Finanzstaatssekretärin Gisela Splett (links) und Simone Fischer, Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, testen das Angebot. Foto: Simon Granville

Im Schloss Ludwigsburg kann man sich eine VR-Brille aufsetzen, virtuell in die Küche gehen und mit dem Kammerdiener aus dem 18. Jahrhundert Schokolade zubereiten. Und das ist noch lange nicht alles.

Ludwigsburg - Besuchen Gäste das Schloss in Ludwigsburg, ermöglicht ihnen der Rundgang viele Eindrücke. Allerdings ist das ein Ausschnitt vom Ganzen – manche Türen bleiben verschlossen. Seit Mittwoch kann der Besucher dank eines Pilotprojektes aber auch drei der sonst verborgenen Räume erkunden: die Dienertreppe, die Bühne des Schlosstheaters und den Fasskeller. Mithilfe einer 3D-Brille. Virtual Reality lautet das Zauberwort. Heißt: Über die Brille taucht der Besucher in eine virtuelle Realität ein, in der er sich wie im Film mithilfe von zwei Joysticks in den Händen durchs Schloss bewegt. Obwohl man eigentlich die ganze Zeit im Foyer der Schlossanlage steht.

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Die 3D-Tour ist zum einen als reine Besichtigung möglich, zum anderen kann der Besucher das Schloss verbunden mit Geschichten erleben. Er wird dabei virtuell etwa in die Küche geleitet, in der einem lebensgroß der Kammerdiener begegnet, der mit einem spricht. Mit den Joysticks hilft man ihm sogar, Schokolade zuzubereiten – damals ein Luxusprodukt. Dafür geht man in der 3D-Welt durch den Raum, sammelt Zucker, Zimt und Co. und schüttet es in den Topf, während der Kammerdiener rührt. Und macht man sich auf den Weg in den nächsten Raum, gilt’s den Schlüssel im Schloss der knarzenden Tür umzudrehen. Klingt kompliziert, die Technik ist aber unkompliziert.

Tausende Fotos und echte Schauspieler

Die 3D-Brille ermöglicht also, die historische Anlage auf neue Weise zu entdecken. Und die Charaktere – bei der Programmierung gespielt von echten Schauspielern – versetzen einen in vergangene Jahrhunderte oder in die Geisterstunde, in der Kerzenschein die Räume erhellt. Auch eine virtuelle Theatervorstellung wartet auf den Besucher. Um all das zu ermöglichen, hatten Fotografen eine Woche lang Tausende Fotos geschossen, aus denen die täuschend echte 3D-Welt erschaffen wurde. Wer dennoch auf die Brille verzichten möchte, kann sich eine App herunterladen und sich mit dieser durchs Schloss führen lassen. Auch zuhause.

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Von einem „großen Tag für unsere Besucherfreundlichkeit“, sprach Michael Hörrmann, Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (SSG), am Mittwoch bei der Vorstellung des über mehrere Jahre lang vorbereiteten Projekts. Denn die virtuelle Realität ermögliche es nicht nur, Zusätzliches zu erleben. Sondern Menschen mit Behinderung könnten nun wie alle Besucher am Angebot teilhaben. Die 3D-Brille lässt sich auch mit den Augen navigieren, es können Untertitel und eine Audiounterstützung eingestellt werden.

Digitales und Barrierearmut werden verbunden

Michael Hörrmann betonte: „Heute führen wir die Erneuerungen beim digitalen Angebot und die Barrierefreiheit erstmals zusammen.“ Simone Fischer, Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, ist entsprechend begeistert: „Es ist erfreulich, dass wir in einer Zeit leben, die durch technische und digitale Möglichkeiten bessere Zugänge schaffen kann. Diese Techniken zu nutzen, von Beginn an barrierefrei einzusetzen und weiterzuentwickeln, ist eine große Chance für eine verbesserte Teilhabe aller Menschen in unserer Gesellschaft.“

Ziel sei es, ergänzte Finanzstaatssekretärin Gisela Splett, möglichst viele Menschen zu erreichen. „High-Tech trifft auf Jahrhunderte alte Geschichte und ermöglicht es so allen Menschen, am kulturellen Erbe des Landes noch besser teilzuhaben.“ Bislang zählen die Museen und Schlösser der SSG vier Millionen Besucher im Jahr. Bereits in diesem Jahr werden die Besucher weiterer Stätten profitieren. Ob im Schloss Heidelberg, auf der Solitude oder im Kloster Bebenhausen. Ludwigsburg sei Vorreiter, so Hörrmann. „Gewonnene Erkenntnisse fließen in die anderen Projekte ein.“ Und der Vorreiter zeigt: Die Möglichkeiten scheinen grenzenlos.

Neues digitales Angebot

Virtuelle Welten
Das neue digitale Angebot im Residenzschloss Ludwigsburg ist Teil der landesweiten und ressortübergreifenden Digitalisierungsstrategie der Landesregierung. Andere virtuelle Angebote der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg gibt es bereits unter anderem auf dem Hohentwiel, wo die Ruine mithilfe eines 3D-Modells wieder zur Festung wird, und im Barockschloss Mannheim. Hier kommt eine Monumente-App zum Einsatz.

App
Die App für Handy und Tablet namens „Monumente interaktiv – geheime Wege“ kann kostenfrei im App Store und bei Google Play heruntergeladen werden. Mehr Informationen zum Residenzschloss Ludwigsburg gibt es online auf www.schloss-ludwigsburg.de.