Die Säle 3 und 4 der Schleyerhalle werden zu einem vorübergehenden Notquartier für 500 Flüchtlinge Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Am Mittwochabend hat es die erste Ortsbegehung gegeben, bereits an diesem Samstag ziehen Asylbewerber ein. Die Umwandlung von Teilen der Schleyerhalle in eine Flüchtlingsunterkunft vollzieht sich in Windeseile. Vieles klärt sich erst auf den letzten Drücker.

Stuttgart - Man könnte meinen, hier wird für ein Festbankett aufgestuhlt. Endlos ziehen sich die Tischreihen hin. Doch die Umgebung rückt den ersten Eindruck schnell zurecht. Betonwände bestimmen das Bild. Ein paar Schritte weiter bauen Männer im Akkord Feldbetten auf. 500 Stück sollen schließlich die Halle füllen. Dicht an dicht, ohne Privatsphäre. Im Bauch der Schleyerhalle, in den Sälen 3 und 4, entsteht eine Notunterkunft für Flüchtlinge.

Bereits an diesem Samstag sollen bis zu 500 Menschen hier einziehen, die das Land in keiner Erstaufnahmeeinrichtung mehr unterbringt. „Die Hallen sollen Entlastung für ganz Baden-Württemberg schaffen, um Obdachlosigkeit bei Asylbewerbern zu verhindern“, sagt Sabine Beck vom Regierungspräsidium Stuttgart. Dort ist man für die Organisation zuständig – und die ist nicht einfach. Erst am Mittwochnachmittag hat man bei der Stadt wegen der Schleyerhalle angefragt. Noch am Abend gab es eine Ortsbesichtigung, bereits drei Tage später stehen die Menschen vor der Tür.

Wer da kommen wird, stand am Freitag noch nicht fest. Familien, viele einzelne Flüchtlinge? Die Zeit war zu kurz, um solche Fragen früh zu klären. „Das ist eine enorme logistische Herausforderung, wir arbeiten im Krisenmodus“, sagt Sabine Beck. Sie geht zumindest davon aus, dass alle Flüchtlinge, die in die Schleyerhalle kommen, bereits registriert und erkennungsdienstlich behandelt worden sind. Ob auch schon alle eine medizinische Untersuchung bekommen haben, ist zunächst noch unklar. Wünschenswert wäre das, denn ansonsten müsste man wohl auch noch eine ärztliche Anlaufstelle einrichten, damit alle ausreichend versorgt sind.

Cateringunternehmen versorgt die Flüchtlinge

Verpflegt werden die Neuankömmlinge von einem Cateringunternehmen. Ein Ansprechpartner des Regierungspräsidiums wird sich um alle Fragen kümmern, ein Sicherheitsdienst darum, dass es weder innerhalb der großen Gruppe noch von außerhalb Ärger gibt. Auch die Polizei will immer mal wieder eine Streife vorbeischicken und nach dem Rechten sehen – besonders am Sonntagnachmittag, wenn zum ersten Bundesligaspiel des VfB mehrere Zehntausend Menschen im Neckarpark unterwegs sind.

Am Freitagnachmittag laufen die Vorbereitungen in den Hallen noch auf vollen Touren. Die Fenster hinaus zur Mercedesstraße werden im unteren Bereich abgeklebt, damit nicht jeder von außen direkt auf die Feldbetten schauen kann. „Wir sind ja nicht in der Wilhelma“, sagt einer der Männer. Toiletten gibt es in den Katakomben. Noch fehlen die Duschcontainer, die draußen vor der Tür aufgestellt werden sollen. Betten, Tische und Stühle sind bereits genügend da. Das ist derzeit keine Selbstverständlichkeit, brauchen doch viele Bundesländer, Kreise und Kommunen Innenausstattung für Unterkünfte. Wo die Sachen herkommen, will man deshalb auch lieber nicht so genau verraten.

Die notdürftige Erstaufnahmestelle des Landes in der Schleyerhalle soll eine Ausnahme bleiben. Am 27. August ist Schluss, weil die Räume danach für die Gymnastik-Weltmeisterschaft gebraucht werden. Veranstaltungen sollen durch die vorübergehende Nutzung bis dahin nicht behindert werden. Auch eine Nutzung des Innenraums der Schleyerhalle steht für Stadt und Land nicht zur Debatte.

Asylberwerber konsequenter abschieben

Doch auch mit der regulären Zuweisung von Asylbewerbern sind Kreise und Kommunen längst heillos überfordert. Bei der Suche von immer neuen Unterkünften kommen sie nicht mehr hinterher. Die Stuttgarter CDU hat deshalb am Freitag von der Landesregierung „deutlich mehr Vorlauf und deutlich bessere Information der Kommunen“ gefordert – auch was neue Landeserstaufnahmestellen betrifft. Das Land müsse „Vom Reaktionsmodus endlich auf einen Aktionsmodus umstellen“, so der Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann.

Die Stuttgarter CDU fordert noch weitere Schritte. So sollen weitere Länder als sichere Herkunftsstaaten ausgewiesen und abgelehnte Asylbewerber konsequenter abgeschoben werden. Zudem müssten die neu geschaffenen Stellen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rasch besetzt werden, fordert Kaufmann. Die Politik dürfe das große Engagement von Kommunen, Kirchen und Ehrenamtlichen nicht überstrapazieren, sondern müsse „den wirklich Verfolgten helfen und genügend menschenwürdige Aufnahmeplätze schaffen“.

Derzeit allerdings sind alle Beteiligte Getriebene im Strom der Flüchtlingswelle. Bis zu diesem Samstagmorgen muss im Bauch der Schleyerhalle alles bereit sein für die ersten Neuankömmlinge. Damit die endlosen Reihen von Feldbetten wenigstens die Obdachlosigkeit verhindern.