Der Einsatz im Schlossgarten beschäftigt die Gerichte noch heute. Foto: dpa

Der kurze aber scharfe Vermerk „Der Staat kann sich ein Scheitern der Aktion nicht leisten“ ist aus den Regierungsakten zum harten Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner im Herbst 2010 verschwunden.

Stuttgart - Ein verschwundener und brisanter Vermerk aus den Regierungsakten zum im Herbst 2010 eskalierten Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner sorgt für Wirbel im Untersuchungsausschuss. Ansonsten bleibt das Geschäft dort ausgesprochen zäh. Immer häufiger fallen Sätze wie „Da kann ich mich nicht mehr dran erinnern“ oder „Das kann ich ihnen nicht mehr sagen“. Ob es politischen Druck der damaligen CDU/FDP-Regierung auf die Polizei gab, bleibt fraglich. Direkt sei der sicher auch nicht erfolgt, sagte Grünen-Obmann Uli Sckerl - sondern über „andere Bahnen“.

Der kurios verschwundene Vermerk nähre zumindest die Vermutung, dass schon der erste Untersuchungsausschuss zur Klärung der Hintergründe des umstrittenen Einsatzes noch zu Zeiten von Schwarz-Gelb „in die Irre geführt werden sollte“. Der zweite Ausschuss war unter Grün-Rot eingesetzt worden, nachdem unbekannte E-Mails aufgetaucht waren.

Bei dem Vermerk handelt es sich um den Satz „Der Staat kann sich ein Scheitern der Aktion nicht leisten“in den Akten für die damalige CDU/FDP-Landesregierung. Er findet sich nur noch in den Unterlagen, die der Staatsanwaltschaft vorliegen, nicht aber in denen, die dem ersten und jetzt auch dem zweiten U-Ausschuss bereitgestellt wurden. Das bestätigten am Freitag die Obmänner von Grünen und SPD, Uli Sckerl und Sascha Binder. Zeuge Hubert Wicker, 2010 Chef der Staatskanzlei von Mappus, sagte im Ausschuss: „Ich kann nicht sagen, wie das passiert sein kann.“ Aus seiner Sicht hätte es dafür gar keinen Grund gegeben. Er habe aber nicht dazu beigetragen.

In den Akten der Staatsanwaltschaft gebe es zudem zwei Varianten des Vermerks. Kurz vor dem umstrittenen Polizeieinsatz am 30. September 2010 mit mehr als hundert Verletzten im Schlossgarten sei der Satz zu finden. Mitte Dezember 2010 seien die Akten erneut für den damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) - damals für seine Aussage vor dem ersten Untersuchungsausschuss - zusammengestellt worden, doch der brisante Zusatz fehlte. Grüne und SPD sehen darin einen Beleg dafür, dass dem Ausschuss unvollständige Akten vorgelegt wurden.

Der Untersuchungsausschuss soll klären, ob es politischen Einfluss auf die damalige Polizeitaktik gab - etwa von Mappus. Während der Räumung des Schlossgartens für das Bauprojekt Stuttgart 21 waren 130 Demonstranten und 34 Beamte verletzt worden.

Die Einschätzung über den Untersuchungsausschuss sind seit Wochen gleich: CDU und FDP sehen keine Belege für politische Einflussnahme auf die Polizei. Grüne und SPD sehen zumindest Beweise dafür, dass die Politik damals ein „Klima“ der Eskalation erzeugt hat. Verbunden mit einer Erwartungshaltung, dass der Einsatz so verlaufen sollte, wie es sich die Regierung wünschte. Ein Dokument, dass den Einfluss belege, werde man nicht finden, sagte Sckerl. „Einflussnahme kann aber auch durch die Erzeugung eines Klimas erfolgen.“

Uneinig sind sich SPD und Grüne im Streit um das Löschen der Mails von Ex-Regierungschef Stefan Mappus (CDU). Für SPD-Obmann Binder ist die Sache mit der Ankündigung des Staatsministeriums erledigt, die Mails des ehemaligen Ministerpräsidenten aus rechtlichen Gründen löschen zu lassen. Grünen-Obmann Uli Sckerl hingegen will weiter versuchen, Einsicht in die dienstlichen Mails zu erhalten.

Vernommen wurde am Freitag auch ein Einsatzplaner der Polizei von damals. Er habe am 30. September 2010 keinen Druck aus der Politik gespürt, sagte Polizeidirektor Andreas Stolz. Der Einsatz sei komplett anders verlaufen als geplant, Einfluss aus der damaligen schwarz-gelben Landesregierung habe es an dem Tag selbst aber nicht gegeben. In den Wochen vor dem „Schwarzen Donnerstag“ aber sehr wohl: Wenn Polizeipräsident Siegfried Stumpf sage, er habe vor dem Abriss des Bahnhof-Nordflügels mit Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) Kontakt gehabt, sei das schon „außergewöhnlich“. Stumpf habe ihm in diesem Zusammenhang auch gesagt, der Termin für den Bagger-Einsatz zum Abriss sei „von oben“ oder gar „von ganz oben“ abgeordnet worden.