Dass die Alte Weinsteige hier nicht talwärts befahren werden darf, wird munter ignoriert. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Alte Weinsteige in Stuttgart gilt als eine von vielen Strecken, die von Autofahrern als Schleichweg missbraucht wird. Anwohner wollen sich selbst helfen – mit Privatanzeigen.

Von der Schranke ist nur noch ein Stummel übrig. Zu oft wurde die schon umgefahren. Und auch das Verbotsschild am Straßenrand scheint eher nur der Dekoration des Bordsteins zu dienen: Täglich rollt der Schleichverkehr auf der Alten Weinsteige talwärts – wegen aktueller Baustellen zwischen Degerloch und Stuttgart-Süd noch stärker. Hilft dort, wie auch an anderen gesperrten Strecken Stuttgarts, nur noch die eigene Videoüberwachung mit Privatanzeigen durch Anwohner?

 

Szenen einer Panoramastrecke: Ein Radfahrer ackert auf der schmalen Straße bewundernswert bergauf, als er von hinten angehupt wird. Eine Autofahrerin will vorbei. Dass sie zwischen 15 und 19 Uhr hier gar nicht bergauf fahren darf, ist ihr offenbar nicht bewusst: Sie habe das Schild gar nicht gesehen, entschuldigt sie sich. Das temporäre Durchfahrtsverbot wird auf drei Schildern angekündigt. „Und wenn man auf die Schilder zeigt“, sagt ein Anwohner, „dann interessiert das keinen.“

Mancher greift zum Smartphone für den Videobeweis

Talwärts, an der Wielandshöhe, ist die Regel noch eindeutiger. Verbot der Einfahrt, weißer Balken auf rotem Schild. Innerhalb kurzer Zeit fahren Dutzende Autofahrer an der Engstelle vorbei. „Vor allem zwischen 7 und 8.30 Uhr ist richtig was los“, sagt ein weiterer Anwohner aus dem unteren Bereich der Alten Weinsteige. Diverse Nachbarn hätten inzwischen zum Smartphone gegriffen, um die Kennzeichen zu filmen und die Sünder anzuzeigen. „Das zeigt, dass sich die Leute nicht mehr anders zu helfen wissen“, sagt er, „eine Art Notwehr, weil man sich von der Stadt allein gelassen fühlt.“

Wie die Stadt private Überwacher und stapelweise Beweisfotos betrachtet, auf diese Anfrage unserer Zeitung gibt es seit Tagen noch keine Antwort. Die Polizei als zuständige Kontrollinstanz für den fließenden Verkehr gibt sich zurückhaltend: „Solche Fotos würden natürlich als Beweismittel einer Anzeige aufgenommen“, sagt Polizeisprecher Jens Lauer, „wie das gerichtlich verwertbar wäre, ist aber eine offene Frage.“ Für die Staatsanwaltschaft ist das eher kein Thema – weil man für Ordnungswidrigkeiten nicht zuständig sei, so Sprecher Aniello Ambrosio. Gleichwohl: „Das muss natürlich auch verhältnismäßig zur Schwere der Tat sein.“

Was das Missachten des Verbotsschildes kostet

Der Bußgeldkatalog sieht für das Missachten der Schilder „Verbot der Einfahrt“ und „Durchfahrtsverbot“ ein Verwarnungsgeld von 50 Euro vor. Angesichts der Baustellen und Staus auf der Neuen Weinsteige, der Heinestraße in Degerloch und der Karl-Kloß-Straße im Stuttgarter Süden scheint das vielen Autofahrern dennoch das Risiko wert zu sein – wobei manche auf ihr Navigationsgerät und der falschen Routenvorgabe verweisen.

Was das Ordnungsamt von einer Überwachung mit Verkehrskameras hält, hat die Behörde jüngst einem Anwohner der Alten Weinsteige mitgeteilt: „Kameras, die jedes vorbeifahrende Fahrzeug erfassen, sind im öffentlichen Verkehrsraum aus Datenschutzgründen nicht erlaubt“, heißt es in einer Stellungnahme.

Wer kennt noch den „Radar Walter“?

Die Alte Weinsteige ist nicht die einzige Strecke, die als Schleichweg missbraucht wird, wohl aber eine besonders prominente. Und ein Vorzeigebeispiel, dass unterschiedlichste Maßnahmen offenbar keine Wirkung zeigen. Das Durchfahrtsverbot Richtung Degerloch von 15 bis 19 Uhr gilt schon seit 1986. Und die Schrankenlösung musste schrittweise abgesägt werden, weil die Barrieren immer wieder umfahren und umgefahren wurden. Ein zentrales Problem sind offenbar die Ausnahmeregelungen – für einen Kreis von 140 Anwohnern und Kindergarteneltern rechtlich erstritten.

Der Verkehrsärger erinnert an den Fall des „Radar Walter“ – einer lebensgroßen Attrappe eines Polizisten mit Laserpistole. Der Schauspieler Bernd Gnann hatte die Figur am Hofener Neckarufer aufgestellt, um Raser abzuschrecken – bis die Ordnungsbehörde die Mission Anfang 2007 untersagte. Wenn schon, dann müssen Kontrollen echt sein.