Hiltrud Singer hat die Rohrer Buchhandlung 2015 übernommen. Am 9. März öffnet sie zum letzten Mal die Türen des kleinen Ladens. Foto: Sandra Hintermayr

Die Rohrer Buchhandlung muss schließen. Inhaberin Hiltrud Singer fiel diese Entscheidung nicht leicht.

Rohr - Wie alt bist du denn?“, fragt Hiltrud Singer das kleine Mädchen. „Sechs“, kommt stolz die Antwort. Zielsicher greift Singer in das Regal, zieht ein Buch heraus und zeigt es dem Kind. Es ist eine Kombination aus Vorlese- und Selbstlesebuch. Die Sechsjährige nimmt es begeistert an sich. „Darf ich das haben, Mama?“, fragt sie. Natürlich darf sie. Zufrieden verlassen Mutter und Kind den Buchladen.

„Dieser Kontakt zu den Kunden wird mir fehlen“, sagt Singer. 2015 hat sie die Buchhandlung von ihrer Vorgängerin Hannelore Hertfelder übernommen. Nun – vier Jahre später – wird sie den Bücher- und Schreibwarenladen an der Schönbuchstraße schließen. „Der Abschied fällt mir schwer“, sagt Singer. „Aber es ist noch so vieles zu erledigen, dass ich nicht viel Zeit habe, darüber nachzudenken.“ Kundenberatungen, Telefonate, Dinge, die vor der Schließung noch geklärt werden müssen. „Man funktioniert einfach“, sagt Singer. „Aber wenn die Regale dann leer sind, kommt sicher die Wehmut.“

In dem Laden steckt ihr Herzblut

Am 9. März öffnet die Rohrer Buchhandlung zum letzten Mal ihre Türen. Eine große Feier plant die Inhaberin nicht. „Ich hoffe aber, dass dann so viel Platz im Laden ist, dass ich ein paar Gläser Sekt für die Kunden anbieten kann.“ Vielleicht holt sie auch noch einmal das Glücksrad hervor. Das sei bei Veranstaltungen im Buchladen immer gut angekommen. Auch diese Abende, bei denen oft die Snacks und Getränke dem Motto angepasst wurden, werde sie vermissen. „Da konnte ich richtig kreativ sein“, sagt Singer.

Grund für die Schließung sei der kontinuierlich sinkende Umsatz. Vielleicht liege es daran, dass immer mehr Menschen Bücher im Internet bestellen, sagt Singer. Schreibwaren bekommen die Rohrer auch bei der Post. Zwar habe sie einige Stammkunden; ebenso schauen immer mal wieder neue Gesichter rein. Aber es reiche nicht länger. „Es gibt ein paar Tage mit gutem Umsatz, an denen man sich fragt, muss ich wirklich schließen? Dann folgen wieder mehrere Tage mit weniger Umsatz. Man rechnet durch, wie lange das noch gut geht“, sagt Singer. Die Entscheidung, die Buchhandlung zu schließen, sei ihr nicht leichtgefallen. „Ich bin immer gerne hier, auch samstags oder in den Abendstunden. In diesem Laden steckt mein Herzblut“, sagt Singer.

Die Inhaberin selbst schätzt die persönliche Atmosphäre insbesondere in kleinen Buchhandlungen, stöbert gern durch die Regale. „Ich nehme die Bücher gerne in die Hand, lasse mich von Einbänden und Titeln ansprechen.“ Doch es scheint, als legen immer weniger Menschen darauf Wert. Die Rohrer Buchhandlung trägt die Konsequenzen des sich wandelnden Konsumverhaltens.

Die Übernahme des Buchladens war ein Wagnis

„Sie schließen? Das ist aber traurig“, befindet eine Frau, als sie den Laden betritt. Hiltrud Singer kann ihr nur zustimmen. „Seit ich den Hinweis in die Tür gehängt habe, werde ich täglich mehrfach darauf angesprochen.“ Ebenso wie ihre Kunden bedauert sie die bevorstehende Schließung. Es sei aber die richtige Entscheidung. Die vergangenen vier Jahre waren für Singer, die zunächst eine Lehre zur Optikerin absolvierte und sich dann der Sozialpädagogik widmete, eine Art Experiment, ein Wagnis „mit der großen Hoffnung, dass es klappt“, sagt sie. „Das wäre ideal gewesen.“

Auf der Straße steht Hiltrud Singer ab März nicht. Sie hat bereits eine Teilzeitstelle in der Schulkindbetreuung in Vaihingen angenommen. Damit geht sie zurück auf Pfade, die ihr bereits vertraut sind. „Und es gibt Gemeinsamkeiten zur Arbeit im Buchhandel. Man geht auf die Menschen zu, schaut, was sie brauchen“, sagt Singer. Das Persönliche, das sie im Buchladen schätzt, wird sie also weiterhin begleiten.