Schmetterlinge Foto: ZUMA Wire

Schmetterlinge zählen zu den beliebtesten Insekten – doch sie werden immer weniger und sind gar vom Aussterben bedroht. Leonie Schurr gibt Tipps, wie man sie schützen kann.

Stuttgart - Schmetterlinge zählen zu den beliebtesten Insekten – doch sie werden immer weniger und sind gar vom Aussterben bedroht. Leonie Schurr gibt Tipps, wie man sie schützen kann.

Frau Schurr, im Frühjahr hat eine Raupe auf meiner Terrasse über Nacht eine ganze Rhododendron-Dolde weggeputzt . . .
Ich finde, es ist ein gutes Zeichen, dass die Raupe bei Ihnen was zu essen gefunden hat.
Ich selbst war aber auch etwas angefressen . . .
Nun, Raupen freuen sich mehr noch als über den Rhododendron über ein bisschen Wildnis. Die meisten mögen etwa Brennnesseln, die viele Gartenbesitzer nicht so toll finden.
Bei mir gibt’s die teilweise schon . . .
Na wunderbar, da freuen die Raupen sich – und wenn sie die Nesseln fressen, ist es ja auch nicht so schlimm. Aber es ist ein Problem: Wenn man sich in der Stadt umschaut, gibt es immer weniger Futter für Raupen.
Wie lange dauert es, bis eine Raupe zum Schmetterling wird?
Das ist sehr verschieden: Sie können mehrere Jahre leben – im Durchschnitt aber leben sie vier Wochen. Auch die meisten Schmetterlinge leben nur wenige Wochen, einige sogar nur wenige Stunden. Einige aber können bis zu einem Jahr alt werden.
Können Schmetterlinge auch überwintern?
Ja, der Zitronenfalter etwa hat eine Art Frostschutzmittel im Blut und kann sogar Temperaturen bis minus 20 Grad Celsius aushalten. Wenn man im Winter rausgeht, kann man ihn manchmal entdecken – er sieht ein bisschen aus wie ein eingefrorenes Blatt. Im Frühling wacht er wieder auf. Der Distelfalter wiederum überwintert in südlicheren Ländern: Er fliegt über die Alpen und das Mittelmeer, um nach Afrika zu gelangen – aber eben in mehreren Generationen. Die nachfolgenden Generationen wissen auch immer, wo sie hinfliegen müssen.
Das kennt man sonst nur von Zugvögeln . . .
Ja, aber dieser winzig kleine Schmetterling macht das auch. Wenn er älter ist, ist er total abgeflogen: Die Flügel sind abgebrochen und zerfetzt. Aber dann legt der Schmetterling seine Eier – und die nachfolgende Generation fliegt für ihn weiter.
Wie viele Schmetterlingsarten gibt es in Stuttgart und der Region?
In Deutschland gibt es 180 Tagfalterarten. In Stuttgart gab es 2014 eine Studie, damals wurden auf ausgewählten Flächen 25 Arten gefunden.
Schmetterlinge sind gefährdet, 80 Prozent stehen auf der Roten Liste. Woran liegt das?
Dafür gibt es viele Gründe. Wenn man sich Städte wie Stuttgart anschaut, ist es für die Schmetterlinge schwierig, einen Lebensraum zu finden: Es ist alles zugebaut, es gibt nur wenig Grünflächen – und wenn, dann sind das oft nur grüne Rasen ohne Blumen. Dort finden Schmetterlinge auch keine Nektarpflanzen. Ein zweiter Grund ist die Landwirtschaft, wie sie bei uns betrieben wird: Es gibt viele Monokulturen. Zudem wird viel gedüngt – Schmetterlinge aber mögen eher Pflanzen, die auf nährstoffarmen Böden wachsen. In der konventionellen Landwirtschaft werden außerdem viele Chemikalien verwendet, das schadet Schmetterlingen.
