleibt bisher aber aus. Das Kernproblem der Schnapsmacher scheint weniger das fehlende Monopol zu sein als vielmehr ihr hohes Durchschnittsalter.

Böblingen - Die helle Aufregung ist banger Erwartung gewichen. Zum 1. Januar 2018 endete das seit fast hundert Jahren bestehende Branntweinmonopol. Weshalb die Schnapsbrenner ihren eigenen Tod vorhergesagt haben: Ohne garantierte Einnahmen vom Staat sei ihr Geschäft nicht zu halten, hieß es. Bisher ist das Massensterben aber ausgeblieben. Die Gründe sind landesweit eine Ausnahmesituation im aktuellen Jahr, kreisweit wohl auch intensive Bemühungen, den Brennern zur Hilfe zu eilen.

Seit 1919 hatte der Staat den Alkohol zu Festpreisen gekauft, auch giftigen Vor- und Nachlauf zur industriellen Verarbeitung. Dann brandmarkte die EU das Monopol als unzulässige Subvention. Bereits 2013 sollte es fallen. Vier Jahre Frist gewährten die Bürokraten den Brennern, damit sie sich ertüchtigen, auf dass die Kräfte des freien Marktes sie nicht wehrlos hinweg blasen.

Mit 42 Jahren zählt ein Schnapsbrenner zum Nachwuchs

Was manchem gelungen scheint. „Ich sehe das als Chance“, sagt Gerhard Koch. Er brennt seit fünf Jahren in Bondorf und verkauft selbst, vertritt außerdem den Landesverband der Kleinbrenner im Kreis. „Das Regionale hat Zukunft, man muss nur auf Qualität setzen“, sagt er. Entgegen der Befürchtungen ist auch minderwertige Ware weiterhin ein Handelsgut. Schnaps-Großhändler haben die Nachfolge des Staates übernommen. Sie kaufen auch Vor- und Nachlauf. „Zu viel geringeren Preisen, aber man kriegt noch was“, sagt Koch. Mit 42 Jahren zählt er zu den Jüngsten der Branche. Andere Anrufe enden mit der Auskunft, Opa sei nicht da. Der Optimismus des Bondorfer Brenners fußt auch darauf, dass er auf den Schnaps nicht angewiesen ist. Sein Geld verdient er bei Daimler.

An der Spitze des Landesverbands herrscht eher Argwohn als Aufbruchstimmung. „Es gibt eine leicht erhöhte Zahl an Betriebsaufgaben“, sagt Marcus Hofmeister, der stellvertretende Landesvorsitzende. Seit 2013 ist die Zahl der Schnapsbrenner landesweit um vier Prozent gesunken. In der Branche gilt als ausgemacht, dass bis zu 20 Prozent der Betriebe aufgeben werden. Ob die Prognose die Tatsachen trifft, „können wir aber erst heute in einem Jahr sagen“, befindet Hofmeister.

Wegen Ernteausfällen sind Angebot und Nachfrage aus dem Gleichgewicht

Denn zurzeit sind Angebot und Nachfrage aus dem Gleichgewicht, weil später Frost im vergangenen Frühjahr große Teile der Obsternte vernichtete. Demgemäß ist Schnaps ein rares Gut und kein Urteil möglich, ob der befürchtete Preisverfall eintreten wird. Bisher sind die Preise stabil. „Viele Kollegen warten ab“, sagt Hofmeister – auf einen Anlass für das Ende. „Das wird ein schleichender Prozess“. Gibt das Brenngerät den Geist auf, gibt der Brenner den Betrieb auf. Zudem sei eine Serie altershalber Schließungen absehbar.

Seit Beginn der Debatte herrscht die Furcht, dass mit den Brennereien die Streuobstwiesen sterben werden. Die Verbraucher bevorzugen gleichförmige Früchte. Deshalb wirbt sogar das Landratsamt Böblingen für den Alkoholkonsum. Zuletzt pries die Behörde ein „Birnoh“ getauftes Getränk, 18 Prozent Alkohol, hergestellt aus Birnen von Streuobstwiesen. Auch anderweitig versucht das Amt, die Schnapsbrenner zu unterstützen, offenbar erfolgreich: Seit fünf Jahren hat keiner der 75 Brenner im Kreis aufgegeben.

Alexander Dehm ist die Erhaltung der Streuobstwiesen Berufspflicht. Er ist Co-Geschäftsführer des Vereins „Streuobstparadies“. Der bemüht sich um den Erhalt der Kulturlandschaft in sechs Landkreisen, von Böblingen bis zur Schwäbischen Alb. „Dabei sind die Brenner ganz wichtig“, sagt Dehm. Denn sie destillieren gern traditionelle Obstsorten. Im Februar hat der Verein den Brennerstammtisch ins Leben gerufen. Werbung und Marketing waren am ersten Abend die Themen. „Das kam gut an“, sagt Dehm, „die Leute haben gemerkt, dass doch Potenzial da ist“. Inwiefern es genutzt wird, scheint offen. Das Kernproblem, sagt Dehm, „ist weniger das Branntweinmonopol, eher die Altersstruktur“.