Ziel erreicht: GDL-Chef Claus Weselsky ist mit seiner Gewerkschaft in der Tarifwelt der SWEG angekommen. Foto: dpa/Sebastian Willnow

Der landeseigene Bahnkonzern SWEG und die Lokführergewerkschaft GDL erzielen im Schlichtungsverfahren einen Tarifabschluss. Welche Auswirkungen er auf das Verhältnis zur Gewerkschaftskonkurrenz Verdi hat, ist noch offen.

Es war ein acht Monate langer erbitterter Arbeitskampf mit 633 Streikstunden, dem eine zweimonatige Schlichtung folgte. Nun haben sich die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und die landeseigene Südwestdeutsche Landesverkehrs-GmbH (SWEG) auf einen Tarifabschluss für die SWEG geeinigt. Er sichert der GDL eine Existenz im gesamten Konzern.

Möglich wurde dies durch eine intensive Vermittlung unter dem Vorsitz von Rezzo Schlauch, dem früheren Grünen-Politiker und parlamentarischen Staatssekretär für die Arbeitgeber, sowie vom ehemaligen brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) für die GDL. Unter ihrer Mitwirkung wurde in fast 100-stündigen Verhandlungen ein zuvor nicht für möglich gehaltenes Vertrauensverhältnis aufgebaut.

Monatslöhne steigen um 4,8 Prozent

Bisher hat die GDL eine starke Mitgliedervertretung lediglich bei der SWEG-Tochter SWEG Bahn Stuttgart GmbH (SBS) – denn dabei handelt es sich um die Nachfolgerin der in Insolvenz gegangenen Abellio Rail Baden-Württemberg, die Ende 2021 vom Land gerettet wurde. Ziel von GDL-Chef Claus Weselsky war es, im gesamten Konzern mit seinen mehr als 1800 Mitarbeitern Fuß zu fassen. Dies gelang, denn für beide Gesellschaften wurden nun Tarifverträge vereinbart.

Demnach steigen die Monatslöhne bei der SBS rückwirkend zum 1. Januar 2022 um 4,8 Prozent. Für die SWEG wurden die gleichen Tabellenentgelte ab Inkrafttreten des Tarifvertrages zum 1. Mai 2023 vereinbart. Zudem erhalten die GDL-Mitglieder in beiden Unternehmen im Mai eine Inflationsausgleichsprämie von 1000 Euro. Weitere Anpassungen sind von November an möglich, wenn die Tarifverhandlungen der GDL mit anderen Wettbewerbsbahnen zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht seien, wie es heißt. Insbesondere bei dem Thema Arbeitszeit – ein Knackpunkt der Verhandlungen – wurde eine große Flexibilität für die GDL-Mitglieder vereinbart. Diese haben nun aufgrund einer Öffnungsklausel die Wahlfreiheit zwischen den bisherigen eher beweglichen Regelungen bei der SWEG und den aus Arbeitgebersicht eher starren Konditionen, die die GDL bei anderen Wettbewerbsbahnen durchsetzen konnte. Details der neuen Tarifverträge wie die relativ lange Laufzeit sollen erst nach dem Ende der Widerspruchsfrist am 2. Mai bekannt gegeben werden.

Frühere Positionen wurden aufgegeben

SWEG-Chef Tobias Harms lobte, dass „in der Sache hart, aber stets fair und sachlich“ verhandelt worden sei. Beide Seiten haben sich, gemessen an den konträren Ausgangsbedingungen, klar bewegt und frühere Positionen aufgegeben. Immerhin hatte die SWEG während des Arbeitskampfes noch das Ziel verfolgt, die Weselsky-Truppe ganz herauszuhalten, um weiterhin allein mit Verdi Verträge abzuschließen. „Wir finden uns mit unseren Vorstellungen in den Tarifabschlüssen wieder“, sagte Harms zufrieden.

Weselsky freut sich, „dass die GDL-Mitglieder bei der SWEG in den marktüblichen Tarifverträgen angekommen sind“. Gemeinsam mit vielen Tausend Mitgliedern in mehr als 60 weiteren Partnerunternehmen der Gewerkschaft „wird auch dieser Tarifvertrag weiter ausgebaut und ständig verbessert“. Demnach setzt er darauf, weitere Mitglieder mit günstigen Regelungen anzulocken.

Die Präsenz der Lokführergewerkschaft in der SWEG hat eine besondere Qualität, weil auf Ebene des Konzerns bisher allein Verdi das Sagen hat. Deren Vorsitzender Frank Werneke hatte jüngst unserer Zeitung gesagt, dass Verdi nach der Schlichtung nicht aktiv das Tarifeinheitsgesetz anwenden werde. Dieses besagt, dass in einem Betrieb der Tarifvertrag gilt, den die Gewerkschaft mit der Mehrheit der Mitglieder abgeschlossen hat. Verdi könnte demnach vor Gericht ziehen, um die GDL wieder herauszuklagen – verzichtet darauf aber. Weselsky scheint sich darauf zu verlassen, dass weder die Konkurrenz noch das Unternehmen auf die Einhaltung der Tarifeinheit pocht. Konkretes dazu müsste der Aufsichtsrat beschließen.

Verdi kämpft für 550 Euro mehr im Monat

Demzufolge lassen sich die Regelungen mit der GDL in die SWEG integrieren – das Risiko, die beiden Gewerkschaften könnten sich gegenseitig hochschaukeln, wird offenbar nicht mehr so hoch bewertet.

Dennoch kehrt bei der SWEG jetzt noch keine Ruhe ein: Im Verbund eines Arbeitgeberverbands mit diversen regionalen Verkehrsgesellschaften, wo sie freilich eine wichtige Stimme hat, steht nun ein Tarifkonflikt mit der Gewerkschaft Verdi über einen Eisenbahn-Tarifvertrag (ETV) bevor. Gefordert sind 550 Euro mehr im Monat für alle Beschäftigten.

Schon bald nach Ostern könnte Verdi zu Streikmaßnahmen aufrufen, auch wenn sich die SWEG-Führung einen möglichst reibungslosen Abschluss erhofft.