Das Café Entrée bei der Einweihung vor sieben Jahren – es wird in der inklusiven Form nicht mehr eröffnet. Foto: FSTA/Julia Schey

Die Diakonie Stetten stellt vier lieb gewonnene Beschäftigungsinitiativen für Menschen mit Handicap ein. Die Remstal Werkstätten stellen sich im Zuge der Corona-Pandemie neu auf.

Fellbach/Kernen - Die Diakonie Stetten trennt sich von vier in der Öffentlichkeit gut angesehenen Unternehmungen. Nach dem Ende des neuerlichen Corona-Lockdowns wird nicht nur das inklusiv betriebene Café Entrée im Fellbacher Rathaus-Innenhof nicht mehr wiedereröffnen, auch die Fundgrube-Läden für Gebrauchtwaren und die Briefmarkenstelle bleiben dauerhaft zu. Und der Gemüsekisten-Lieferdienst wird eingestellt.

Hinzen: Unternehmungen nicht mehr zukunftsfähig

Dem Vorstandsvorsitzenden der Sozialeinrichtung, Rainer Hinzen, ist bewusst, dass man „vielen wohlmeinenden Menschen im Umfeld“ der Unternehmungen mit diesem Schritt vor den Kopf stoßen könnte. Doch bei genauem Hinsehen sei man in allen jetzt betroffenen Bereichen aus unterschiedlichen Gründen zu der Überzeugung gekommen, dass diese nicht zukunftsfähig weiterzuführen seien. Allen gemein sei, dass sie zuletzt nicht mehr wirtschaftlich geführt werden konnten.

Eine der wohl ältesten der eingestellten Beschäftigungsinitiativen der Diakonie-Tochter Remstal Werkstätten, die Briefmarkenstelle, ist demnach dem Trend zur elektronischen Post zum Opfer gefallen. Sowohl das Angebot als auch die Nachfrage seien stark zurückgegangen, sagt Thomas Illigmann, seit Oktober der Geschäftsbereichsleiter der Remstal Werkstätten. Zum einen würden immer weniger Briefe geschrieben, zum anderen gebe es immer weniger Sammler, die sich ihre Briefmarken aufbereiten und sortieren lassen wollten.

Den Gemüseproduzenten fehlt die Anbaufläche

Ein anderer Grund hat das Geschäftsmodell der Gemüselieferungen per Abonnement infrage gestellt: Mit dem Verkauf der Hangweide in Stetten fehlen der Diakonie schlicht die Flächen, um eigene Bioprodukte anbauen zu können. Die Waren nur anderweitig einzukaufen und umzuverpacken, entspreche nicht mehr der Ursprungsidee, sagt Thomas Illigmann. Die zurzeit 670 Kunden seien bereits über das Ende des Abo-Modells informiert.

Eine Änderung der Rahmenbedingungen wird auch für das Einstellen der Fundgrube-Läden genannt. Das Gebäude, in dem die gespendeten Gebrauchtwaren zum Wiederverkauf aufbereitet würden, könnte nur mit erheblichem Aufwand den Brandschutzvorschriften entsprechend umgebaut werden. Man habe im gesamten vorderen Remstalbereich nach einer erschwinglichen Miet-Alternative gefahndet – ohne Ergebnis. Hinzu komme, dass die Spendenbereitschaft zwar hoch, die Absatzmöglichkeiten aber niedrig seien. „Rund 40 Prozent haben wir wegwerfen müssen“, sagt Thomas Illigmann.

Zu wenig Beschäftigte mit Handicap

Besonders schmerzlich sei die Entscheidung, auch nach dem Ende der Corona-Einschränkungen auf eine Wiedereröffnung des Cafés Entrée zu verzichten. Die inklusive Lokalität mitten in Fellbach sei bei Gästen sehr beliebt, und auch die Stadt sei der Diakonie als Kooperationspartner sehr entgegengekommen. Vier Mitarbeiter mit Handicap und drei ohne hätten das Café vor der Corona-bedingten Schließung betrieben. Laut Vorstandschef Hinzen wäre die doppelte Anzahl nötig, um einen langfristigen Betrieb unter Werkstattbedingungen zu gewährleisten. Das aber sei – anders als in dem zweiten von der Diakonie betriebenen Café am Krankenhaus in Schorndorf – aus räumlichen Gründen im Fellbacher Rathaus-Carrée nicht möglich.

Alle von den Maßnahmen betroffenen Mitarbeiter mit Handicap hätten die Möglichkeit, sich in anderen Arbeitsinitiativen der Diakonie Stetten einzubringen. Für die meisten sei auch schon etwas gefunden, versichert der Werkstättenleiter Illigmann. Auch den Angestellten solle in Gesprächen im Januar etwas Geeignetes angeboten werden.

Fokus künftig auf Jobcoaching

Insgesamt aber wolle man den Fokus in Zukunft auf ein anderes Modell richten, in dem sich bereits 80 der rund 800 Beschäftigten der Diakonie Stetten mit Handicap bewegen. Sie werden in ausgelagerten Arbeitsplätzen eingesetzt – in Supermärkten, Altenpflegeheimen, in Gärtnereien oder Industriebetrieben – und dort von einem Jobcoach der Diakonie betreut. Das bringe doppelte Vorteile, sagt Thomas Illigmann: Die Firmen leisteten ihren Beitrag zur Inklusion, und die Diakonie Stetten könne sich auf ihre Hauptexpertise konzentrieren und dafür sorgen, dass die jeweiligen Möglichkeiten der Menschen mit den Anforderungen der Arbeit in Einklang gebracht würden.