In landwirtschaftlichen Gebieten geht die Zahl der Schmetterlinge sogar stärker zurück als in der Stadt . . .
In Städten gibt es durch die Parks etwas Platz für Schmetterlinge. Allerdings brauchen sie sogenannte Trittstein-Biotope. Das heißt: Man muss ihnen, vom Stadtrand ausgehend, eng zusammen liegende Grünflächen bieten, damit sie in die Innenstädte kommen.
Ist Feinstaub ein Problem für Schmetterlinge?
Bei Feinstaub ist nicht bekannt, wie er sich auf Schmetterlinge auswirkt, aber der viele Verkehr in Stuttgart schadet ihnen tatsächlich: Denn durch die Autoabgase und die vielen Stickstoffe werden die Böden nähstoffreicher – und dann wachsen stickstoffbedürftige Pflanzen, di e sie nicht so mögen.
Bei den Nachtfaltern ist die Lichtverschmutzung ein großes Thema . . .
Normalerweise orientieren sie sich am Mond – aber durch die vielen Lichtquellen, etwa Straßenlaternen, sind die Nachtfalter verwirrt. So sind auch von den Nachtfaltern etwa die Hälfte der Arten bedroht.
Warum brauchen wir Schmetterlinge – also was ist deren ökologische Bedeutung?
In unserem Ökosystem hängt ja alles zusammen: Mit den Schmetterlingen würden die Vögel langsam verschwinden – und so würde sich die Kette endlos fortsetzen. Zudem gehören Schmetterlinge zu den wichtigsten Bestäubern von Pflanzen. Und sie sind sogenannte Bioindikatoren: Sie zeigen an, wie gut es der Natur geht, wie intakt die Umwelt ist. Wo sich Schmetterlinge wohlfühlen, da fühlen sich auch viele andere Insekten wohl.
Wie schützt der BUND Schmetterlinge?
Wir vom BUND Kreisverband Stuttgart haben mit der Wilhelma-Parkpflege eine Kooperation, das heißt, wir unterhalten verschiedene Schmetterlingsflächen in Stuttgart. Der BUND gibt der Wilhelma Pflegetipps, wie man diese Wiesen besonders schmetterlingsfreundlich gestaltet. Wir haben zudem ehrenamtliche Kartierer, die die Wiesen regelmäßig begehen und die Schmetterlinge zählen. Auf den Schmetterlingswiesen wurden 20 Arten gezählt. Die Daten werden aufgenommen und vom Helmholtz-Institut wissenschaftlich ausgewertet. Das machen wir seit fünf Jahren, damit man sieht, wie sich das langfristig entwickelt.
Und wie entwickelt es sich?
Das ist unterschiedlich. Manche Arten sind recht unkompliziert, etwa die Bläulinge und die Weißlinge. Aber die Kartiererin, die die Wiese bei der Alten Meierei kartiert, macht das schon seit fünf Jahren. Und sie hat festgestellt, dass sie in den ersten zwei Jahren dort noch den Schwalbenschwanz gesehen hatte – aber in den letzten drei Jahren nicht mehr. Das zeigt die Tendenz: Einige Schmetterlingsarten sieht man immer weniger.
Was kann ich als Privatmensch tun?
Das ist relativ einfach: Man kann im Garten ein bisschen Wildnis zulassen oder ein Wildblumenbeet mit heimischen Pflanzen anlegen – Letzteres geht sogar im Balkonkasten. Man sollte möglichst wenig düngen und keine Chemikalien verwenden. Und natürlich kann auch jeder bei uns mitmachen und Schmetterlinge zählen.
Am 10. September findet ab 14 Uhr ein Schmetterlingsspaziergang auf dem Württemberg statt: Treffpunkt: Priesterhaus unterhalb der Grabkapelle. Bei Regen oder starkem Wind muss der Termin verschoben werden. Anmeldung bei Leonie Schurr, Telefon 07 11 / 6 19 70 30 oder per Mail an info@bund-stuttgart.de