Der Fahrtwind kühlt beim Seifenkistenfahren entlang der Allee. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Auf der Solitude dreht sich am Schlosserlebnistag alles um Pferdestärken – von Carl Eugens Ausflugsgefährt bis zur Rennstrecke.

„Weißt du, wie die Kutsche des Herzogs hieß?“, fragt ein Junge seinen Vater, der gerade dabei ist, Schloss Solitude zu umrunden. „Wurst!“, amüsiert sich der Knabe. Erfahren hat er das in den Innenräumen des Jagd- und Repräsentationssitzes von Carl Eugen, wo Kinder anlässlich des Schlosserlebnistags am Sonntag in stimmungsvollem Ambiente zwischen einer Vitrine mit ausgestopften Tieren, Styroporköpfen mit verschiedenen Perücken und farbenfrohen historischen Gewändern malen und basteln können. Die „Wourst“ war ein gelenkiger Wagen, mit dem die herzogliche Gesellschaft durch die Gärten oder über die nahen Jagdwege fuhr. Statt einander auf Bänken gegenüberzusitzen, mussten alle auf einem Balken entlang der Mittelachse aufgereiht Platz nehmen. So entstand der Spitzname.

Mit der Seifenkiste entlang der Allee

Neben Informationen und Kurzweil bietet das Innere des Schlosses an diesem Tag auch eine angenehme Kühle, während draußen die Hitze brütet. Zum Glück weht ein leichtes Lüftchen. „Ich bin froh, dass wir hier einen Schattenplatz haben“, sagt Jim Tews, einer der Studierenden, die zum Seifenkistenfahren entlang der Allee einladen. Die beiden Fahrzeugvarianten, die zur Wahl stehen, sind in einem gemeinsamen Projekt der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg mit dem Institut für Materialprüfung, Werkstoffkunde und Festigkeitslehre der Universität Stuttgart entstanden und stoßen nicht nur bei jungen Besuchern des Schlossevents auf großes Interesse. Ein ergrauter Herr fachsimpelt mit einem der Konstrukteure über Erfahrungen mit Scheiben- und Stempelbremsen. Eine Mutter versucht, ihren Sohn zum gemeinsamen Start zu überreden. Ein bisschen Überwindung kostet es schon, sich die Rampe hinab und den Schotterweg entlang rollen zu lassen. Nele traut sich. Selbstsicher wartet sie auf das Signal, dass es losgehen kann. „Das war cool“, stellt sie zufrieden fest, als sie vom Zielpunkt zurückkommt. Schon deshalb hat sich die Anreise aus Tübingen gelohnt.

Eindrucksvoller Ausblick vom Dach

Wer die Solitude häufiger besucht, kennt den Ausblick gen Ludwigsburg entlang der Verbindungsachse zum dortigen Residenzschloss, die Carl Eugen einer Überlieferung nach im Sommer mit Salz bestreuen ließ, um sie per Kufenkutsche zu befahren. Der Aktionstag macht eine noch eindrucksvollere Aussicht über das Umland möglich: Die Kuppel der Solitude ist in kleinen Gruppen für das Publikum zugänglich und eröffnet neue Perspektiven. Auch der Blick von oben auf die Schlossanlagen lohnt. Dafür kann man durchaus 120 schweißtreibende Stufen hinaufsteigen. Zumal die Temperaturen auch im herzoglichen Treppenhaus vergleichsweise moderat sind.

Keine Kufenpferdekutsche, sondern diverse polierte Oldtimer finden sich am frühen Nachmittag auf dem Schlosshof ein. Eine Sonderführung erinnert an 100 Jahre Solitude-Rennen und verbindet die Zeit der Wourstfahrten mit einem Stück Motorsportgeschichte. „Eigentlich ist das Motto des landesweiten Schlosserlebnistags 2022 ja ,Tierisch gut‘“, erklärt Solitude-Verwalterin Christiane König-Lorch. „Aufgrund des Jubiläums des Rennens haben wir uns dafür entschieden, uns besonders auf die Pferdestärken zu konzentrieren.“ Klassische Schlossführungen gibt es dennoch. Ebenso wie eine Quizrallye im Außenbereich. Und das leibliche Wohl? Ist gesichert. Auch für Liebhaber der roten Wurst. Carl Eugen dürfte nie eine gegessen haben. Sie kam erst im 19. Jahrhundert auf.

Die um 1770 gepflanzte Esche vor dem Schloss hat er hingegen gesehen. Ihr Sonnenschutz und der Schatten der Arkaden laden nicht nur an diesem speziellen Sonntag zum Verweilen ein. Neben allem anderen ist Schloss Solitude eben auch ein Ort, an dem man es es sich abseits von urbanem Trubel tierisch gut gehen lassen kann.