Die Notfallpraxis am Gesundheitszentrum in Backnang soll geschlossen werden. Foto: Gottfried Stoppel

Hunderte Menschen protestieren in Backnang gegen die geplante Schließung der Notfallpraxis – doch Landesgesundheitsminister Lucha (Grüne) bleibt bei seiner Haltung und verweist auf Zentralisierung. Kritiker warnen vor einem einem Versorgungskollaps.

Die geplante Schließung der ärztlichen Notfallpraxis in Backnang bewegt nach wie vor die Gemüter. Erst am vergangenen Wochenende sind mehrere hundert Menschen mit Schildern und Trillerpfeifen durch die Backnanger Innenstadt gezogen, um gegen das Vorhaben der Kassenärztliche Vereinigung (KV) zu demonstrieren. Landesgesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) sieht hingegen offenkundig keinen Grund, korrigierend einzugreifen. Das geht aus seiner Antwort auf eine Anfrage der örtlichen Landtagsabgeordneten Simone Kirschbaum (SPD) hervor.

 

„Unzumutbare Belastung“ verbleibender Praxisinhaber

Lucha hat darin die auch aus seiner Sicht „nachvollziehbaren Schließungsgründe“ dargelegt und auf die personellen Engpässe sowie die Notwendigkeit einer Zentralisierung verwiesen. Etwa 1000 Hausarztsitze seien derzeit unbesetzt, und viele Ärzte stünden kurz vor dem Ruhestand. Die Konzentration auf zentrale Standorte wie Winnenden sei daher alternativlos. Auch verweist das Ministerium auf eine „unzumutbare Belastung der verbliebenen Praxisinhaber“ und beruft sich darauf, dass in jedem Landkreis mindestens eine Notfallpraxis innerhalb von 30 Minuten erreichbar sei. Wie berichtet, soll nach der bereits erfolgten Beendigung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes am Standort Schorndorf nun auch das Pendant in Backnang den Rationalisierungsplänen der Kassenärztlichen Vereinigung zum Opfer fallen. Künftig soll stattdessen in Winnenden, angedockt an das dortige Kreiskrankenhaus, die einzige Anlaufstelle für Überbrückungsbehandlungen von Erkrankungen außerhalb der Praxiszeiten an Wochenenden und an Feiertagen sein.

Die Notfallpraxis in Schorndorf ist bereits geschlossen. Foto: Gottfried Stoppel

„Erhebliche Verschlechterung der Gesundheitsversorgung“

Die SPD-Abgeordnete Kirschbaum spricht in diesem Zusammenhang von einer „erheblichen Verschlechterung der Gesundheitsversorgung“ im Backnanger Raum. Insbesondere für ältere Menschen, Familien mit kleinen Kindern und mobilitätseingeschränkte Personen seien die langen Anfahrten schlichtweg nicht machbar.

Kirschbaum zufolge lasse Luchas Antwort jegliche konkreten Pläne für eine Verbesserung der Infrastruktur vermissen. Die Notfallpraxis in Backnang habe allein im ersten Halbjahr 2024 rund 6500 Patientinnen und Patienten versorgt. „Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache und unterstreichen die Notwendigkeit der Notfallpraxis“, stellt die SPD-Politikerin aus Backnang klar.

Telemedizin und Fahrdienst als Alternative?

Während der Gesundheitsminister auf „Optionen der Telemedizin und den Fahrdienst für medizinische Hausbesuche“ als alternative Versorgungsmodelle verweist, kritisiert Kirschbaum: „Wenn jemand nachts mit einem fiebernden Kind Hilfe sucht, benötigt er einen persönlich ansprechbaren Arzt und keinen teilnahmslosen Bildschirm.“ Der vorgeschlagene Fahrdienst möge in Einzelfällen hilfreich sein, sei jedoch genauso wenig flächendeckend.

Die Menschen in Backnang und den umliegenden Gemeinden bräuchten eine verlässliche dauerhafte Einrichtung, wo sie auch im Notfall schnell und barrierefrei medizinische Hilfe bekämen. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Gesundheitsversorgung zu einer logistischen Herausforderung für die Menschen wird, die auf ärztliche Hilfe angewiesen sind,“ meint Kirschbaum. Sie fordert das Ministerium eindringlich auf, die Entscheidung zur Schließung der Notfallpraxis in Backnang zurückzunehmen und stattdessen eine Lösung zu finden, die den Bedürfnissen der Menschen in der Region gerecht werde. „Es braucht ein Konzept, das die speziellen Anforderungen der ländlichen Gesundheitsversorgung berücksichtigt und sicherstellt, dass niemand aufgrund seines Wohnortes schlechter dasteht als andere.“ Ralf Nentwich hingegen, Landtagsabgeordneter aus Murrhardt mit gleichem Parteibuch wie der Gesundheitsminister, fordert in der Debatte um die Schließung der Notfallpraxis „eine klare Differenzierung und Ehrlichkeit“. Die Herausforderungen, die den Handelnden in Backnang jetzt begegneten, seien die „Folgen und Sünden vergangener politischer Entscheidungen auf Kreisebene und aktueller Entscheidungen auf Ebene des Bundesgesundheitsministeriums“. Es sei verwunderlich, dass die SPD aktuell eine landesweite Kampagne anführe, obwohl wesentliche Entscheidungen auf Bundesebene, für die der SPD-Minister Karl Lauterbach die Verantwortung trage, maßgeblich zur Schließung beigetragen hätten.

Grünen-Abgeordneter fordert Differenzierung und Ehrlichkeit

Gleichwohl müssten nun alle politischen Ebenen an einem Strang ziehen, um das Thema pragmatisch zu lösen. „Was wir jetzt dringend benötigen, ist eine zuverlässige und zukunftsorientierte Lösung auf Kreisebene, deren Finanzierung natürlich gesichert sein muss“, sagt Nentwich. Er habe großes Vertrauen in den Landrat Richard Sigel und den Kreistag, dass diese den Raum Backnang nicht aus den Augen verlieren und konstruktive Maßnahmen ergreifen.