Vorerst schweigen die Trillerpfeifen bis zum Ende des Schlichtungsverfahrens. Foto: dpa/Carsten Koall

Die vorerst gescheiterte Tarifrunde im öffentlichen Dienst soll nun mit einem Schlichtungsverfahren gerettet werden. Wenn dieses auch fehlschlägt, sind eine Urabstimmung und ein großer Streik zu befürchten.

Der Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen geht nach dem vorläufigen Scheitern der Verhandlungen in eine weitere Runde: Binnen einer Woche beginnt die Schlichtung. Schlägt diese fehl, droht Ende April ein unbefristeter Streik. Warum es noch nicht zur Einigung reicht – ein Überblick.

Wie sind die aktuellen Positionen? Infolge der Inflation hatten die Gewerkschaften für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen hohe Forderungen gestellt: eine Anhebung der Einkommen um 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro monatlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Arbeitgeber haben offenkundig nachgelegt: Nun wollten sie acht Prozent mehr Lohn und eine Mindesterhöhung von 300 Euro zahlen – dies in zwei Stufen von zunächst 150 Euro und noch mal 150 Euro obendrauf. Die Laufzeit sollte wohl 24 Monate betragen, was aber nicht offiziell bestätigt wird. Der Mindestbetrag hätte in unteren Einkommensgruppen deutlich mehr als zehn Prozent mehr Entgelt ausgemacht, hieß es. Zudem sollte es eine steuerfreie Inflationsausgleichszahlung von 3000 Euro geben – mit einer Auszahlung von 1750 Euro im Mai zur Dämpfung der gestiegenen Preise. Die Arbeitgeber betonten zudem auf Anfrage, dass all die erwogenen Einzelkomponenten nicht Teil eines offiziellen Angebots gewesen seien.

Die kommunalen Kassen würden dadurch mit einem zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr mehr belastet. „Die Gewerkschaften haben sich in ihrer Forderung eingemauert und nicht hinreichend bewegt, um eine Brücke zu bauen“, monierte Karin Welge, Präsidentin der kommunalen Arbeitgebervereinigung (VKA). Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kritisierte den Abbruch via Twitter: „Gerade in Krisenzeiten wäre es gut gewesen, am Verhandlungstisch zu bleiben.“

Warum haben die Gewerkschaften die Verhandlungen scheitern lassen?Verdi-Chef Franz Werneke sprach von Bewegung auf beiden Seiten insbesondere am dritten Tag – „das will ich ausdrücklich anerkennen“. Die öffentlichen Arbeitgeber seien aber „nicht in der Lage, einen sozial gerechten Abschluss möglich zu machen, der insbesondere die Beschäftigten mit nicht so hohen Einkommen ausreichend würdigt“. Von Gewerkschaftsseite heißt es zudem, statt der acht Prozent hätten lediglich sieben Prozent „auf dem Tisch gelegen“.

Der baden-württembergische Verdi-Landeschef Martin Gross betonte: „Wir haben den Arbeitgebern mehrere Brücken gebaut, die eine Einigung möglich gemacht hätten – insbesondere die kommunalen Arbeitgeber haben bis zuletzt nicht verstanden, welche Verantwortung sie für die materielle Situation ihrer Beschäftigten tragen.“ Zu mehr als einem Ausgleich der prognostizierten Inflation in 2023 seien sie nicht bereit gewesen. Demnach will Verdi den gesamten Kaufkraftverlust der vergangenen beiden Jahre und den von 2024 ausgeglichen haben.

Seine Vize Hanna Binder ergänzte, dass es zwar gelungen sei, den Arbeitgebern die Bedeutung einer sozialen Komponente klarzumachen. „Aber die richtige soziale Struktur nützt nichts, wenn die Höhe des Angebots den Menschen nicht hilft“, sagte sie. „Mit den Summen, die auf dem Tisch lagen, reicht den Kolleginnen und Kollegen in den unteren und mittleren Einkommensgruppen ihr Geld nicht mehr bis zum Monatsende.“

Wie geht es bei der Schlichtung weiter? Die kommunalen Arbeitgeber und das Bundesinnenministerium haben die Schlichtung angerufen. Streng vorgegeben herrscht von Sonntag an Friedenspflicht. Die Gewerkschaften haben den früheren Bremer Staatsrat und Tarifrechtsexperten Hans-Henning Lühr als unparteiischen Schlichter benannt – die Arbeitgeber den Schlichtungsroutinier und Ex-Ministerpräsidenten aus Sachsen, Georg Milbradt (CDU). Die Schlichtungskommission besteht aus jeweils zwölf Vertretern beider Lager und soll bis kommenden Donnerstag zusammentreten.

In dieser Tarifrunde hat der von der Arbeitnehmerseite berufene Schlichter den Vorsitz und ist damit stimmberechtigt. Bei einem Patt in der Kommission gibt seine Stimme den Ausschlag. Für Mitte April wird ein Schlichterspruch erwartet, über den dann erneut verhandelt werden muss.

Was Schlichtungen (nicht) bewirken

Moderation
 Schlichtungen sind im öffentlichen Dienst nichts Ungewöhnliches. So hat es in der großen Finanz- und Wirtschaftskrise eine erfolgreiche Vermittlung gegeben. Im Februar 2010 hatten die beiden Schlichter Herbert Schmalstieg (SPD, benannt von den Gewerkschaften) und Georg Milbradt (CDU, für die Arbeitgeber) mit der Schlichtungskommission abgeschirmt in einem Münsterländer Schlosshotel beraten. Am Ende kam eine Lohnerhöhung von 2,3 Prozent für 26 Monate heraus – immerhin ein Ausgleich für die damals niedrige Inflation.

Scheitern
 Eine Schlichtung bringt aber nicht unbedingt den Durchbruch. Die Vermittlungsverfahren von 2003 und 2008 scheiterten, weil jeweils eine der Tarifparteien die Empfehlung nicht akzeptierte. 1992 wurde ein Schlichterspruch nicht angenommen – und es folgten rund zehntägige flächendeckende Streiks. Damals gab es Blockaden im gesamten öffentlichen Leben inklusive Post, Bussen und Bahnen – also auch in Bereichen, für die heute eigene Tarifverträge gelten. Auf Gewerkschaftsseite war die ÖTV (Öffentlicher Dienst, Transport und Verkehr) noch allein tonangebend.