Zu diesem Zeitpunkt gibt’s noch freie Bettenauswahl in der Schleyerhalle – mittlerweile sind alle belegt. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Ankunft der 497 Flüchtlinge in der Schleyerhalle im Neckarpark verläuft reibungslos. Ob sie die nächsten zwei Wochen hier sein werden, ist ungewiss. Das Regierungspräsidium Stuttgart hofft auf eine schnellere Verteilung auf die Landeserstaufnahmestellen.

Stuttgart - Im Bauch der Schleyerhalle herrscht seit Samstagnachmittag großer Trubel. Flüchtlinge telefonieren, essen oder hängen einfach nur ab in den zwei Nebenhallen. Einer von ihnen ist Osama. „Ich träume von einem normalen Leben“, sagt er, „und davon, in Deutschland zu arbeiten und meine Familie hierher zu bringen.“ In ihrer Heimat sei die Situation lebensbedrohlich gewesen, sagt der 32-Jährige. Wegen des Krieges habe es seit vielen Monaten außerdem kaum beständige Jobs gegeben. Deshalb entschied er sich, seine Frau und seine vierjährige Tochter zurückzulassen und sich nach Deutschland aufzumachen.

Über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich sei er erst nach München, dann nach Heidelberg gereist. Umgerechnet 4000 Euro habe er dafür an die Schlepperbanden bezahlt, 25 Tage sei er unterwegs gewesen. Deutschland sei von Anfang an sein Ziel gewesen – nicht Schweden, nicht die Niederlande, sagt Osama: „Jetzt bin ich glücklich, hier zu sein.“ Wenngleich Stuttgart für ihn und alle anderen Asylsuchenden nur eine Zwischenstation sein wird.

„Wir werden mit Zugängen überrannt“

Die Nebenhallen der Schleyerhalle, die die Stadt Stuttgart dem Land bis zum 27. August zur Verfügung gestellt hat, sind eine reine Notunterkunft. Das Provisorium wurde eingerichtet, weil sich die Situation in den vergangenen Wochen weiter zugespitzt hat. Die Zahl der Asylsuchenden, die im Südwesten eintreffen, habe sich noch einmal erhöht, sagt der Vizepräsident des Regierungspräsidiums (RP) Stuttgart, Christian Schneider: „Wir werden mit Zugängen überrannt.“ Zwischen 600 und 700 Menschen kommen derzeit pro Tag in Baden-Württemberg an.

Aufgrund dieses immensen Andrangs haben die Landeserstaufnahmestelle (Lea) in Karlsruhe und die bedarfsorientierte Erstaufnahmestelle (Bea) in Heidelberg es zuletzt nicht mehr geschafft, alle Neuankömmlinge adäquat unterzubringen. Mit Blick auf das Wochenende hat das RP Stuttgart am Mittwoch reagiert und die Nebengebäude der Schleyerhalle umfunktioniert.

Schleyerhallen-Flüchtlinge sind noch nicht registriert

Im Lauf des Wochenendes wurden dort 497 Flüchtlinge untergebracht. Die Männer, Frauen und Kinder aus Syrien, Pakistan, Indien, Afghanistan, Serbien, Mazedonien, Albanien, Palästina, Gambia und Nordafrika sollen laut RP-Vizechef Schneider aber „möglichst schnell“ wieder auf die Leas und Beas verteilt und dort dann auch registriert, ärztlich untersucht und erkennungsdienstlich behandelt werden. Dieses Prozedere sei bisher noch nicht erfolgt, sagt RP-Sprecherin Sabine Beck. Nur in den Leas und Beas können die Flüchtlinge einen Asylantrag stellen, in Stuttgart ist dies nicht möglich.

Bis die Flüchtlinge weitergeschickt werden, schlafen sie in Feldbetten, die in einer der beiden Nebenhallen doppelstöckig dicht nebeneinander stehen. An Privatsphäre ist hier zwar nicht zu denken. Das RP hat mit der Übergangslösung in den Gebäuden an der Ecke Mercedes-/Benzstraße immerhin sichergestellt, dass die Menschen nicht – wie in anderen EU-Ländern – unter freiem Himmel übernachten müssen.

Cateringfirma kümmert sich um die Verpflegung

Und auch sonst ist innerhalb kürzester Zeit für alles gesorgt worden: In drei extra aufgestellten Duschcontainern können sich die Asylsuchenden waschen, für ihre Notdurft die sanitären Anlagen in den Katakomben der Schleyerhalle nutzen. Um die Verpflegung kümmern sich 20 Mitarbeiter einer Stuttgarter Cateringfirma, die sonst für Kindergärten und Schulkantinen kocht.

Auf dem Speiseplan stehen morgens Fladenbrot, Honig, Butter, Putenschinken und -salami; mittags wechselnde warme Gerichte wie etwa Rindfleisch-Frikadellen, Reis und Salat; abends Fetakäse, Mozzarella, Tomaten, Oliven, Aufschnitt und Brötchen. Für den Schutz der temporären Bewohner hat das RP eine Sicherheitsfirma engagiert, 14 Beschäftigte überwachen das Gelände rund um die Uhr. Helfer vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) und den Johannitern stehen abwechselnd für den Fall einer medizinischen Erstversorgung mit einem Krankenwagen bereit. Und dann gibt es eben noch 18 Mitarbeiter des privaten Dienstleisters aus Freiburg, die sich um das Organisatorische und deren Bedürfnisse kümmern.

„Jetzt ist Solidarität gefragt!“

Die Mitarbeiter des RP hätten dies nicht leisten können. Der wachsende Flüchtlingsstrom sei ohnehin eine große Herausforderung, sagt Schneider. Man habe in der Behörde bereits die personellen und finanziellen Ressourcen gebündelt, um die Aufgabe zu meistern. Die Unterbringung der Flüchtlinge sei derzeit einfach am wichtigsten, weil es sich um eine humanitäre Frage handle: „Wir als reiches Land müssen es schaffen, die Menschen gut unterzubringen“, sagt der Regierungsvizepräsident. Man müsse Kapazitäten finden, mit Kommunen sprechen und Bürger informieren. „Jetzt ist Solidarität gefragt! Wir brauchen die Städte, Gemeinden und Bürger.“ Sie seien „entscheidende Partner“. Parallel wolle man versuchen, Verfahren zu beschleunigen.

Damit eine Notlösung wie in der Schleyerhalle die Ausnahme bleibt.