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Yuko Abe-Haueis spielt zum Fortepiano-Festival inder Schlosskapelle auf historischem Instrument.

S-West - Die Schlosskapelle auf der Solitude ist von außen unscheinbar und innen ein Juwel. Auch beim historischen Hammerklavier, dem Fortepiano, stehen einer gewissen klanglichen Beschränkung subtile innere Werte gegenüber. Für das Fortepiano-Festival, das zum dritten Mal über die Sommerferienwochen verteilt an verschiedenen Orten in Stuttgart stattfindet, mag das gleichfalls gelten: bescheiden, aber fein. Neben dem Zürcher Professor Johann Sonnleitner ist die aus Japan stammende Musikerin Yuko Abe-Haueis Initiatorin und künstlerische Leiterin des Festivals. Sie trat am Sonntag mit einer „Élégie harmonique - Romantische Klaviermusik im Klang ihrer Zeit“ vor ein sehr aufmerksames Publikum in der gut besetzten Schlosskapelle.

Aus den Hammerklavieren entwickelte sich der Flügel

Bartolomeo Cristofori aus Padua gilt als Erfinder des Fortepiano. Um 1700 begann er in Florenz Klaviere zu bauen, deren Hammermechanik im Gegensatz zum gängigen Cembalo lautes und leises Spielen – daher der Name – mit Anschlagdynamik ermöglichte. Aus diesen Hammerklavieren entwickelten sich erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts allmählich die modernen Flügel, deren gusseiserner Rahmen bei stärkerer Saitenbespannung das Klangvolumen massiv steigerte. Mozart, Beethoven, Schubert und auch Chopin bis hin noch zu Liszt komponierten alle für den zarteren, im Anschlag leichteren Klang der Hammerflügel ihrer Zeit. Yuko Abe-Haueis spielte auf dem Nachbau eines 1825 in Wien gefertigten Fortepiano.

Muzio Clementi, das klingt nach Klavierstunde. Doch der in Rom geborene Zeitgenosse und Rivale Mozarts war damals europaweit vielleicht noch berühmter und einflussreicher als die Großen der Wiener Klassik. Seine in b-Moll gehaltene Sonate Opus 40/2 ist eher melancholisch als pathetisch. Die sehr agogische, sprechende Deutung der Pianistin zeigte Clementi jedenfalls als ausdrucksstarken und einprägsamen Melodiker, dessen Satzkunst und formale Souveränität bis hin zu Fugato-Vielstimmigkeit von allererster Güte ist und keinen Vergleich mit jenen Großen zu scheuen braucht.

„Élégie harmonique“ gibt dem Konzert das Thema

Dem böhmisch-tschechischen Klassiker Johann Ladislaus Dussek oder auch Jan Ladislav Dusik, mit ähnlich herausragender Begabung gesegnet und von europäischem Rang, gilt wegen seines 200. Todesjahrs das besondere Augenmerk des Festivals. Wie Clementi starb übrigens auch er in England, hochgeehrt nicht nur als Tastenvirtuose. Seine sehr empfindsame, rhapsodische und harmonisch kühne späte Sonate „Élégie harmonique“ in fis-Moll gab dem Konzert das Motto und darf sicher als ein Spitzenwerk gelten, das Beethoven ebenbürtig ist.

Trotz des dramatischen Titels „Ah! quel dommage“ und des feinsinnigen Spiels von Yuko Abe-Haueis wirkte die früh-romantische Fantasia in G-Dur des irischen Nocturne-Erfinders John Field dagegen doch ein wenig langweilig. Field hat Frédéric Chopin beeinflusst, dessen F-Dur Ballade mit ihrem Wechsel von Lied-, fast Choralthema und wildem Reiterhorden-Galopp ein märchenhaftes Mickiewicz-Gedicht in Töne setzt. Es war fast eine Offenbarung, Chopin auch mal auf einem so grazilen Instrument zu hören. Dem starken Beifall tat die Fortepianistin mit Schumann Genüge, dem Chopin seine Ballade gewidmet hat. Auch „Von fremden Ländern und Menschen“, Beginn der „Kinderszenen“, klang sehr erhellend auf dem Hammerklavier.